Freitag, 26. November 2021
Dresden – Höhere Fallzahlen bei urologisch-tumorchirurgischen Eingriffen gehen an Kliniken einher mit einem besseren perioperativen Ergebnis. Ein Trend zur Zentralisierung ist dennoch nicht in Sicht.
Stattdessen punkten urologisch-chirurgische Kliniken mit technischen Innovationen. Auch der regionale Bezug von Patientinnen und Patienten scheint die Fallzahlen zu steigern. Das zeigt die Auswertung von fünf tumorchirurgischen Eingriffe an den mehr als 400 urologisch-chirurgisch tätigen Kliniken in Deutschland. Die Ergebnisse haben Forschende des Universitätsklinikums Dresden im Urologen publiziert (2021, DOI: 10.1007/s00120-021-01623-4).
Als Datenquelle nutzte das Team um den Urologen Christer Groeben die bundesweite Krankenhausabrechnungsdatenbank des statistischen Bundesamts. Ausgewertet wurden 5 uroonkologische Eingriffe: Prostatektomie, Zystektomie, Nierentumoroperation, retroperitoneale Lymphadenektomie und penischirurgische Eingriffe von 2006 bis 2013, beziehungsweise 2016.
Aufgrund der besseren Expertise korrelierte das Fallzahlvolumen wie zu erwarten mit einem verbesserten perioperativen Ergebnis. Bei der radikalen Prostatektomie verdoppelte sich das Mortalitätsrisiko bei Krankenhäusern mit weniger als 50 Fällen pro Jahr. Geringere Fallzahlen zeigten zudem einen negativen Einfluss auf die Transfusionsrate, auf chirurgische Revisionen und auf die Dauer des Klinikaufenthalts. Auch Patientinnen und Patienten, die sich einer radikalen Zystektomie unterzogen hatten, waren in Kliniken mit höheren Fallzahlen besser aufgehoben, was sich an der Mortalitätsrate und der Krankenhausverweildauer zeigte.
Die Hypothese der positiven Auswirkung von Fallzahlen und verbessertem perioperativem Ergebnis sahen die Autorinnen und Autoren auch bei Nierentumoroperationen und retroperitonealen Lymphadenektomien bestätigt.
Dennoch existierte kaum eine Tendenz zur Zentralisierung bei diesen uroonkologischen Eingriffen. Bei der radikalen Prostatektomie stellten das Autorenteam sogar bei insgesamt sinkenden Fallzahlen einen Trend zur Dezentralisierung im beobachteten Zeitraum fest. Die eingeführten Mindestfallzahlmengen oder freiwillige Zertifizierungen von Zentren hätten die Fallzahlverteilungen kaum beeinflusst, so das Fazit.
Ohne OP-Roboter sanken die Fallzahlen
Weit größer sei hingegen der Werbeeffekt durch technische Innovationen oder der regionale Bezug der Patientinnen und Patienten zu einer bestimmten Klinik. Bei der Prostatektomie war ein Operationsroboter von entscheidendem Vorteil. Kliniken, die einen solchen bereits vor 2009 eingesetzt hatten, gelang es, trotz insgesamt sinkender Fallzahlen, ihre Fallzahlen von durchschnittlich 202,7 Fällen pro Jahr weitgehend zu halten. Ohne Roboter konnten die Kliniken den Rückgang von 70 auf 36 Fälle pro Jahr hingegen nicht aufhalten
Robotergestützte Eingriffe spielen aber auch bei den anderen uroonkologischen Eingriffen eine zunehmende Rolle, etwa bei der retroperitonealen Lymphadenektomie (RLA) des Keimzelltumors, der radikalen Nephrektomie oder der pelvinen Lymphadenektomie des Peniskarzinoms.
Der Einsatz eines Operationsroboters geht dabei jedoch nicht immer einher mit den aktuellen Leitlinien. Diese empfehlen bei der Behandlung von Nierentumoren ein organerhaltendes Vorgehen. Dennoch wurden Roboter in Deutschland immer häufiger eingesetzt (0,2 % im Jahr 2006 und 8,6 % im Jahr 2009).
In den USA gehört die Technik bei der Nierenteilresektion mit 54,4 Prozent bereits zum Standard. Ein nierenerhaltendes Vorgehen halten Urologen in Deutschland im Vergleich zu den USA immer häufiger ein: So stieg die leitlinienkonforme Behandlung in Deutschland von 38,8 % auf 72,9 % und in den USA von 30,6 % auf nur 57 %.
Darüber hinaus musste das Dresdner Autorenteam feststellen, dass die Chance einer radikalen Nephrektomie in Krankenhäusern mit geringerem Fallaufkommen fast doppelt so hoch war (bei mindestens 20 Fällen pro Jahr: Odds Ratio 1,9 in Deutschland und OR 1,8 in den USA (Urologic Oncology, 2019; DOI: 10.1245/s10434-019-08108-x).
Die Forschenden wollen ihre Trendanalysen in der urologischen Tumorchirurgie fortsetzen. Für gesundheitspolitische Maßnahmen könnten sie notwendig werden, um funktionierende Einflussfaktoren, wie etwa Technik und Leitlinien gezielt einzusetzen. © gie/aerzteblatt.de