Lokalisierter Prostatakrebs: Keine Unterschiede im Überleben bei Überwachung oder aktiver Behandlung

Lokalisierter Prostatakrebs (grafische Darstellung). Grafik: SciePro – stock.adobe.com

Lokalisierter Prostatakrebs mit niedrigem oder mittlerem Risiko sollte möglicherweise noch zurückhaltender behandelt werden als bisher. Dies legen die 15-Jahres-Daten der ProtecT-Studie nahe: Sie zeigen keinen Überlebensunterschied zwischen radikaler Prostatektomie, radikaler Radiotherapie und aktiver Überwachung.

Erstautor Prof. Freddie Hamdy von der Universität Oxford (Großbritannien) präsentierte die Ergebnisse am 12.03.2023 auf dem Jahreskongress der European Association of Urology (EAU) in Mailand (Italien). In der Nacht davor waren sie im „New England Journal of Medicine“ publiziert worden.

Zwischen 1999 und 2009 erhielten in Großbritannien 82.429 Männer zwischen 50 und 69 Jahren einen Test auf das prostataspezifische Antigen (PSA). Lokalisierter Prostatakrebs wurde bei 2664 Männern diagnostiziert. Davon wurden in der Studie 1643 Männer nach dem Zufallsprinzip einer der drei Therapieoptionen zugewiesen: 545 einer aktiven Überwachung, 553 einer Prostatektomie und 545 einer Strahlentherapie. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren (Bereich 11–21) verglichen die Autoren die Ergebnisse in dieser Population in Bezug auf Tod durch Prostatakrebs (primärer Endpunkt) sowie Tod infolge jeglicher Ursache, Metastasen, Krankheitsprogression und Einleitung einer Langzeit-Androgendeprivationstherapie (sekundäre Endpunkte).

Keine signifikanten Unterschiede

Die Nachbeobachtung war bei 1610 Patienten (98%) abgeschlossen. Eine Risikostratifizierungsanalyse ergab, dass mehr als ein Drittel der Männer zum Zeitpunkt der Diagnose eine Erkrankung mit mittlerem oder hohem Risiko hatte. Tod durch Prostatakrebs trat bei 45 Männern (2,7%) auf: 17 (3,1%) in der Gruppe mit aktiver Überwachung, 12 (2,2%) in der Gruppe mit Prostatektomie und 16 (2,9%) in der Gruppe mit Strahlentherapie (p=0,53 für den Gesamtvergleich). Todesfälle jeglicher Ursache traten bei 356 Männern (21,7%) auf, mit ähnlichen Zahlen in allen drei Gruppen. Metastasen entwickelten sich bei 51 Männern (9,4%) in der Gruppe mit aktiver Überwachung, bei 26 (4,7%) in der Prostatektomie-Gruppe und bei 27 (5,0%) in der Strahlentherapie-Gruppe. Eine langfristige Androgenentzugstherapie wurde bei 69 (12,7%), 40 (7,2%) bzw. 42 (7,7%) Männern begonnen. Eine klinische Progression trat bei 141 (25,9%), 58 (10,5%) bzw. 60 (11,0%) Männern auf. In der Gruppe mit aktiver Überwachung lebten 133 Männer (24,4%) am Ende der Nachbeobachtung ohne Prostatakrebsbehandlung. Von den Patienten, die 2015, also nach 10 Jahren, Metastasen entwickelt hatten, waren nach 5 weiteren Jahren 3 von 22 (14%) unter aktiver Überwachung an ihrer Erkrankung gestorben, bei radikaler Prostatektomie bzw. Radiotherapie waren es 2 von 8 (25%) bzw. 7 von 10 (70%). Die Forscher fanden wurden keine unterschiedlichen Auswirkungen auf die krebsspezifische Mortalität in Bezug auf den PSA-Ausgangswert, das Tumorstadium, den Tumorgrad oder den Risikostratifizierungswert. Nach der 10-Jahres-Analyse traten keine Behandlungskomplikationen auf.

Ähnliche Überlebensraten trotz Metastasierung

Nach 15 Jahren Nachbeobachtung war die prostatakrebsspezifische Mortalität also unabhängig von der zugewiesenen Behandlung niedrig. „Wir dachten alle, dass die Kurven sich nach 10 Jahren deutlich trennen würden, weil wir Unterschiede in der Entwicklung von Metastasen beobachteten, aber sie taten es nicht“, sagte Hamdy in Mailand. Nach inzwischen sogar 17 Jahren lagen die Überlebenskurven immer noch dicht übereinander. Bei der Metastasierung setzte sich der Trend fort, dass die Patienten unter aktiver Überwachung zu etwa 50% häufiger eine metastasierte Erkrankung entwickelten, „aber das hat sich bisher nicht in Unterschiede bei der Mortalität übersetzt“, so Hamdy. Die etwa 60-prozentige Reduktion der Progression bei einer aktiven Therapie gegenüber der Überwachung kommentierte Hamdy mit den Worten: „Dies ist die am wenigsten verlässliche Größe, den wir untersuchten, und sie rechtfertigt am wenigsten eine radikale Therapie, da die Definition der Progression so subjektiv war.“

Hamdy unterstrich, dass die Patienten in der ProtecT-Studie keine Niedrigrisiko-Population darstellten. Bei einem Drittel der Patienten mit Prostatektomie stellte sich sogar heraus, dass sie einen pT3-Tumor hatten. Er betonte außerdem, dass die Studie niemals die Bedeutung der radikalen Therapie bei Hochrisikoerkrankung angezweifelt hat. „Wir wissen, dass Prostatakrebs bei diesen Patienten tödlich ist, und sie brauchen eine aggressive, manchmal multimodale Therapie.“ Der Urologe wies auch die Ansicht zurück, dass die Methoden der aktiven Überwachung, die in der Studie angewendet wurden, überholt seien. „Obwohl sie weniger intensiv sind als die derzeitigen Methoden der aktiven Überwachung, zeigte das krankheitsspezifische Überleben keinen Unterschied gegenüber aktiver Behandlung. Die Überwachung zu intensivieren, würde also nicht notwendigerweise das Überleben verbessern.“

Letalitätsfaktoren unbekannt

Warum jemand letztlich an Prostatakrebs stirbt, darüber herrscht weiter Unklarheit, stellte Hamdy heraus. So hatten von den 13 Patienten, die nach einer radikalen Prostatektomie trotzdem an ihrem Krebs sterben, 8 ein niedriges und 3 ein mittleres Risiko. „Männer, die an Prostatakrebs sterben, haben Letalitätsfaktoren, die erst noch identifiziert werden müssen“, sagte Hamdy. Er bezeichnete die aktuellen Instrumente zur Risikostratifizierung nach der Diagnose als unzuverlässig und forderte neue Tools. Zudem sterben Patienten mit Metastasen den Studienergebnissen zufolge nicht notwendigerweise an Prostatakrebs. „Wir haben diskutiert, ob die Metastasierung als Surrogat-Endpunkt für die Therapieeffektivität benutzt werden kann. Das steht jetzt infrage.“ Er zeigte sich erfreut darüber, dass aktuelle Studien stattdessen zunehmend das krankheitsspezifische Überleben als Surrogatendpunkt benutzen.

Als eine wichtige Lehre aus der Studie nannte Hamdy die Erkenntnis, dass die Indikation zur aktiven Überwachung sicher auf Prostatakrebs mit intermediärem Risiko ausgedehnt werden könne. Die Screening-Aktivitäten sah er kritisch: „Ich befürchte, dass das lange Überleben mit Prostatakrebs, der durch Screening entdeckt wurde – mit oder ohne Behandlung, mit oder ohne Metastasen -, die Einführung eines populationsbasierten Screening zur Früherkennung nicht unterstützt.“ Das Screening müsse stattdessen sei risikoadaptiert erfolgen.

Hamdy schloss mit der Forderung, dass die Ärzte in ihren Therapieentscheidungen die Vorteile und Schäden, die mit den Behandlungen von lokalisiertem Prostatakrebs verbunden sind, abwägen. Hier stehen der Reduktion von Metastasen mit langfristiger Hormontherapie und der Vermeidung der Progression lokalisierter Erkrankungen durch radikale Behandlung die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die sexuelle, Harntrakt- und Darmfunktion gegenüber.

(ms)

 Quelle

Freddie Hamdy: 15-year update PROTECT trial – Part I: Oncology. EAU 2023, 12.03.2023, MailandHamdy FC, Donovan JL, Lane JA et al. Fifteen-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med . 2023 Mar 11.