Hormonsen­sitives Prostatakarzinom: Androgendeprivatoin und Abirateronacetat in Erstlinie reicht aus

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Paris – Ein metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom wird in der Erstlinie üblicherweise mit einer Androgendeprivation und zusätzlich modernen Hormontherapien behandelt. Der Vergleich zweier Substudien des STAMPEDE-Studienprogramms, der bei der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) in Paris vorgestellt wurde, zeigt, dass hier Abirateronacetat alleine ausreichend ist und die zusätzliche Gabe von Enzalutamid offenbar keinen weiteren Nutzen bringt (Attard G et al. ESMO 2022, Abstract #LBA62).

Zur Standardbehandlung beim neu metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom zählt seit jeher die Androgendeprivations-Therapie (ADT). Ihre Wirksamkeit wird durch die Zugabe des Androgensynthese-Hemmers Abirateronacetat (mit Prednisolon) oder des Androgenrezeptor-Antagonisten Enzalutamid signifikant verbessert, aber ob die Kombination beider Medikamente einen zusätzlichen Nutzen bringt, ist bislang unklar.

Im großen Studienprogramm STAMPEDE, an dem 117 Zentren in Großbritannien und der Schweiz beteiligt sind, wurde eine Reihe von Studien zum Prostatakarzinom gestartet, darunter zwei Phase-III-Studien: In der einen mit 1.003 Patienten wurde die ADT randomisiert um Abirateron plus Prednisolon oder um Placebo erg­änzt, in der anderen mit 916 Patienten wurden im experimentellen Arm beide Hormontherapien (Abirateron und Enzalutamid) hinzugefügt.

Gerhardt Attard vom University College London Cancer Institute konnte in Paris eine Auswertung der beiden Studien vorstellen, in der mit Methoden einer Metaanalyse ein Vergleich über die Studiengrenzen hinweg möglich war.

Der PSA-Wert der Patienten hatte vor Studienbeginn im Median bei 95,7 ng/ml gelegen, 94 % waren in der metastasierten Situation neu diagnostiziert worden, bei den übrigen hatte es sich um ein Rezidiv nach radikaler Behandlung gehandelt.

Primärer Endpunkt der Analyse war das Gesamtüberleben, und hier war das Mortalitätsrisiko in der Studie mit Abirateron plus Enzalutamid um 35 % reduziert (Hazard Ratio 0,65; 95%-Konfidenzintervall 0,55–0,77; p = 0,0000014), in der anderen Studie um 38 % (HR 0,62; 95%-KI 0,53–0,73; p = 0,0000000016).

Tests auf Interaktion und auf Heterogenität zwischen den Studien fielen negativ aus (p = 0,71 bzw. 0,70). Das Gleiche galt für die sekundären Endpunkte versagensfreies, metastasenfreies, progressionsfreies und Prostatakrebs-freies Überleben.

Grad-3–5-Nebenwirkungen wurden in den beiden Kontrollarmen bei 38,5 % bzw. 45,2 % der Patienten registriert, im Abirateron-Arm der ersten Studie bei 54,5 % und im Abirateron+Enzalutamid-Arm der zweiten bei 67,9 %; am häufigsten waren unter den zusätzlichen Hormontherapien Leberfunktionsstörungen und ein Hypertonus.

In der Abirateron-Studie, die bereits zwischen 2011 und 2014 rekrutiert hatte, liegt die mediane Nachbeob­ach­tungsdauer bei 95,8 Monaten, die Überlebensraten betragen im Kontrollarm 30 %, im experimentellen Arm 48 %, die medianen Überlebenszeiten liegen bei 50,4 bzw. 60,6 Monaten (p = 0,0000000066).

Offenbar, so Attard, ist es in der Erstlinientherapie des hormonsensitiven metastasierten Prostatakarzinoms nicht erforderlich, Enzalutamid zu geben: Abirateronacetat alleine zusätzlich zur Androgendeprivation hat den gleichen Effekt und verschafft einen Überlebensvorteil, der mindestens sieben Jahre lang andauert. © jfg/aerzteblatt.de