Der Androgen-Rezeptor-Antagonist Enzalutamid kann das Fortschreiten der Krebserkrankung auch bei Patienten verlangsamen, die noch keine in CT/MRT sichtbaren Metastasen haben, bei denen es aber nach Primärbehandlung zu einem schnellen PSA-Anstieg gekommen ist.
In der Phase-3-Studie EMBARK verbesserte das nichtsteroidale Antiandrogen Enzalutamid in Kombination mit dem GnRH-Analogon Leuprolid das Outcome. Auch eine Monotherapie könnte nach den im New England Journal of Medicine (1) publizierten Resultaten eine Option werden.
Bei etwa 20–50 % aller Patienten kommt es nach einer radikalen Prostatektomie und/oder Radiotherapie zu einem erneuten Anstieg des Prostata-spezifischen Antigens (PSA). Dies ist der erste Hinweis auf Lokal- oder Fernmetastasen, die jedoch noch lange unsichtbar und symptomlos bleiben können. Der nächste Behandlungsschritt bestand bisher in der Androgen-Deprivation, in der Regel mit dem GnRH-Analogon Leuprelin, was mit Hitzewallungen, Libidoverlust und erektiler Dysfunktion verbunden ist. Langfristig steigt das Risiko von Knochenbrüchen, Muskelabbau und Depressionen.
Diese Nebenwirkungen sollten nach Möglichkeit denjenigen Patienten erspart werden, die aufgrund eines sehr langsamen Tumorwachstums mit hoher Wahrscheinlichkeit an anderen Erkrankungen sterben werden. In der EMBARK-Studie wurden deshalb nur Patienten behandelt, bei denen sich der PSA-Wert innerhalb von < 9 Monaten verdoppelt hatte. Außerdem war vorgesehen, dass die Behandlung in Woche 37 unterbrochen werden konnte, wenn der PSA-Wert dann auf < 0,2 ng/ml gesunken war.
An weltweit 244 Zentren in 17 Ländern wurden 1 068 Patienten im mittleren Alter von 69 Jahren, bei denen es median 4,9 Monate nach der Primärbehandlung zu einer PSA-Verdopplung gekommen war, auf 3 Gruppen randomisiert. Das 1. Drittel erhielt die derzeitige Standardbehandlung mit alleiniger Androgen-Deprivation mit Leuprolid. Die 2. Gruppe erhielt neben Leuprolid den Wirkstoff Enzalutamid. Er blockiert an den Krebszellen den Rezeptor und zusätzlich die Weiterleitung der Testosteron-Signale. Damit soll auch die Wirkung des Testosterons ausgeschaltet werden, das trotz der Androgen-Deprivation gebildet wird. In der 3. Gruppe wurden die Patienten nur mit Enzalutamid behandelt. Das hat den Vorteil, dass die Hormonproduktion erhalten bleibt. Einige Folgen der Androgen-Deprivation wie Hitzewallungen bleiben den Patienten erspart. Andere wie Abgeschlagenheit bleiben jedoch bestehen, da Enzalutamid die Testosteron-Wirkung auch an anderen Orten blockiert. Eine Gynäkomastie kann sogar häufiger auftreten.
Wie Stephen Freedland vom Cedars-Sinai Cancer Center in Los Angeles und Mitarbeiter berichten, betrug das metastasenfreie Überleben nach 5 Jahren in der Kombinationsgruppe 87,3 % gegenüber 71,4 % unter Leuprolid allein (HR 0,42; 95-%-KI 0,30–0,61), was eine signifikante Verbesserung darstellt.
Weniger Hitzewallungen, mehr schmerzhafte Mastopathien
Verglichen wurden auch die Monotherapien mit Leuprolid und Enzalutamid. Das metastasenfreie 5-Jahres-Überleben betrug unter Enzalutamid 80,0 % (HR 0,63; 95-%-KI 0,46–0,87). Enzalutamid war damit in der Monotherapie der alleinigen Androgen-Deprivation überlegen. Hitzewallungen waren unter Enzalutamid mono mit 21,8 % deutlich seltener als unter der Kombination von Enzalutamid mit Leuprolid (68,8 %). Andere Nebenwirkungen wie Gynäkomastie (44,9 % vs. 8,2 %), schmerzende Brustwarzen (15,3 % vs. 3,1 %) oder Spannungen in den Brustdrüsen (14,4 % vs. 1,4 %) waren deutlich häufiger. Bei Abgeschlagenheit (46,6 % vs. 42,8 %) und Stürzen (15,8 % vs. 21,0 %) waren die Unterschiede gering.
Zu Knochenbrüchen kam es in der Kombinationsgruppe bei 18,4 % der Patienten gegenüber 11,0 % unter der Enzalutamid mono. Kognitive und Gedächtnisstörungen traten unter der Kombination bei 15,0 % auf, unter Enzalutamid mono bei 14,1 %, unter Leuprolid mono bei 6,5 %. In der Kombinationsgruppe konnten 90,9 % die Behandlung nach 37 Wochen unterbrechen gegenüber 85,9 % unter Enzalutamid mono. Die Pause dauerte in der Kombinationsgruppe mit 20,2 Monaten versus 11,1 Monaten doppelt so lange wie unter der Monotherapie.
DOI: 10.3238/PersOnko.2024.02.09.07
Rüdiger Meyer