Gezielte Radioligandentherapie bei Prostatakrebs

In der Studie VISION wurden mit 177Lu-PSMA-617 beide primäre Endpunkte erreicht, und das Gesamtüberleben und das radiologisch progressionsfreie Überleben bei Patienten mit PSMA-positivem metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs signifikant verbessert.

Arzt bespricht Diagnose

Phase 3- Studie VISION erreichte primäre Endpunkte

Novartis berichtete in einer Pressemeldung über die ersten interpretierbaren Ergebnisse der Phase III-Studie VISION zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von 177Lu-PSMA-617, einer gezielten Radioligandentherapie bei Patienten mit progressivem Prostata-spezifischem Membranantigen (PSMA)-positivem metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs (mCRPC) im Vergleich zum besten Versorgungsstandard allein.

Die Studie erreichte die primären Endpunkte – das Gesamtüberlebens (overall survival [OS]) und das radiologisch progressionsfreie Überleben (radiographic progression free survival [rPFS]) – und bringt damit die gezielte Behandlung als Option für mehr als 80% der Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakrebs näher. Das Sicherheitsprofil stimmte mit Daten überein, die in früheren klinischen Studien berichtet wurden.

„Diese bahnbrechenden Daten bestätigen unsere Überzeugung vom Potenzial von 177Lu-PSMA-617, die Behandlungsergebnisse dieser Patienten durch phänotypische Präzisionsmedizin neu zu definieren. Wir beabsichtigen, diese Daten so bald wie möglich den Aufsichtsbehörden vorzulegen“, sagte John Tsai, Head of Global Drug Development and Chief Medical Officer bei Novartis [1].

Prostatakrebs und phänotypische Präzisionsmedizin

Bei kastrationsresistentem Prostatakrebs (CRPC) zeigt der Tumor trotz der Anwendung von Hormonbehandlungen, die den Testosteronspiegel senken, Anzeichen von Wachstum, wie zum Beispiel steigende Spiegel des Prostata-spezifischen Antigens (PSA). Bei mCRPC breitet sich der Tumor auf andere Körperteile wie benachbarte Organe oder Knochen aus und reagiert nicht auf eine Hormonbehandlung. Die Fünfjahres-Überlebensrate für Patienten mit mCRPC beträgt ungefähr 15%.

Trotz der Fortschritte in der Behandlung von Prostatakrebs besteht ein hoher ungedeckter Bedarf an neuen gezielten Behandlungsoptionen, um die Ergebnisse für Patienten mit mCRPC zu verbessern. Mehr als 80% der Prostatakrebstumoren exprimieren in hohem Maße einen phänotypischen Biomarker, das PSMA, was ihn zu einem vielversprechenden diagnostischen (durch Positronenemissionstomographie [PET]-Scan-Bildgebung) und therapeutischen Ziel für die Radioligandentherapie macht.  

Über 177Lu-PSMA-617

177Lu-PSMA-617 ist eine auf PSMA ausgerichtete Radioligandentherapie für mCRPC. Es handelt sich um eine Art der Präzisionsbehandlung der Krebserkrankung, bei der eine Substanz, die an von Tumoren exprimierte Marker bindet (Ligand) mit einem therapeutischen Radioisotop (einem radioaktiven Partikel), durch das Schäden am zellulären Erbgut verursacht werden, kombiniert wird. Dieser therapeutische Ansatz ermöglicht die gezielte Abgabe von Strahlung an den Tumor, während die Schädigung des umgebenden normalen Gewebes begrenzt wird [2].

Nach der Verabreichung in den Blutkreislauf bindet 177Lu-PSMA-617 an Prostatakrebszellen, die PSMA, ein Transmembranprotein, mit einer hohen Tumor-zu-Normal-Gewebeaufnahme exprimieren. Einmal gebunden, schädigen Emissionen des Radioisotops Tumorzellen und stören deren Fähigkeit, sich zu replizieren und/oder lösen den Zelltod aus. Die Strahlung des Radioisotops wirkt über sehr kurze Entfernungen, so dass Schäden an umgebenden Zellen begrenzt bleiben.

Basierend auf präklinischen Daten, die eine hohe PSMA-Bindungsaffinität und Internalisierung der Verbindung, eine verlängerte Tumoraufnahme, eine schnelle Ausscheidung über die Niere und ein hohes Verhältnis von Tumor- zu Hintergrundsignal zeigten, ging 177Lu-PSMA-617 in die klinische Entwicklung über. Vorläufige klinische Daten deuten darauf hin, dass 177Lu-PSMA-617 bei Patienten mit mCRPC in einer Situation, in der es für die Patienten keinen empfohlenen Versorgungsstandard gab, einen klinischen Nutzen brachte.

Über die VISION-Studie

VISION ist eine internationale, prospektive, randomisierte, offene, multizentrische Phase 3-Studie zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von 177Lu-PSMA-617, im Untersuchungsarm in Verbindung mit dem im Ermessen des Prüfers besten Versorgungs- und Pflegestandard, im Vergleich zum besten Versorgungs- und Pflegestandard im Kontrollarm allein.

Patienten mit PSMA-PET-Scan-positivem mCRPC und Progression nach vorheriger Taxan- (Docetaxel und/oder Cabazitaxel) und Androgenrezeptor-gerichteter Therapie (ARDT) (Abirateron/Prednison und/oder Enzalutamid und/oder Apalutamid) wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 2:1 zugunsten des Untersuchungsarms den beiden Behandlungsarmen zugeordnet. 177Lu-PSMA-617 wurde in einer Dosis von 7,4 GBq alle sechs Wochen über maximal sechs Zyklen intravenös verabreicht. Die alternativen primären Endpunkte waren das rPFS und das OS. Die Studie umfasste 831 Patienten.

Die Ergebnisse der VISION-Studie werden auf einem der kommenden medizinischen Kongresse vorgestellt und in die Zulassungsanträge für die USA und die EU aufgenommen werden. Die Studie wurde von der Novartis Pharmaceuticals finanziert und ist unter der Nummer NCT03511664 bei ClinicalTrials.gov registriert.

Quellen Autor:Dr. Elke Schlüssel (Medizinjournalistin)Stand:14.04.2021