Hintergrund
Eine Androgenentzugstherapie (androgen deprivation therapy [ADT]) durch bilaterale Orchidektomie oder die Gabe von Agonisten oder Antagonisten des Luteinisierenden-Hormon-Releasing-Hormons ist der Behandlungsstandard für Männer mit fortgeschrittenem Prostatakrebs. Die jüngste Evidenz belegt weiterhin einen erheblichen Überlebensvorteil für Männer mit hormonsensitivem Hochrisiko-Prostatakrebs (HSPC) oder kastrationsresistentem Prostatakrebs (CRPC) durch Therapien, die auf die Androgenrezeptor-Achse abzielen (androgen receptor axis−targeted therapies [ARATs]), so dass sie für diese Patientengruppen empfohlen wurden.
Obwohl fast alle Patienten zunächst auf diese androgenablativen Therapien ansprechen, kann der Tumor zu einer kastrationsresistenten Erkrankung fortschreiten. Mit einem medianen Überleben von drei bis sechs Jahren nach Beginn der ADT besteht ein dringender Bedarf an Therapien, die das Fortschreiten verzögern und das Überleben in dieser Patientenpopulation verbessern können.
Präklinische Studien deuteten darauf hin, dass Statine synergistisch mit androgenablativen Therapien wirken können. Sie scheinen die intratumorale Steroidogenese einzuschränken und den adrenalen Androgentransport in Prostatakrebszellen zu hemmen.
Daten aus Beobachtungsstudien stützten die Rolle von Statinen, und Wissenschaftler beobachteten tatsächlich einen Überlebensvorteil bei CRPC. Statine schienen die Zeit bis zur Progression zu verlängern, während ADT und ARATs verwendet werden. Mehrere andere Studien haben seitdem einen protektiven Zusammenhang zwischen Statinen und Überleben bei Männern, die androgenablative Therapien erhalten, ergeben. Eine umfassende, aktuelle Synthese dieser Daten zur Unterstützung der klinischen Entscheidungsfindung fehlte bisher.
Zielsetzung
Wissenschaftler führten daher ein systematisches Review der verfügbaren Literatur und eine Metaanalyse der Daten durch, um den Zusammenhang zwischen Statinanwendung und Gesamtmortalität sowie Prostatakrebs-spezifischer Mortalität (prostate cancer-specific mortality [PCSM]) bei Männern zu quantifizieren, die sich einer androgenablativen Therapie –ADT oder ARAT – wegen eines fortgeschrittenen Prostatakrebses unterzogen hatten. Dr. Viranda Jayalath von der Division of Urology, Department of Surgery der University of Toronto in Kanada und Kollegen veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachblatt JAMA Network Open.
Methodik
Die Wissenschaftler nutzten als Literaturquellen die Datenbanken MEDLINE, EMBASE, Epub Ahead of Print, Cochrane Clinical Trials, Cochrane Systematic Reviews und Web of Science von deren Beginn bis zum 6. September 2022. Sie suchten gezielt nach Berichten über Beobachtungsstudien, in denen der Zusammenhang zwischen der gleichzeitigen Anwendung von androgenablativen Therapien und Statinen und den Überlebensergebnissen (in Hazard Ratios [HRs]) beschrieben wurde. Zwei Autoren extrahierten unabhängig voneinander die relevanten Daten.
Die Forschenden bündelten multivariable HRs mit 95%-Konfidenzintervallen (KIs) in zusammenfassenden Schätzungen unter Verwendung der generischen inversen Varianzmethode mit Zufallseffektmodellierung. Außerdem führten sie a priori spezifizierte Subgruppen- und Sensitivitätsanalysen durch und bewerteten Heterogenität, Studienqualität und mögliche Publikationsverzerrungen. Die wichtigsten Ergebnisparameter waren die Gesamtmortalität und die PCSM.
Ergebnisse
Berücksichtigt wurden Daten von 25 Kohorten mit insgesamt 119.878 Männern (65.488 Statinanwendern [55%]) und mehr als 74.416 Todesfällen. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer lag zwischen 62 und 75 Jahren. Die meisten Kohorten umfassten Männer mit neu diagnostizierter hormonsensitiver Erkrankung (n = 16). In 17 Kohorten erhielten die Männer eine ADT als primäre androgenablative Therapie, in sieben Kohorten ARAT. In acht Kohorten waren chemotherapienaive Patienten eingeschlossen, in fünf Kohorten Patienten nach Chemotherapie und in acht Kohorten beide.
Die Informationen über die Verwendung von Statinen wurden aus verschiedenen Quellen, wie Verschreibungsdatenbanken, Patienteninterviews und Krankenakten ermittelt.
Die gleichzeitige Anwendung von Statinen war mit einer 27%igen Reduktion des Risikos für die Gesamtmortalität (HR 0,73 [95%-KI: 0,66 bis 0,82]; I2 = 83%) und mit einer 35%igen Reduktion des PCSM-Risikos (HR 0,65 [95%-KI: 0,58 bis 0,73]; I2 = 74%) verbunden. Beiden Schätzungen lag eine erhebliche Heterogenität zwischen den Studien zugrunde.
In Subgruppenanalysen ermittelten die Wissenschaftler einen Vorteil für die PCSM bei Männern, die ARATs erhielten und zusätzlich Statine anwendeten, im Vergleich zu Männern unter alleiniger ADT (HR 0,40 [95%-KI: 0,30 bis 0,55] vs. 0,68 [95%-KI: 0,60 bis 0,76]; P = 0,002). Der Evidenzgrad wurde für beide Endpunkte als niedrig eingestuft.
Fazit
Die Ergebnisse dieser Metaanalyse zeigten, dass die gleichzeitige Anwendung von Statinen mit einer Reduktion von Gesamtmortalität und PCSM bei Männern verbunden war, die androgenablative Therapien wegen fortgeschrittenen Prostatakrebses erhielten. Die Ergebnisse für die PCSM waren unabhängig vom Alter des Patienten, dem Metastasierungsstatus, der vorherigen Anwendung einer Chemotherapie oder der primären Behandlungsart. Für die Gesamtmortalität war der beobachtete Nutzen unabhängig vom Status der Hormonsensitivität und der Art der androgenablativen Therapie. Subgruppenanalysen deuteten auf einen Vorteil in der PCSM für Männer hin, die ARATs erhielten.
Der Wert dieser Befunde ist durch den retrospektiven Charakter und die Heterogenität zwischen den Studien eingeschränkt. Die Studienautoren meinen daher, dass diese Ergebnisse in randomisierten klinischen Studien validiert werden sollten. Dabei sollte auch eine optimale Statindosis und -klasse, die das Überleben von Patienten mit Prostatakrebs positiv beeinflusst, eruiert werden.Quellen
Autor:
Dr. Elke Schlüssel (Medizinjournalistin)