Kardiologen warnen vor Risiken der Hormontherapie bei Brust- und Prostatakrebs

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Chicago – Die Hormontherapien, die zur Behandlung des Mamma-und Prostatakarzinoms eingesetzt werden, erhöhen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weshalb die steigende Zahl der Krebs­überlebenden kardiologisch betreut werden sollte.

Zu diesem Schluss kommt die American Heart Association in einem Scientific Statement, das jetzt in Circulation: Genomic and Precision Medicine (2021; DOI: 10:HCG.0000000000000082) veröffentlicht wurde.

Brustkrebs und Prostatakrebs sind die häufigsten nicht-kutanen Krebserkrankungen bei Frauen und Männern und die zweithäufigste Krebstodesursache. Die Behandlungsergebnisse haben sich vor allem beim Mammakarzinom deutlich verbessert. 9 von 10 Frauen überleben die Krebserkrankung. Beim Prostatakarzinom sind die Überlebenszeiten wegen des langsamen Wachstums des Tumors lang.

Beide Krebsarten sind hormonabhängig. Östrogene fördern das Wachstum von Brustkrebszellen, Androgene sind der wichtigste Stimulator für das Prostatakarzinom. Beide Krebserkrankungen werden mit Medikamenten behandelt, die die Hormone ausschalten und dadurch das Wachstum hemmen. Diese Medikamente haben negative Auswirkungen auf Herz und Kreislauf, was bei den Überlebenden die Morbidität erhöhen kann.

Beim Mammakarzinom sind nach Einschätzung von Tochi Okwuosa vom Rush University Medical Center in Chicago und Mitarbeitern die selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) wie Tamoxifen und Raloxifen problematisch. Tamoxifen erhöhe das Risiko auf venöse thromboembolische Ereignisse, habe aber gleichzeitig eine gewisse protektive oder neutrale Wirkung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Aromatasehemmer, die die SERM zunehmend verdrängt haben, führen laut Okwuosa zu Dyslipidämie und Bluthochdruck, wodurch das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschließlich eines Herz­infarkts steige.

Auch die Androgenentzugstherapie des Prostatakarzinoms erhöht laut der American Heart Association das Risiko auf kardiovaskuläre Ereignisse, wobei GnRH-Antagonisten mit einem geringeren Risiko verbunden zu sein scheinen als GnRH-Agonisten. Beide Mittel werden seit Längerem zur chemischen Kastration eingesetzt, die die frühere chirurgische Kastration ersetzt hat. Hinzugekommen sind die oralen Antiandrogene, die ebenfalls das Herz-Kreislauf-Risiko erhöhen, insbesondere wenn sie als kombinierte GnRH/Antiandrogen-Therapie eingesetzt werden.

Wie hoch die Gefahr von kardiovaskulären Ereignissen ist, hängt nach Einschätzung von Okwuosa auch von den Risikofaktoren ab, die die Patienten bereits vor ihrer Krebserkrankung aufwiesen. Auch hier seien die einzelnen Substanzen unterschiedlich zu bewerten. Auch die Dauer der Behandlung dürfte das Herz-Kreislauf-Risiko beeinflussen. Je länger Patienten eine Hormontherapie erhalten, desto größer sei das Risiko.

Viele Fragen sind aus Sicht der American Heart Association noch offen. Dazu gehört, wie Patienten mit hohem Risiko erkannt werden können, welche Screening- und Nachuntersuchungen sinnvoll sind und wie das Erkrankungsrisiko durch einen gesunden Lebensstil und Medikamente am besten gesenkt werden könnte. © rme/aerzteblatt.de