Vitamin D-Supplementierung: bei alten Menschen oft notwendig

Petra Kittner   Medizinische Nachrichten   13.03.2023

Essenziell für die Knochengesundheit, gut für das Immunsystem, hilfreich bei akuten Atemwegsinfekten … – die positiven Wirkungen, die Vitamin D zugeschrieben werden, füllen eine lange Liste. Aber wo Licht, da auc Schatten: Bei Überversorgung ist eine Intoxikation möglich, wenn auch nicht durch die körpereigene Vitamin-D-Bildung und die natürliche Ernährung. Problematisch sind aber übermäßig hohe Einnahmen von Supplementen, hoch dosierte Medikamente oder ein hoher Konsum von angereicherten Lebensmitteln. Da Vitamin D im Körper gespeichert werden kann, ist außer einer akuten auch eine schleichende Überdosierung möglich.

Prävalenz des Vitamin-D-Mangels in Deutschland

In Deutschland leidet nach Erhebungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) fast jeder siebte Einwohner zwischen 18 und 79 Jahren an einem Vitamin-D-Mangel, das heißt, die Serum-Konzentration von 25-Hydroxyvitamin D (25(OH)D) liegt unter 30 nmol/l. Einen suboptimalen Vitamin-D-Spiegel von unter 50 nmol/l zeigen über die Hälfte aller Deutschen.

Ältere Menschen sind besonders anfällig für einen Vitamin-D-Mangel. Sie halten sich häufiger in geschlossenen Räumen auf, etwa aufgrund mangelnder Mobilität. Außerdem tragen sie eher stark hautbedeckende Kleidung, was die Exposition gegenüber Sonnenlicht weiter verringert. Von ärztlicher Seite wird Senioren auch empfohlen, besonders sorgfältig beim Sonnenschutz zu sein: So sollen Kinder und Senioren sich dem Ratschlag des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung nach am besonders empfindlichen Hauttyp I orientieren (). Zusätzlich trägt zum Vitamin-D-Mangel bei älteren Menschen bei, dass mit dem Alter die Fähigkeit abnimmt, Vitamin D aus der Nahrung aufzunehmen.

Deutsche Senioren bleiben weit unter den Verzehrempfehlungen

Laut der Nationalen Verzehrstudie II (2008) liegt bei Männern und Frauen in allen Altersgruppen die durchschnittliche Zufuhr von Vitamin D deutlich unter der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Insgesamt erreichte gemäß der Verzehrstudie die durchschnittliche Vitamin D-Zufuhr bei den 65- bis 80-jährigen Senioren weniger als ein Viertel der von der DGE – zum damaligen Zeitpunkt – empfohlenen Menge von 10 μg Vitamin D pro Tag.

Inzwischen ist der Wert revidiert. Heute hält die DGE für Ältere ab 65 Jahren eine Vitamin D-Supplementation von mindestens 800 IE (20 µg) täglich für angemessen. Einige Experten sprechen sich für eine Zufuhr von mindestens 1.000 IE (25 µg) für alle Erwachsenen aus. Bei Übergewichtigen sowie Patienten unter Medikamenten, die den Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen, sind nach Empfehlung der American Endocrine Society (AES) mindestens 2- bis 3-fach höhere Dosierungen erforderlich.

Vitamin D und Osteoporose bzw. Osteoarthrose

Vitamin D ist eng mit dem Auftreten und der Therapie von Osteoporose verbunden. Gerade im Alter ist diese ein weitverbreitetes Problem, von dem vorwiegend Frauen betroffen sind. Wissenschaftlichen Schätzungen nach könnten fast die Hälfte aller Frauen ab 65 Jahren unter einer Osteoporose leiden. Nach der Leitlinie Osteoporose gibt es eine Evidenz dafür, dass eine ausreichende Einnahme von Kalzium und Vitamin D das Risiko für Hüft- und auch alle anderen Frakturen erniedrigt. Die Einnahme von Kalzium und Vitamin D bzw. die Sicherstellung einer ausreichenden Zufuhr wird daher empfohlen (). Gleichzeitig deuten allerdings die Ergebnisse verschiedener Studien darauf hin, dass die isolierte Einnahme von Vitamin D keine signifikante Reduzierung des Frakturrisikos bei älteren Patienten bewirkt.

Einige Studien bringen eine schlechte Vitamin D-Versorgung auch mit dem Entstehen und Fortschreiten einer Osteoarthrose in Zusammenhang. Zwar war ein eindeutiger Effekt nicht für alle Patientengruppen nachweisbar, doch Subgruppenanalysen zeigten positive Korrelationen eines guten Vitamin D-Status mit dem Rückgang des Schmerzgeschehens. Die Studienautoren empfehlen insbesondere älteren Betroffenen eine Supplementierung.

Vitamin D und Körpergewicht

Eine neuere Substudie der sogenannten Vital-Studie gibt Hinweise, dass die Metabolisierung von Vitamin D bei Personen je nach der Höhe des Body Mass Index (BMI) variieren könnte. Die Vital-Studie ist eine große randomisierte Kontrollstudie, die Zusammenhänge zwischen der Versorgung mit Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren und der Wahrscheinlichkeit für Krebserkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen und etliche andere Leiden klären sollte. Die Vital-Studie umfasst insgesamt fast 26.000 Männer ab 50 und Frauen ab 55 Jahren.

Die Auswertung der Substudie ergab, dass eine Vitamin-D-Supplementierung mit positiven Auswirkungen auf mehrere Gesundheitsergebnisse korrelierte, jedoch nur bei Menschen mit einem BMI unter 25. Nach den Autoren könnte ihre Studie helfen zu erklären, warum Personen mit erhöhtem BMI weniger auf die entsprechende Nahrungsergänzung reagieren.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Häufigkeit von Übergewicht (einschließlich Adipositas) bei zunehmendem Alter ansteigt und auch der Anteil an Frauen und Männern, die von einer Adipositas betroffen sind, im Lebensverlauf stetig zunimmt: Nach einer Studie zu Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland weisen in der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre lediglich rund 10 Prozent der Frauen und Männer eine Adipositas auf, während dieser Anteil bei den 45- bis 64-Jährigen auf über 20 Prozent ansteigt und auch in höherem Alter nicht mehr sehr stark absinkt (22,4 Prozent bei Frauen und 19,7 Prozent bei Männern).

Offizielle Empfehlungen zur Vitamin D-Supplementierung bei älteren Menschen

Schwung in die Diskussion um Vitamin D hat Covid-19 gebracht. Seit dem Ausbruch der Pandemie gibt es eine allgemeine Diskussion darüber, ob ein ausreichender Vitamin D-Spiegel einer Ansteckung entgegenwirken oder den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen könnte. Die Deutsche Gesellschaft für Gesundheit DGE hielt 2021 aufgrund der Studienlage einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Vitamin D-Serumspiegel und einem erhöhten Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion bzw. für einen schweren Verlauf von Covid-19 für wahrscheinlich. Eine konkrete Empfehlung für eine generelle Vitamin D-Supplementierung der gesamten Bevölkerung sprach die DGE aber nicht aus.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung BfR gab keine allgemeine Empfehlung für eine vorsorgliche Supplementierung. Anders beurteilte das BfR die Situation für Ältere ab 65 Jahren und Pflegebedürftige. Hier empfahl sie Mitte 2021 zum Beispiel für Pflegeheimbewohner eine generelle Einnahme von Vitamin D bis zu 20 Mikrogramm pro Tag zu erwägen (). Bereits vor dem BfR hatten sich etwa die kassenärztlichen Vereinigungen in Thüringen und Sachsen für eine großzügige Vitamin D-Substitution in Pflegeeinrichtungen positioniert.

Der Blick über die Grenzen zeigt, dass auch in anderen Ländern gerade infolge von Covid-19 großzügige Empfehlungen zur Supplementierung von Vitamin D mindestens bei älteren Menschen durchaus üblich sind. 2020 stellte die britische Regierung der Risikogruppe von älteren Menschen und solchen mit Vorerkrankungen während der Wintermonate kostenlos Vitamin D-Supplemente zur Verfügung. In der Schweiz seit Anfang 2021 die Empfehlung für eine Bevölkerungsweite präventive Gabe von 400 bis 1000 IE Vitamin D am Tag. In USA, Kanada und Finnland sind seit vielen Jahren mit Vitamin D angereicherte Nahrungsmittel auf dem Markt.

  • Bischoff-Ferrari HA, Nitschmann S.: Vitamin-D-Supplementierung [Vitamin D supplementation]. Inn Med 2023;64(1):107-110. Doi:10.1007/s00108-022-01435-4
  • Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zu Vitamin D, RKI (Stand 25.1.2019)
  • Bayerisches Zentrum für Krebsforschung (BZKF) Gesunder Umgang mit der Sonne 
  • Dachverband Osteologie e.V. S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose
  • Tobias DK et al. Association of Body Weight With Response to Vitamin D Supplementation and Metabolism. JAMA Network Open, 2023; 6 (1): e2250681 DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.50681