Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es und welche ist für mich die richtige? Diese Frage bewegt jeden, der die Diagnose Krebs bekommt. Patienten mit Prostata- oder Darmkrebs, die sich unsicher sind, ob sie der Empfehlung ihrer Klinik folgen sollen, haben jetzt die Möglichkeit, eine zweite Meinung in einem Zentrum mit einer Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft einzuholen. Für diese Zweitmeinung können sie wahlweise das Internet nutzen oder sich persönlich vorstellen. Das Projekt ist eine Initiative der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und wird durch eine Auswertung begleitet. Informationen zur Einholung der Zweitmeinung finden sich auf www.krebszweitmeinung.de.
„In der Onkologie entscheidet niemand allein“
Oft ist die Frage nach der richtigen Behandlung gar nicht so einfach zu beantworten. Häufig kommen mehrere Möglichkeiten infrage, und sie sind so vielfältig, dass ein Arzt allein selten den Überblick hat. Deshalb müssen die Spezialisten der unterschiedlichen Fachrichtungen einbezogen werden, darunter Chirurgen, Onkologen, Ärzte für Innere Medizin, Strahlentherapeuten, aber auch der Pathologe, der das Tumorgewebe untersucht hat. Wenn all diese Experten zusammen über den Fall eines Krebspatienten beraten, spricht man von einer interdisziplinären Tumorkonferenz. „In der Onkologie entscheidet niemand mehr allein – zehn Augen sehen mehr als zwei“, betonte DKG-Generalsekretär Dr. Johannes Bruns.
Zweitmeinung vor Behandlungsbeginn einholen
„Bei Patienten mit Prostatakrebs besteht häufig kein Zeitdruck“, erläuterte Prof. Dr. Thorsten Schlomm von der Klinik für Urologie, Charité Universitätsmedizin Berlin. „Wenn wir die am besten geeignete Therapie finden wollen, müssen wir einen Gesamtplan haben, auch für den Fall, dass ein Medikament nicht wirkt oder der Tumor irgendwann wieder wächst. Und wir müssen bedenken: Was zu Beginn der Behandlungskette gemacht wird, hat Auswirkungen auf alle weiteren Schritte.“ So kann zum Beispiel die operative Entfernung eines Tumors in der Prostata später Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder Erektionsstörungen zur Folge haben. Als Alternative sind möglicherweise auch andere Therapieformen denkbar, deren Vor- und Nachteile aber sorgfältig mit dem Patienten besprochen werden sollten. Auch bei Darmkrebs könne eine Zweitmeinung sinnvoll sein, so Prof. Dr. Thomas Seufferlein von der Klinik für Innere Medizin I der Universität Ulm. „Viele Patienten ziehen sie leider erst in Betracht, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.“
Höchste Qualität auch bei der Zweitmeinung
Gerade in komplexen Fällen ist es wichtig, dass Patienten mit dem Wunsch nach einer zweiten ärztlichen Meinung ein qualitativ hochwertiges Angebot gemacht werden kann. Zentren mit einer DKG-Zertifizierung bringen hier gute Voraussetzungen mit: Alle Zweitmeinungsfälle werden in der interdisziplinären Tumorkonferenz des Zentrums diskutiert. Viele der Qualitätsanforderungen, die für eine Zertifizierung erfüllt sein müssen, leiten sich aus den Empfehlungen der aktuell geltenden onkologischen Leitlinien ab. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass das aktuell verfügbare medizinische Wissen in die Therapieempfehlung einfließt. Außerdem müssen die Zentren nachweisen, dass sie über das nötige Wissen, die Erfahrung und die erforderliche Ausstattung (Technik, Personal) für die Behandlung von Krebspatienten verfügen. Etwa 40% aller Menschen mit der Neudiagnose Krebs werden direkt in solchen Zentren behandelt. Nun sollen mehr Patienten von ihrer Expertise profitieren.
Was muss ich tun, um die Zweitmeinung zu bekommen?
Betroffene können sich über das Zweitmeinungsportal www.krebszweitmeinung.de telefonisch oder über ein Kontaktformular melden. Sie werden dann um Erlaubnis gebeten, dass ihre medizinischen Daten in einer elektronischen Patientenakte gespeichert und an DKG-zertifizierte Zentren weitergegeben werden. Rund 140 DKG-zertifizierte Darm- und 40 Prostatakrebszentren stellen ihr Know-how auf dem Zweitmeinungsportal www.krebszweitmeinung.de zur Verfügung. Mit ihrer Zweitmeinungsempfehlung können Patienten ihren aktuell behandelnden Arzt kontaktieren, um das weitere Vorgehen mit ihm zu besprechen. Die Kosten für diesen Service werden derzeit von rund 30 Krankenkassen übernommen, diese sind auf der Internetseite zu finden. Das Angebot gilt übrigens auch für Patienten, die bereits in einem DKG-zertifizierten Zentrum behandelt werden.