Warum ist die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten oft so schwierig?

Wer krank ist, ist auch meist emotional angeschlagen. Das macht den Dialog zwischen Medizinern und Patienten über Diagnosen und Behandlungsmethoden oft schwierig. Wie gelingt es, in dieser Lage Missverständnissen vorzubeugen?

Angela Stoll 23.03.2024, 10:00 Uhr

„Trinken Sie Alkohol?“, fragt der Arzt die Patientin wegen ihrer schlechten Leberwerte. „Ja, ich trinke schon mal was“, antwortet die Seniorin wahrheitsgemäß. Später staunt sie nicht schlecht, als in einem Arztbrief von „Alkoholabusus“ die Rede ist. Wie konnte ihr eine gelegentliche Weinschorle als Alkoholmissbrauch ausgelegt werden? Am Ende konnte sie den Sachverhalt richtigstellen. Doch was, wenn Missverständnisse wie diese zu weitreichenden Konsequenzen führen, indem zum Beispiel eine falsche Therapie verordnet wird?

Der Internist Jobst-Hendrik Schultz, Experte für Arzt-Patienten-Kommunikation am Universitätsklinikum Heidelberg, kennt solche Gefahren. Im Fall der Patientin mit den schlechten Leberwerten hätte man seiner Ansicht nach spezifischer nachfragen sollen, etwa: „Was genau trinken Sie gerne? Wie oft machen Sie das?“ Durch ein kleines Gespräch, das nicht nach einem Verhör klingen sollte, hätte man leicht in Erfahrung bringen können, ob die Patientin wirklich zu viel Alkohol konsumiert.

Kommunikationstraining für Studierende

Schon dieses Beispiel macht klar, dass in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient viel schiefgehen kann. Seit einigen Jahren wird dem Thema mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Inzwischen gehört Kommunikationslehre zur Ausbildung angehender Ärztinnen und Ärzte dazu. „Der Bereich hat sich in den vergangenen zehn Jahren enorm entwickelt“, berichtet Schultz, der Kommunikationstrainings für Medizinstudierende leitet. Dazu schlüpfen Laienschauspieler in die Rolle von Patienten, und die Studierenden sind aufgefordert, ihnen schwierige Diagnosen zu erläutern.

Trotz solcher Übungseinheiten gibt es in der Praxis nach wie vor jede Menge Missverständnisse und Unzufriedenheit. So kommen der Münchner Patientenberaterin Carola Sraier häufig Beschwerden über verletzende Bemerkungen seitens der Ärzteschaft zu Ohren: „Manche Patientinnen und Patienten fühlen sich regelrecht abgewatscht. Das kann zur Folge haben, dass sie gar nicht mehr zum Arzt gehen.“ So wurde einem jungen Mann mit schweren chronischen Atemproblemen zum Beispiel lapidar gesagt: „Nun stellen Sie sich mal nicht so an.“

Krank zu sein ist eine verletzliche Position

Tatsächlich mangele es Medizinern und Medizinerinnen manchmal an Verständnis für ihre Patienten, räumt Schultz ein: „Empathie ist ganz wichtig und oft noch entwicklungsbedürftig – aus welchen Gründen auch immer.“ Sie spielt gerade deshalb eine so entscheidende Rolle, da Kommunikation zwischen Arzt und Patient ein Austausch zwischen zwei ungleichen Partnern ist.

Wer krank ist, befindet sich oft in einer Situation, die höchst verletzlich macht. So erklärt die Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Sylvia Sänger von der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera: „Man gibt persönliche Dinge preis, ist mitunter teilweise entblößt, zudem durch die Erkrankung oder Diagnose geschwächt und dadurch besonders verwundbar.“ Da könne eine ungeschickte Bemerkung tiefe Wunden hinterlassen.

Wichtig sei aus Patientensicht in solchen Fällen immer, das Gespräch zu suchen – und zwar in einem möglichst unaufgeregten, nüchternen Ton. „Man könnte etwas in der Art sagen wie: ‚Ich finde es nicht angemessen, wie Sie mit mir reden‘“, rät Sänger. Obwohl Patienten und Patientinnen in den vergangenen Jahrzehnten selbstbewusster geworden seien und Ärzte nicht mehr als „Halbgötter in Weiß“ betrachteten, seien sie aufgrund des Kompetenzgefälles doch häufig eingeschüchtert. „Man sollte aber den Mut haben, seine Rechte einzufordern“, betont Sänger.

Gute Kommunikation ist eine Zeitersparnis

Umgekehrt müssen auch Medizinerinnen und Mediziner einiges einstecken. Gerade im Klinikbereich sehen sie sich immer öfter Aggressionen oder gar Drohungen von Patienten und deren Angehörigen ausgesetzt. „Damit umzugehen ist nicht einfach“, sagt Schultz. Wirken Patienten im Gespräch ärgerlich, empfiehlt er, das sachlich anzusprechen: „Ich habe den Eindruck, dass Sie damit nicht einverstanden sind, was ich gesagt habe. Kann das sein?“ Reagiert man dagegen ebenfalls gereizt, befeuert das die Aggressivität.

Oft klappt aber auch der schlichte Informationsaustausch schlecht. Schon zu Beginn eines Behandlungsgesprächs neigen Ärzte und Ärztinnen aus Zeitmangel dazu, ihr Gegenüber zu unterbrechen. „Weil sie möglichst viel unterbringen wollen, neigen Ärzte dazu, zu schnell und zu viel zu reden, zu viele Fremdwörter zu verwenden und zu selten Pausen einzulegen“, sagt Schultz.

Dabei können wichtige Informationen auf der Strecke bleiben. Letztlich trägt aber gerade gute Kommunikation auf längere Sicht zur Zeitersparnis bei: Dadurch lässt sich zum Beispiel vermeiden, dass Ärzte das Gleiche mehrmals erklären müssen.

Vorbereiten und Notizen machen

Patienten und Patientinnen sollten sich ihrerseits gut auf das Gespräch vorbereiten, um das für sie Wesentliche zu klären. Sänger rät dazu, Fragen aufzuschreiben und gegebenenfalls abzulesen. „Die grundlegenden sind: Was genau habe ich? Was kann getan werden? Warum ist es wichtig, dass etwas getan wird?“, zählt sie auf.

Außerdem helfe es, sich beim Gespräch Notizen zu machen. Geht alles zu schnell oder versteht man etwas nicht, sollte man nachhaken. Bei schwierigen Gesprächen sollte außerdem eine vertraute Person dabei sein, die eine Stütze sei und aufmerksam zuhöre.

Gerade in Kliniken ist für Schultz auch das „Setting“ wichtig – etwa, dass wichtige Gespräche an einem ruhigen Ort geführt werden. Ein guter Austausch sei auf dem Flur kaum möglich. „Besser ist es, um einen Termin für ein Gespräch in einer geschützten Umgebung zu bitten“, rät Schultz Patientinnen und Patienten. Das gilt auch im ambulanten Bereich: Es ist nicht sinnvoll, wichtige Themen klären zu wollen, während man halb nackt auf einer Liege wartet. Angemessen wäre ein Satz wie: „Ich habe ein, zwei weitere Fragen. Können wir das bitte gleich noch besprechen?“

Nicht nur die richtigen Worte sind richtig

Es geht bei einem medizinischen Gespräch nicht nur um den Austausch von Informationen. Auch Mimik, Tonfall und Gestik spielen eine entscheidende Rolle. So kann es etwa an mangelndem Blickkontakt oder einer monotonen Sprechweise liegen, wenn Patienten einen Arzt oder eine Ärztin als kühl empfinden.

Umgekehrt führt es Ärzte in die Irre, wenn Patienten beflissen nicken, obwohl gerade alles, was gesagt wird, nur so an ihnen vorbeirauscht. Manchmal sind es kleine Dinge, die ein Gespräch entscheidend verändern: So berichtet ein Patient, dem eine Magenspiegelung bevorstand, dass sich der Arzt neben ihm auf die Liege gesetzt habe, um das Vorgehen zu besprechen. „Ich hatte Angst vor der Untersuchung. Diese Geste hat mir aber ein gutes Gefühl gegeben“, erinnert er sich.