Körperhaltung bestimmt, wie rasch sich orale Medikamente im Magen auflösen

Foto: © fizkes/stock.adobe.com

Wer aus irgendeinem Grund Tabletten einnehmen muss, denkt dabei wahrscheinlich nicht darüber nach, in welcher Körperhaltung er dies tut. Laut Forschenden von der Johns Hopkins University (USA) macht das aber einen großen Unterschied, wenn es darum geht, wie schnell der Körper den Wirkstoff aufnimmt.

Die Forschungsergebnisse basieren auf dem laut den Autoren vermutlich ersten Modell, das die Mechanik der Medikamentenauflösung in einem menschlichen Magen simuliert.

„Wir waren sehr überrascht, dass die Körperhaltung einen so immensen Einfluss auf die Auflösungsrate einer Tablette hatte“, berichtet Seniorautor Rajat Mittal, ein Experte für Strömungsdynamik von der Johns Hopkins. „Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich es richtig oder falsch mache, aber jetzt werde ich definitiv jedes Mal darüber nachdenken, wenn ich eine Pille nehme.“

In den vergangenen Jahren wurden Modelle geschaffen, um die Funktionsweise einer Reihe von wichtigen Organen, insbesondere des Herzens, lebensnah darzustellen. Das vom Team entwickelte Modell mit dem Namen StomachSim scheint eines der ersten zu sein, das in der Lage ist, eine realistische Simulation des menschlichen Magens zu bieten. StomachSim verbindet Physik mit Biomechanik und Strömungsmechanik und ahmt nach, was im Magen passiert, wenn er Nahrung oder in diesem Fall Medikamente verdaut.

Die meisten oralen Medikamente beginnen erst zu wirken, wenn der Magen ihren Inhalt in den Darm entlässt. Je näher also eine Tablette am Antrum landet, desto schneller beginnt sie sich aufzulösen und gibt ihre Wirkstoffe durch den Pylorus in den Zwölffingerdarm frei. Wenn man nun eine Tablette möglichst gezielt in diesen Teil des Magens bringen möchte, ist die Körperhaltung entscheidend, um sowohl die Schwerkraft als auch die natürliche Asymmetrie des Magens zu berücksichtigen.

Die Arbeitsgruppe testete vier Körperhaltungen. Die Einnahme von Tabletten im Liegen auf der rechten Körperseite stellte sich dabei als bei Weitem am besten heraus: Die Medikamente erreichten den am tiefsten liegenden Teil des Magens und hatten eine 2,3-mal schnellere Auflösungsrate als selbst in einer aufrechten Haltung. Auf der linken Seite zu liegen war erwies sich als die schlechteste Alternative. Die Forschenden waren sehr überrascht: Dauerte es bis zum Auflösen einer Tablette beim Liegen auf der rechten Seite zehn Minuten, konnten dafür in aufrechter Haltung 23 Minuten nötig sein und beim Liegen auf der linken Seite sogar mehr als 100 Minuten. Aufrechtes Stehen bei der Tabletteneinnahme erwies sich als gute zweite Wahl und kam in seiner Effektivität im Wesentlichen dem Liegen mit geradem Rücken gleich.

Grafik: © Khamar Hopkins/Johns Hopkins University

„Für ältere, hauptsächlich sitzende oder bettlägerige Menschen kann es große Auswirkungen haben, ob sie sich nach links oder nach rechts drehen“, erklärt Mittal.

Die Wissenschaftler machten sich auch Gedanken darüber, was es für den Auflösungsprozess von Tabletten im Magen bedeutet, wenn die Patienten an einer Gastroparese leiden. Selbst eine kleine Veränderung der Magenbedingungen können zu signifikanten Unterschieden im Ergebnis eines oralen Medikaments führen, erklärt Hauptautor Jae Ho „Mike“ Lee, früher Postdoktorand an der Johns Hopkins University.

Der Einfluss von Magenerkrankungen auf den Auflösungsprozess von Arzneimitteln stellte sich als ähnlich wie der der Körperhaltung – was laut den Forschenden unterstreicht, wie bedeutsam der Unterschied ist, den die Körperhaltung ausmacht. „Die Körperhaltung selbst hat einen so großen Einfluss, dass sie einer sehr erheblichen Funktionsstörung des Magens in Bezug auf die Auflösung der Tablette gleichkommt“, betont Mittal.

In zukünftigen Arbeiten wollen die Wissenschaftler nach Möglichkeiten suchen vorherzusagen, wie sich die Veränderungen in der Biomechanik des Magens darauf auswirken, wie der Körper Medikamente aufnimmt, wie Nahrung im Magen verarbeitet wird und welchen Einfluss Körperhaltung und Gastroparese auf die Nahrungsverdauung besitzen.

 Quelle:Johns Hopkins University, 15.08.2022