Prostatakarzinom: Radionuklid-Therapie wirksam auch bei der Lebensqualität

Montag, 27. September 2021

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Lugano – Das metastasierte kastrationsresistente Prostatakarzinom wird gemeinhin mit Inhibitoren des Androgensignalwegs und Chemotherapie behandelt, aber früher oder später sind alle therapeutischen Möglichkeiten ausgereizt. Eine neue Option scheint die Therapie mit radioaktiven Nukliden zu sein, die über spezielle Liganden an tumorspezifische Oberflächenantigene wie das Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) und damit an die malignen Zellen herangebracht werden.

Ein Präparat, das den β-Strahler Lutetion-177 verwendet, scheint hier erfolgreich die Überlebenszeiten zu verlängern und, wie beim virtuellen ESMO-Kongress berichtet wurde, gleichzeitig die Lebensqualität günstig zu beeinflussen (Annals of Oncology 2021; DOI: 10.1016/j.annonc.2021.08.1089).

In der Radioonkologie wird neuerdings ein Prinzip genutzt, das in Verbindung mit Chemotherapien schon seit längerem in Gebrauch ist: Werden dort hochpotente Zytostatika an Antikörper gekoppelt, die das Medikament möglichst selektiv an Tumorzellen heranbringen, nutzen die Radioonkologen in der Uro-Onkologie nun spezifische niedermolekulare Liganden, die an das Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) binden, um radioaktive Strahlung gezielt in das Prostatakarzinom hineinzutragen.

In dem hierfür verwendeten Präparat 177Lu-PSMA-617 ist der β-Strahler Lutetium-177 an den PSMA-Liganden gekoppelt und gibt seine Strahlung nach Bindung an das Oberflächenantigen punktgenau auf die Prostatakarzinomzellen und das umgebende Microenvironment ab.

In der Phase-III-Studie VISION wurden Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostata­karzinom, die zuvor mindestens einen Inhibitor des Androgenrezeptorsignalwegs und 1 oder 2 Taxan-Chemotherapien erhalten hatten und in der Positronenemissionstomographie PSMA-positiv getestet waren, im Verhältnis 2:1 auf 177Lu-PSMA-617 oder eine Standardbehandlung randomisiert. Das Radiopharmazeutikum hatte, wie soeben publiziert([Sartor O et al. N eNgl J Med 2021; 385: 1091-103), nach median 20.9 Monaten das progressionsfreie Überleben signifikant von 3,4 auf 8,7 Monate (Hazard Ratio 0,40; 99,2 %-Konfidenzintervall 0,29–0,57; p < 0,001) ebenso wie das Gesamtüberleben von 11,3 auf 15,3 Monate verlängert (HR 0,62; 95 %-KI 0,52–0,74; p < 0,001); auch das Risiko für ein erstes symptomatisches skelettales Ereignis wurde halbiert (HR 0,50; 95 %-KI 0,40–0,62; p < 0,001).

Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher waren im experimentellen Arm mit 52,7 % versus 38,0 % häufiger, aber dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität darunter nicht litt, zeigte eine separate Analyse, die Karim Fizazi vom Gustave Roussy Institut an der Universität Pairs Saclay in Villejuif beim ESMO-Kongress vorstellte.

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde im Wesentlichen mit dem FACT-P-Fragebogen erhoben (Functional Assessment of Cancer Therapy – Prostate), die Schmerzen mit dem Brief Pain Inventory – Short Form (BPI-SF). Bestimmt wurde jeweils die Zeit bis zum 1. Auftreten eines Ereignisses, und 177Lu-PSMA-617 schnitt dabei in allen Subskalen signifikant besser ab: beim FACT-P-Gesamtscore (HR 0,46; 95 %-KI 0,35–0,61; p < 0,001), bei der Scherz-Subskala (HR 0,55; 95 %-KI 0,42–0,71; p < 0,001) und der Prostatakrebssubskala des FACT-P (HR 0,59; 95 %-KI 0,46 – 0,76; p < 0,001) ebenso wie in der BPI-SF bei der Schmerzintensität (HR 0,45; 95 %-KI 0,33–0,60; p < 0,001), den stärksten Scherzen (HR 0,49; 95 %-KI 0,37–0,65; p< 0,001) und bei der Beeinträchtigung des täglichen Lebens durch die Schmerzen (HR 0,60; 95 %-KI 0,45–0,80; p < 0,001).

Diese Ergebnisse belegen überzeugend eine Verzögerung der Zeit bis zur Verschlechterung der Lebens­qualität und der Schmerzen und sprechen für den klinischen Nutzen der Radiotherapie über die Überle­bens­verlängerung hinaus, so Fizazi – und das trotz der höheren Inzidenz von Grad-3/4-Nebenwirkun­gen.

Die Anwendung von Immuncheckpointinhibitoren, die in den letzten Jahren die Onkologie von Grund auf verändert haben, wurde auch beim Prostatakarzinom bereits untersucht, wenngleich bislang mit mäßi­gem Erfolg. Ein Versuch, sie als Ergänzung zum nachweislich wirksamen 177Lu-PSMA-617 einzusetzen, erscheint lohnend, weil durch Strahlung abgetötete Tumorzellen Antigene freisetzen, die wiederum Immunzellen sensibilisieren können.

Deshalb erhielten in der Phase-I-Studie PRINCE, aus der Shahneen Sandhu vom Peter MacCallum Cancer Center im australischen Melbourne beim ESMO-Kongress erste Interimsergebnisse vorstellte (Annals of Oncology 2021; DOI: 10.1016/j.annonc.2021. 08.1090; Registriert unter: ClinicalTrials.gov No. NCT03658447), Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem, PSMA-positivem Prostatakarzi­nom zusätzlich zu den 6 Zyklen der Strahlentherapie 200 mg des PD-1-Antikörpers Pembrolizumab alle 3 Wochen.

Ko-primäre Endpunkte waren die Sicherheit und die 50 %-PSA-Ansprechrate. Diese lag bei den bislang auswertbaren 37 Patienten nach median 38 Wochen bei 73 %, und von 9 Patienten mit radiologisch messbarer Erkrankung zeigten 7 eine partielle Remission. Nebenwirkungen waren überwiegend vom Grad 1 oder 2, nur 4 der Patienten brachen die Therapie wegen Toxizität ab, sodass dies als vielver­sprechender Einstieg in die vertiefte Prüfung einer solchen Kombinationstherapie gewertet werden kann, so Frau Sandhu. © jfg/aerzteblatt.de