Wissenschaftler am Dresdner Institut für Radioonkologie OncoRay haben die Rolle zweier Aldehyd-Dehydrogenasen bei der Metastasierung und Therapieresistenz von Prostatakrebs im Zusammenhang mit Tumorstammzellen aufgedeckt. Dies eröffnet die Möglichkeit für neue prognostische und prädiktive Biomarker.
Die Aggressivität eines Tumors hängt stark mit den Tumorstammzellen zusammen. Diese können sich im Tumor in verschiedene Zelltypen entwickeln. Im Vergleich zu anderen Tumorzellen sind sie besonders beweglich. „Wir gehen davon aus, dass diese Tumorstammzellen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Tumoren und der Bildung von Metastasen spielen“, sagt die Leiterin der OncoRay-Arbeitsgruppe „Biomarker für die individualisierte Strahlentherapie“ am Prof. Anna Dubrovska.
Besonders problematisch ist, dass sich Tumorstammzellen resistent gegenüber herkömmlichen Tumortherapien zeigen. Deshalb könnten sie maßgeblich für das Wiederauftreten von Tumoren nach einer Strahlentherapie verantwortlich sein. Die Anzahl der Tumorstammzellen und ihre Strahlenempfindlichkeit ist je nach Tumortyp unterschiedlich. Die Wissenschaftler widmen sich in ihrer Arbeit deshalb speziellen Merkmalen der Tumorstammzellen, die als Biomarker dienen könnten.
ALDH-Gene regulieren Tumorstammzellen
In Bezug auf den Prostatakrebs beschäftigten sie sich mit zwei Genen als Biomarker: mit den Aldehyd-Dehydrogenasen (ALDH) ALDH1A1 und ALDH1A3. Bisher sind 19 solcher ALDH-Gene im Menschen bekannt. Sie sind auch an der Regulation von Stammzellprozessen beteiligt. Schon länger gelten sie deshalb in der Wissenschaft als mögliche Biomarker für Krebserkrankungen, weil eine erhöhte Aktivität der ALDH mit Tumorstammzellen in Verbindung gebracht wird. Lassen sich damit also auch aggressive Krebszellen und damit für Patienten schlechtere Krankheitsverläufe frühzeitig erkennen?
Für ihre Studie wendete die Forschungsgruppe des OncoRay, das gemeinsam vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und der Medizinischen Fakultät TU Dresden getragen wird, verschiedene Methoden an, um die Rolle von ALDH1A1 und ALDH1A3 bei Prostatakrebs zu untersuchen. In Zellkulturen sowie an Zebrafischen und Mäusen als Tiermodellen schalteten sie die beiden Gene aus, um zu sehen, wie sich das auf den Krebs auswirkt. Zusätzlich analysierten sie verschiedene Tumor-Gewebeproben von Patienten mit Prostatakrebs. Die Untersuchungen zeigten, dass ALDH-Gene das Überleben von Tumorzellen im Blutkreislauf und die metastatische Verbreitung regulieren und so die Resistenz gegenüber Strahlentherapie und das Bilden von Knochenmetastasen beeinflussen. Die Forscher wiesen damit nach, dass die Gene als potenzielle Biomarker für den Krankheitsverlauf bei Patienten mit Prostatakrebs dienen können. Mit weiteren molekularen Untersuchungen klärten sie außerdem, welche Rolle die Gene bei einer weiteren Ausbreitung von Prostatakrebs im menschlichen Organismus spielen.
Zwei Aldehyd-Dehydrogenasen als Antagonisten
„Wir haben gesehen, dass ALDH1A1 das Überleben von Krebszellen im Blutkreislauf und auch deren Ausbreitung im Körper fördert“, erläutert Dr. Ielizaveta Gorodetska, Genetikerin in der Forschungsgruppe. Im Vergleich dazu spielt ALDH1A3 eine entgegengesetzte Rolle und beeinflusst diese Prozesse negativ. In Prostatakrebsgeweben, die sich bereits in andere Teile des Körpers ausgebreitet haben, stellten die Forscher unterschiedliche Mengen von ALDH1A1 und ALDH1A3 fest. „Zeigen die Proben von Krebspatienten höhere Mengen von ALDH1A1, ist die Prognose für eine erfolgreiche Therapie schlechter. Sind dagegen die ALDH1A3-Konzentrationen hoch, fällt die Prognose besser aus“, fasst Dubrovska zusammen. Den Dresdner Wissenschaftlern ist damit erstmals der Nachweis gelungen, dass die ALDH-Gene als Biomarker für die Vorhersage der Metastasen-Ausbreitung und der Strahlenresistenz bei Patienten mit Prostatakrebs funktionieren.
Diese Rolle der ALDH-Gene wird durch ihr Zusammenspiel mit Androgenen in Prostatakrebszellen vermittelt. Daraus ergeben sich neue Chancen, um wirkungsvolle Therapien zu entwickeln, die auch gegen widerstandsfähige Tumorstammzellen helfen. Die Direktorin des OncoRay und der Klinik für Strahlentherapie, Prof. Mechthild Krause, erklärt die Chancen für eine Umsetzung zugunsten der Patienten: „Wir können mit diesem Wissen weitere Untersuchungen durchführen, um die Diagnose und die Behandlung der Patienten zukünftig erheblich zu verbessern, sei es mit Medikamenten oder einer individuell angepassten Strahlentherapie.“ Im nächsten Schritt soll nun geprüft werden, ob die Ergebnisse auch bei anderen Krebsarten wie Kopf-Hals-Tumoren, Brustkrebs oder einem Glioblastom zutreffen.
(Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf / ms)