Telepathologische Echtzeit-Befundung erlaubt zuverlässige Prostatakrebs-Diagnose

künstliche Intelligenz kann eine schnelle und zuverlässige Diagnose liefern, weswegen sie sich auch in Zukunft vermehrt im Alltag von Urolog:innen etablieren wird.
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Weniger Prostata-Biopsien, eine schnellere Diagnose und Hilfe bei der Entscheidungsfindung – künstliche Intelligenz und Telemedizin könnten sich vermehrt im Alltag von Urolog:innen etablieren. Patienten mit gesichertem oder mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom wünschen sich dabei Ärzt:innen, die durch eine KI unterstützt werden.

Für Betroffene ist jede Sekunde Wartezeit in der Diagnostik sehr belastend, konstatierte Prof. Dr. Tillmann Loch vom DIAKO Krankenhaus Flensburg.1 Umso ernüchternder, dass sie sich im Schnitt zwei bis sechs Wochen gedulden müssen, bis sie ihre endgültige Diagnose erhalten. Der Referent und sein Team versuchten, diesen Prozess zu beschleunigen. Er sieht nun wie folgt aus: Die (niedergelassenen) Kolleg:innen entnehmen eine Gewebeprobe, die mit einem mobilen konfokalen Mikroskop, das die Aufsicht erlaubt, betrachtet wird. Die generierten Bilder werden telemetrisch zur Pathologin oder zum Pathologen geschickt und dort ausgewertet. Der Patient erhält so meist innerhalb von 30 Minuten die Diagnose. Wichtig: „Wir müssen hier Methoden nutzen, bei denen man weniger Biopsien braucht“, so der Referent – sonst wäre die gewonnene Zeit allein durch die mehrfache Gewebeentnahme wieder verloren. Für die Bildgebung eigne sich daher die TRUS Tomographie, deren Aufnahmen durch künstliche Intelligenz analysiert werden. Die Stellen, die die KI als auffällig markiert, werden dann biopsiert; damit lassen sich unnötige Gewebeentnahmen vermeiden.

KI im Langzeit-Follow-up erfolgreich

Schon vor mehr als 20 Jahren veröffentlichten Prof. Loch und sein Team Studienergebnisse, die zeigen, dass die KI mit hoher Spezifität nicht sichtbare Anteile erkennen kann. Die Methode ist auch für das Monitoring von Männern mit hohem Prostatakrebsrisiko nützlich: Rund zwölf Jahre nach der erstmaligen Publikation der KI-Analyse zeigte sich, dass 50-75 % der normalerweise durchgeführten Biopsien entfallen können und dass 97 % der Patienten entweder kein Prostatakarzinom oder einen Tumor mit guter Prognose hatten.

Die schnelle Echtzeit-Analyse sei laut den Daten einer aktuellen Studie genauso gut wie diejenige, die standardmäßig erst nach zehn Tagen – unter Verwendung des endgültigen Präparats – fertig war, betonte Prof. Loch. 93 % der Karzinome konnten mit der „Instant-Pathologie“ erkannt werden.

KI ist die Zukunft 

Zusammenfassend biete die KI/TRUS-gezielte Prostatabiopsie und sofortige virtuelle Histopathologie eine schnelle und zuverlässige Diagnose – auch dezentral – vor Ort, resümierte der Referent. Für die KI-basierten ultraschallgezielten Gewebeentnahmen der Prostata sei keine Fusion notwendig. Die telepathologische Verbindung in Echtzeit erlaube eine sofortige Befundung.

Die KI wird wohl in Zukunft eine große Rolle in der Urologie spielen. Ihr genauer Einsatz und die Schnittstelle mit Erkrankten und Behandelnden sei aber aktuell noch unklar, sagte PD Dr. Severin Rodler, LMU München.2 Er und seine Kolleg:innen untersuchten in einer Studie, ob Patienten mit Verdacht auf oder gesichertem Prostatakarzinom KI-unterstützte Urolog:innen bezüglich klinischer Entscheidungsfindungen bevorzugen. Die Teilnehmer wurden vor der MRT-Untersuchung, vor einer Biopsie und vor einer radikalen Prostatektomie jeweils 1:4 randomisiert entweder digital oder papierbasiert befragt.

Die Umfrage ergab zunächst, dass es ein sehr breites Spektrum an tatsächlicher Erfahrung und Tech-Affinität mit einer positiven Korrelation gibt. Die Mehrheit der Patienten befürwortete den Einsatz von KI im klinischen Alltag. Die KI schnitt allerdings aus Sicht der Befragten in relevanten Eigenschaften schlechter ab als Urolog:innen. Vor einer Entscheidungssituation, zum Beispiel vor einer Therapie, bevorzugten die meisten Patienten solche Kolleg:innen, die „KI-verstärkt“ handeln – die also Methoden wie automatisierte Pathologie– oder Radiologietools einsetzen und durch KI unterstützt werden. Eine alleinige KI lehnten die meisten Befragten ab und auch der Entscheidungsfindungsprozess allein durch eine Urologin oder einen Urologen schnitt schlechter ab als die KI-Verstärkung. Bei einer Diskrepanz von Ergebnissen würden die meisten Betroffenen einem Behandelnden vertrauen, der zusätzlich eine KI nutzt, so PD Dr. Rodler.

Urolog:innen sollten den Einsatz moderner Technik aktiv kommunizieren, lautete das Fazit von PD Dr. Rodler. Das würde Vertrauen auf Seite der Patienten schaffen. Zudem solle man die KI zur Unterstützung von Kolleg:innen vermehrt testen.

Quellen:
1. Loch T. 74. Kongress der deutschen Gesellschaft für Urologie; Telemedizinische Echtzeitpathologie KI-gezielter Prostatabiopsien: Von der Biopsie zur Diagnose in 30 Minuten
2. Rodler Severin. 74. Kongress der deutschen Gesellschaft für Urologie; Künstliche Intelligenz (KI) in der Diagnose und Therapieentscheidung im Prostatakarzinom – bevorzugen Patienten KI-unterstützte Urologen?
74. Kongress der deutschen Gesellschaft für Urologie