Neuere Krebsmedikamente können dem Herzen schaden

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Essen – Nicht nur einige klassische Zytostatika, deren Bedeutung für die Krebstherapie zurückgeht, können den Herzmuskel schädigen. Auch einige moderne zielgerichtete Medikamente wie der HER2-Inhibitor Trastuzumab oder BRAF-/MEK-Inhibitoren haben nachgewiesenermaßen kardiotoxische Neben­wirkungen. Besonderes Kopfzerbrechen bereiten derzeit die Checkpoint-Inhibitoren, wie ein Experte auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie ausführt.

Die Kardiotoxizität der klassischen Zytostatika ist laut Tienush Rassaf, dem Leiter der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Essen, gut erforscht. Ein besonders hohes Potenzial haben Anthrazykline. Bei einer hohen Dosis komme es bei bis zu 47 % der Patienten zu einer Schädi­gung des Herzmuskels, so der Experte.

Ein weiteres Problem einiger klassischer Zytostatika seien thromboembolische Ereignisse. Diese könnten zum Beispiel unter der Behandlung mit dem Chemotherapeutikum 5-Fluoruracil auftreten. Auch Anti­körper gegen den VEGF-Rezeptor können das Thromboserisiko erhöhen. Zu bedenken ist hier laut Prof. Rassaf, dass viele Krebserkrankungen selbst die Thromboseneigung erhöhen. Krankheit und Medika­mente könnten sich hier gegenseitig verstärken. Zu den Folgen gehören Lungenembolien oder ein akutes Koronarsyndrom mit erheblichem Risiko für die Patienten.

Auch Checkpoint-Inhibitoren, die zunehmend in der Krebsbehandlung eingesetzt werden, können das Herz schädigen. Zunächst seien nur Einzelfälle einer schweren Myokarditis berichtet worden, erklärt Prof. Rassaf. Später kamen andere kardiovaskuläre Komplikationen wie Arrhythmien, Perikarditis oder ein akutes Koronarsyndrom hinzu. Die Auswertung von Patientenregistern zeige inzwischen, dass bis zu 9 % aller Patienten von einer manifesten Kardiotoxizität betroffen sein könnten. Die genaue Evaluation der Nebenwirkung, ihre Entstehung sowie mögliche Gegenmaßnahmen sind laut Prof. Rassaf derzeit eines der Schwerpunktthemen in der onkologischen Kardiologie.

Die Kardioonkologie habe sich in den letzten Jahren zu einer neuen Disziplin entwickelt, berichtet Prof. Rassaf. Viele Fachgesellschaften, darunter die Europäische und die Deutsche Gesellschaft für Kardio­logie, hätten kardioonkologische Arbeitsgruppen eingerichtet. Die Forscher würden sich bei ihren Studien zunehmend auf Patientenregister und Datenbanken stützen, deren Analyse neue Erkenntnisse zur Entstehung, den Charakteristika und die Behandlung von kardiovaskulären Nebenwirkungen der Krebstherapie ermöglichen.

Am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum des Universitätsklinikums Essen sei beispielsweise ein „Essen Cardio-Oncology Registry” eingerichtet worden, das jährlich Daten zu 600 neuen Krebspatienten sammelt. © rme/aerzteblatt.de