Prostatakarzinom: Enzalutamid verlängert Metastasen-freies Überleben nach raschem PSA-Anstieg

/Sebastian Kaulitzki, stockadobecom

Los Angeles – Der Androgenrezeptor-Antagonist Enzalutamid, der vor zehn Jahren zur Behandlung des metas­tasierten Prostatakarzinoms zugelassen wurde, kann das Fortschreiten der Krebserkrankung auch bei Patien­ten verlangsamen, die noch keine in CT/MRT sichtbaren Metastasen haben, bei denen es aber nach der Pri­märbehandlung zu einem schnellen Anstieg des PSA-Werts gekommen ist.

In der Phase-3-Studie EMBARK verbesserte Enzalutamid die Ergebnisse nicht nur in Kombination mit dem GnRH-Analogon Leuprolid. Auch eine Monotherapie könnte nach den im New England Journal of Medicine (2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2303974) publizierten Ergebnissen zu einer Option werden.

Bei etwa 20 % bis 50 % aller Patienten kommt es nach einer radikalen Prostatektomie (oder einer Radiothe­rapie oder beidem) zu einem erneuten Anstieg des Prostata-spezifischen Antigens (PSA). Dies ist der erste Hinweis auf Lokal- oder Fernmetastasen, die jedoch noch über Jahre in CT oder MRT unsichtbar bleiben können und keine Symptome verursachen.

Der nächste Behandlungsschritt bestand bisher in einer Androgen­depriva­tion, also der Ausschaltung der Tes­tosteron-Produktion in den Hoden, weil Testosteron der wichtigste Wachstumsfaktor für die Krebszellen beim Prostatakarzinom ist. Früher erfolgte die Androgendeprivation operativ durch die Entfernung der Hoden.

Heute wird eine chemische Kastration mit einem Analogon des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) vorgezogen. Diese Behandlung ist für die Patienten mit erheblichen Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Libidoverlust und erektiler Dysfunktion verbunden. Langfristig steigt das Risiko von Knochenbrüchen, Muskelabbau und Depressionen.

Diese Nebenwirkungen sollten nach Möglichkeit denjenigen Patienten erspart werden, die aufgrund eines sehr langsamen Tumorwachstums mit hoher Wahrscheinlichkeit an anderen Erkrankungen sterben werden.

In der EMBARK-Studie wurden deshalb nur Patienten behandelt, bei denen sich der PSA-Wert innerhalb von weniger als neun Monaten verdoppelt hatte. Außerdem war vorgesehen, dass die Behandlung in der Woche 37 unterbrochen werden kann, wenn der PSA-Wert dann auf unter 0,2 ng/ml gesunken ist, was eine gute Kontrolle des Krebswachstums anzeigt.

An weltweit 244 Zentren in 17 Ländern (ohne deutsche Beteiligung) wurden 1.068 Patienten im mittleren Alter von 69 Jahren, bei denen es median 4,9 Monate nach der Primärbehandlung zu einer PSA-Verdopplung gekommen war, auf drei Gruppen randomisiert.

Das erste Drittel erhielt die derzeitige Standardbehandlung. Sie besteht aus einer alleinigen Androgendepri­va­tion. Als Wirkstoff wurde das GnRH-Analogon Leuprolid verwendet. Die zweite Gruppe erhielt neben Leu­prolid den Wirkstoff Enzalutamid.

Er blockiert an den Krebszellen den Rezeptor und zusätzlich die Weiterleitung der Testosteron-Signale. Damit soll auch die Wirkung des Testosterons ausgeschaltet werden, das trotz der Androgendeprivation im Hoden (oder anderswo) gebildet wird.

In der dritten Gruppe wurden die Patienten nur mit Enzalutamid behandelt. Das hat den Vorteil, dass die Hor­monproduktion erhalten bleibt. Einige Folgen der Androgendeprivation wie die Hitzewallungen bleiben den Patienten erspart. Andere wie Abgeschlagenheit bleiben jedoch bestehen, da Enzalutamid die Testosteron-Wirkung auch an anderen Orten blockiert. Einige wie die Gynäkomastie können sogar häufiger auftreten.

Der primäre Endpunkt der Studie war das Überleben der Patienten in Abwesenheit von Metastasen in der Gruppe mit Enzalutamid plus Leuprolid im Vergleich zu Leuprolid plus Placebo.

Wie Stephen Freedland vom Cedars-Sinai Cancer Center in Los Angeles und Mitarbeiter berichten, betrug das Metastasen-freie Überleben nach 5 Jahren in der Kombinationsgruppe 87,3 % gegenüber 71,4 % in der Gruppe mit alleiniger Leuprolid-Behandlung. Die Hazard Ratio von 0,42 war mit einem 95-%-Konfidenzinter­vall von 0,30 bis 0,61 signifikant. Die Kombination mit dem Rezeptorblocker Enzalutamid hatte demnach die Wirksamkeit der Androgendeprivation mit Leuprolid eindeutig verbessert.

Zu den sekundären Endpunkten der Studie gehörte der Vergleich von Leuprolid und Enzalutamid (beide in der Monotherapie). Das Metastasen-freie 5-Jahres-Überleben betrug laut Freedland in der Enzalutamid-Gruppe 80,0 %. Bei einer Hazard Ratio von 0,63 und einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,46 bis 0,87 war Enzaluta­mid damit in der Mono­therapie der alleinigen Androgendeprivation überlegen.

Die Ergebnisse bedeuten, dass der Hersteller von Enzalutamid gute Aussichten auf eine Erweiterung der Indikation von Xtandi hat und die Patienten in Zukunft zwischen einer Monotherapie mit Enzalutamid oder einer Kombination von Enzalutamid mit einer Androgendeprivation wählen können.

Ein Motiv könnte die bessere Verträglichkeit sein. Tatsächlich waren Hitzewallungen unter der Enzalutamid-Monotherapie mit 21,8 % deutlich seltener als unter der Kombination von Enzalutamid mit Leuprolid (68,8 %). Andere Nebenwirkungen wie Gynäkomastie (44,9 % versus 8,2 %), Schmerzen an den Brustwarzen (15,3 % versus 3,1 %) oder Spannungen in den Brustdrüsen (14,4 % versus 1,4 %) waren jedoch deutlich häufiger: Bei Abgeschlagenheit (46,6 % versus 42,8 %) oder Stürzen (15,8 % versus 21,0 %) waren die Unterschiede gering.

Zu Knochenbrüchen kam es in der Kombinationsgruppe bei 18,4 % der Patienten gegenüber 11,0 % unter der Enzalutamid-Monotherapie. Kognitive und Gedächtnisstörungen traten unter der Kombination bei 15,0 % gegenüber 14,1 % unter der Enzalutamid-Monotherapie auf. (Unter der alleinigen Leuprolid-Therapie traten sie bei 6,5 % der Patienten auf.)

In der Kombinationsgruppe konnten 90,9 % der Patienten die Behandlung nach 37 Wochen unterbrechen gegenüber 85,9 % unter der Monotherapie mit Enzalutamid. Die Pause dauerte in der Kombinationsgruppe mit 20,2 Monaten versus 11,1 Monaten jedoch doppelt so lange wie unter der Monotherapie mit Enzalutamid. © rme/aerzteblatt.de