Mehr metastasierte Prostatakarzinome nach weniger PSA-Screening in den USA

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La Jolla/Kalifornien – Widersprüchliche Studienergebnisse zum langfristigen Nutzen haben in den USA in den letzten anderthalb Jahrzehnten zu einem Rückgang des PSA-Screenings geführt. Eine mögliche Folge könnte ein Anstieg der Erkrankungen am metastasiertem Prostatakarzinom sein, wie eine Auswertung der US-Vetera­nenbehörde in JAMA Oncology (2022; DOI: 10.1001/jamaoncol.2022.4319) zeigt.

Die randomisierte PLCO-Studie des US-National Cancer Institute war 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass ein PSA-Screening zwar die Zahl der frühen Prostata­karzinome ansteigen lässt.

Ein Rückgang der Mortalität am späten Prostatakarzinom war jedoch auch nach 7 Jahren nicht nachweisbar (NEJM 2009; DOI: 10.1056/NEJMoa0810696). Die europäische ERSPC-Studie hatte nach 9 Jahren ebenfalls noch keinen sicheren Rückgang der prostatakrebs­spezifischen Mortalität gefunden.

Nach 11 Jahren und nach 13 Jahren starben jedoch 22 % beziehungsweise 21 % weniger Teilnehmer an dem für sein langsames Wachstum bekannten Tumor, der jedoch unheilbar ist, wenn er Metastasen gebildet hat (Lancet 2014; DOI: 10.1016/S0140-6736(14)60525-0).

Noch vor den Ergebnissen der ERSPC-Studie hat die „US Preventive Services Task Force“ (USPSTF) ihre Empfehlungen revidiert. Hatte die USPSTF 2009 nur älteren Männern (über 75 Jahre) von einem Screening abgeraten, sprach sie sich 2012 generell gegen den PSA-Test aus. Unter den US-Veteranen sank in der Folge der Anteil der Männer, die sich wenigstens einmal testen ließen, von 47,2 % im Jahr 2005 auf 37,0 % im Jahr 2019.

Gleichzeitig stieg die Inzidenz des metastasierten Prostatakarzinoms von 5,2 pro 100.000 Männer im Jahr 2005 auf 7,9 pro 100.000 Männer im Jahr 2019 an. Ein Team um Brent Rose von der Universität von Kalifornien in San Diego kann außerdem zeigen, dass dieser Trend auch auf regionaler Ebene nachweisbar war.

In den Einrichtungen mit einer hohen Screening-Rate wurden später seltener metastasierte Prostatakarzinome diagnostiziert als an den Zentren mit niedrigen Screening-Raten. Rose errechnet eine relative Inzidenzrate (IRR) von 0,91 pro 10 % Anstieg der PSA-Screening-Rate.

Diese Assoziation war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,87 bis 0,96 signifikant. Umgekehrt kam es in Zentren mit einer hohen langfristigen Nicht-Screening-Rate später zu einer höheren Inzidenz von metastasierten Prostatakarzinomen: IRR 1,11 (1,03-1,19) pro 10 % Anstieg der langfristigen Nicht-Screening-Rate.

Diese Ergebnisse zeigen eine Dosis-Wirkungsbeziehung, die in epidemiologischen Studien auf eine Kausalität hindeutet, die sich allerdings in den retrospektiven Studien nicht beweisen lässt.

Rose bleibt deshalb in seinen Schlussfolgerungen zurückhaltend. Ärzte könnten die Ergebnisse der Studie verwenden, um zusammen mit den Patienten über die potenziellen Vorteile des PSA-Screenings zu reden, die darin bestehen könnten, das Risiko auf einen metastasierenden Prostatakrebs zu verringern, schreibt Rose.

Jeff Michalski von der Washington University School of Medicine in St. Louis, der Präsident der „American Society for Radiation Oncology“ (ASTRO) wurde auf der Jahrestagung der Fachgesellschaft deutlicher: Die USPSTF sollte angesichts dieser Ergebnisse ihre Empfehlungen überprüfen, forderte Michalski auf einer Pressekonferenz. © rme/aerzteblatt.de