Zitterfreies Operieren mit dem Roboter

Immer mehr Tumorpatienten in Deutschland werden robotisch assistiert operiert. Der Arzt wirkt dabei mehr wie ein Dirigent, der ein Orchester zum Klang anleitet. Von Thomas Meißner

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Robotisch assistierte radikale Prostatektomie mit Da-Vinci-System: Patient in Trendelenburg-Lagerung mit angedocktem Op-Roboter. Hinten rechts sitzt der Operateur an der Konsole. Eine Assistentin (vorn) verfolgt die Operation über einen Bildschirm.
© Olaf Tamm

„Das ist wie Orgelspielen“, sagt Professor Markus Graefen, Ärztlicher Leiter der Martini-Klinik, dem Prostatakrebszentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Graefen sitzt an der Konsole des Operationsroboters Da Vinci®, die Unterarme aufgelegt, den Kopf versenkt in eine U-förmige Schale, um eine Prostatektomie vorzunehmen.

Die Schale enthält die Optik des Systems. Durch sie sieht er ein dreidimensionales, zehnfach vergrößertes und hoch aufgelöstes Bild des Operationssitus. Fast fühlt sich das an, als wenn man sich selbst im kleinen Becken befindet.

Roboter mit vier Arbeitsarmen

Die Finger beider Hände umschließen Edelstahlstifte und Schlaufen, mit denen der Urologe durch virtuoses Auf und Ab, Rechts und Links der Arme sowie mit Drehbewegungen der Hände und Finger die Op-Instrumente bedient. Diese stecken, verteilt auf vier Arme des Roboters, zwei Meter neben dem Operateur im mit Kohlenstoffdioxid aufgeblasenen Bauchraum des Patienten und vollziehen exakt diese Bewegungen nach – zitterfrei, dafür sorgt eine Software.

Eigentlich erinnern Graefens Bewegungen eher an die eines Dirigenten als eines Orgelspielers. Wären da nicht noch die Füße, die über Fußtaster diverse Funktionen wie das Koagulieren eines blutenden Gefäßstumpfes oder das Ansteuern eines Arbeitsarms des Roboters ermöglichen.

„Ich habe zwei linke Hände“, sagt Graefen, „und eine rechte.“ Soll heißen: Er kann sich selbst assistieren, steuert die Kamera, spannt Gewebe zur Präparation an und operiert zeitgleich mit zwei weiteren Instrumenten weiter. Nur eine Assistentin steht direkt am OP-Tisch, tauscht Instrumente aus, setzt Clips oder säubert ab und an die Kameraoptik. Für komplexe Eingriffe oder zum Erlernen der Technik ist der Anschluss einer zweiten Konsole möglich.

Die Prostatektomie hat dem robotisch-assistierten Operieren zum Durchbruch verholfen. In manchen urologischen Kliniken wird das Organ kaum noch offen reseziert. Auch Enukleationen bei Nierenzellkarzinomen oder Urothelkarzinomresektionen mit dem Herstellen einer Neoblase aus Darmanteilen werden robotisch assistiert ausgeführt. Das gynäkologisch-onkologische Einsatzgebiet reicht vom Zervix- über das Endometriumkarzinom bis zu ovariellen Transpositionen oder radikalen Lymphonodektomien. In den USA erfolgen bereits 80 Prozent aller radikalen Hysterektomien roboterassistiert.

Hervorragende Sicht

Auch die Viszeralchirurgen holen auf. Laut einer 2016 publizierten Umfrage in Deutschland nahm die Zahl roboterassistierter Eingriffe von 4 im Jahre 2010 auf 819 im Jahre 2015 zu. Seit 2012 haben sich diese Eingriffe jährlich verdoppelt. Es handelt sich vor allem um Hemikolektomien, Eingriffe am Magen, Ösophagus oder Pankreas.

Als Vorteile werden von Operateuren durchweg die hervorragende Sicht auf das Operationsfeld genannt, die für den Chirurgen angenehme Ergonomie und dadurch verringerte Ermüdbarkeit sowie die freie Beweglichkeit der Instrumente in sieben Freiheitsgraden mit Tremorfilter und skalierbaren Bewegungen. Die Fluoreszenzbildgebung ermöglicht die Beurteilung der lokalen Gefäßperfusion. Zunehmend bedeutsam wird virtuelle Realität, so dass etwa Live-Sonografie-Bilder oder vorangegangene Bildgebungen in das Sichtfeld des Operateurs integriert werden können.

All dies soll die Op für Patienten noch sicherer machen. Blutungskomplikationen sind seltener, das Operationstrauma wird weiter reduziert, so dass postoperativ geringere Morbidität und damit kürzere Krankenhausverweildauern resultieren, vor allem im Vergleich zu offenen Op’s.

Der Vergleich zu konventionell-laparoskopischen Eingriffen fällt dagegen weniger deutlich aus, kürzlich gab es sogar negative Studienergebnisse. Insgesamt bemängeln auch Befürworter der Technik die geringe Evidenz aus prospektiven kontrollierten Studien, die meisten Daten stammen aus retrospektiven Untersuchungen.

Gesundheitsökonomisch wirke sich die robotisch assistierte Prostatektomie aufgrund der genannten Vorteile günstig aus, haben deutsche Urologen in Studien vorgerechnet – trotz hoher Anschaffungs- und Unterhaltskosten. So sind für ein Da-Vinci-System, je nach Generation und Ausstattung, zwischen 750.000 und 2,3 Millionen Euro fällig. Diese Kosten gelten unter Experten als Haupthindernis bei der Verbreitung und Anwendung der Technologie.

Nach Angaben des derzeitigen Monopolisten, dem US-Unternehmen Intuitive, sind in Deutschland derzeit 135 DaVinci-Systeme installiert. Damit wurden seit 1999 etwa 100.000 Prozeduren vorgenommen. In diesem Jahr laufen allerdings wesentliche Patente des Herstellers aus, so dass eine zunehmende Konkurrenzsituation zum Da-Vinci-System erwartet wird, verbunden mit der Hoffnung auf sinkende Preise.

In der Tat stehen in Nordamerika, Asien und Europa eine Reihe von Anbietern in den Startlöchern, darunter ein Unternehmen in Thüringen. Funktionell bieten diese durchaus Unterschiede (Urologe 2018; 57: 1075-90). Nach zwei Jahrzehnten Erfahrung mit Da Vinci® liegt die Messlatte allerdings weit oben.

Vorteile der Op mit Da-Vinci-Roboter

  • Operateure loben die hervorragende Sicht auf das Operationsfeld, die für den Chirurge angenehme Ergonomie sowie die freie Beweglichkeit der Instrumente in sieben Freiheitsgraden mit Tremorfilter und skalierbaren Bewegungen.
  • Die Fluoreszenzbildgebung ermöglicht die Beurteilung der lokalen Gefäßperfusion.
  • Live-Sonografie-Bilder oder vorangegangene Bildgebungen können in das Sichtfeld des Operateurs integriert werden.

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