Kastrations­resistentes Prostatakarzinom: Anti-Androgen-­Erhaltungstherapie verzögert Progression

Montag, 27. September 2021

/Sebastian Kaulitzki, stockadobecom

Lugano – Die Hormontherapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms entwickelt sich stetig weiter. Beim virtuellen ESMO-Kongress wurden nun Phase-II-Daten präsentiert, wonach Patienten, die nach einer ersten Anti-Androgen-Therapie progredient waren und auf eine Taxan-Chemotherapie angesprochen haben, von einer Erhaltungstherapie mit einem Androgenrezeptor-Antagonisten der 2. Generation profitieren könnten (Annals of Oncology 2021; DOI: 10.1016/j.annonc.2021.08.2102)

Die Therapie des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms basiert heute in weiten Teilen auf der Anwendung neuer hormonell wirksamer Medikamente, die in Metabolismus und Signalwege von Androgenen eingreifen.

Die Art ihrer Anwendung entwickelt sich in den letzten Jahren rasant weiter, wobei noch unklar ist, wie die optimale Sequenz aussieht. Bei bestehender Resistenz gegen einen Androgeninhibitor scheint eine Chemotherapie die verlorengegangene Sensitivität wiederherzustellen.

Eine schweizerische Studie, die beim ESMO-Kongress vorgestellt wurde, überprüfte nun die Hypothese, dass bei Patienten, deren Erkrankung sich nach Behandlung mit einem Androgeninhibitor und einer Chemotherapie stabilisiert hat, eine Erhaltungstherapie mit einem weiteren Anti-Androgen die Progression hinauszögern kann.

Darolutamid ist ein Androgenrezeptor-Antagonist, der aufgrund einer geringeren Penetrationsfähigkeit für die Blut-Hirn-Schranke weniger Nebenwirkungen zu haben scheint als ältere Substanzen und beim nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom das Überleben signifikant verlängert (New England Journal of Medicine 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2001342).

In die randomisierte Phase-II-Studie der Schweizerischen Gruppe für Klinische Krebsforschung SAKK 08/16 wurden nun 92 Patienten mit metastasiertem hormonresistentem Prostatakarzinom einge­schlossen, die bereits eine Therapie mit einer den Androgen-Signalweg beeinflussenden Substanz erhalten hatten und deren Erkrankung nach einer Chemotherapie mit einem Taxan nicht progredient war. Die Patienten wurden randomisiert, zwischen 2 und 8 Wochen nach Ende der Chemotherapie mit der Einnahme von Darolutamid (600 mg 2 Mal täglich) oder Placebo zu beginnen; die Behandlung war doppelblind. Primärer Endpunkt war das radiologisch festgestellte progressionsfreie Überleben nach 12 Wochen.

Wie Richard Cathomas vom Kantonsspital Graubünden in Chur beim ESMO-Kongress erläuterte, betrug die mediane Nachbeobachtungsdauer 18 Monate. 93 % der Patienten hatten als Taxan Docetaxel erhalten, die übrigen Cabazitaxel, die Erstbehandlung mit einem Androgeninhibitor war mit Abirateron (60 %), Enzalutamid (31 %) oder mit beiden Substanzen erfolgt.

Die progressionsfreie Überlebensrate nach 12 Wochen wurde durch Darolutamid in relativ beschei­denem Ausmaß, aber statistisch signifikant von 52,2 % auf 64,7 % erhöht (P 0 = 0,127 und damit unterhalb des festgelegten Signifikanzniveaus von 0,15). Die Medianwerte lagen bei 5,5 versus 4,5 Monaten (Hazard Ratio 0,54; 95 %-Konfidenzintervall 0,32–0,91; p = 0,017), für das ereignisfreie Überleben bei 5,4 versus 2,9 Monaten, ein ebenfalls signifikanter Unterschied (HR 0,46; 95 %-KI 0,29–0,73; p = 0,001).

Ein Rückgang der PSA-Werte um 50 % unter der Erhaltungstherapie war in der Darolutamidgruppe bei 22 %, im Placeboarm lediglich bei 4 % der Patienten zu registrieren (p = 0,014). Das Gesamtüberleben war im experimentellen Arm mit 24 versus 21,3 Monaten numerisch länger, mit einer Hazard Ratio von 0,62 war dieser Unterschied allerdings nicht signifikant (95 %-KI 0,3–1,26; p = 0,181). In einer Subgrup­penanalyse schienen sowohl progressionsfreies als auch Gesamtüberleben nur dann verlängert zu sein, wenn die Patienten auf die initiale Anti-Androgen-Therapie wenigstens mit einer partiellen Remission angesprochen hatten. Therapiebedingte Nebenwirkungen waren leicht und im Wesentlichen in beiden Armen gleich häufig (Grad 1: 26 % vs. 22 %, Grad 2: 13 % vs. 15 %, Grad 3: 2 % vs. 2 %); eine Fatigue vom Grad 1 oder 2 war unter Darolutamid deutlich seltener (11 % vs. 20 %).

In dieser „Proof-of-concept“-Studie, so Cathomas, zeigt sich eine Darolutamiderhaltungstherapie nach Hormon- und Chemotherapie beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom gut verträglich und bewirkt eine mäßige, aber signifikante Verlängerung von progressions- und ereignisfreiem Überleben, während ein numerischer Vorteil beim Gesamtüberleben zwar vielversprechend, aber statistisch nicht signifikant ausfällt. Der Befund, dass das Ansprechen auf eine frühere Anti-Androgen-Therapie prädiktiv für den Erfolg der Erhaltungstherapie zu sein scheint, könne bei der Planung von Phase-III-Studien hilfreich sein. © jfg/aerzteblatt.de