Experimentelle Therapiealternativen des lokal begrenzten Prostatakarzinoms

Martin Schostak stellte beim DKK den aktuellen Stand zur fokalen Prostatakrebstherapie mittels HIFU vor. Foto: Schostak

Beim 34. Deutschen Krebskongress (DKK) in Berlin stellten Experten den aktuellen Stand zu experimentellen Therapiealternativen des lokal begrenzten Prostatakarzinoms vor. Besprochen wurden der hochintensiv fokussierte Ultraschall (HIFU), die irreversible Elektroporation (IRE) und Möglichkeiten der fokalen Strahlentherapie.

HIFU-Spezialist Prof. Martin Schostak vom Universitätsklinikum Magdeburg betonte gleich zu Anfang, dass eine fokale Therapie seiner Ansicht nach nur vorliegt, wenn maximal die halbe Drüse behandelt wird. Hierzu stellte er aktuelle Daten der HEMI-Studie vor. Diese Studie prüfte die Hemiablation bei Low-risk-Prostatakrebs im klinischen Stadium cT1c bis cT2a, Gleason-Score bis 3+4=7, mit sicherem einseitigen Befall: In der multiparametrischen Magnetresonanztomographie (mpMRT) durfte sich kein Hinweis auf ein signifikantes Karzinom der Gegenseite (PI-RADS-Score ≥4) zeigen. Der Anteil tumorbefallener Stanzen an der Gesamtzahl der entnommenen Stanzen musste 30 Prozent unterschreiten, und der größte zusammenhängende Tumorherd musste kleiner als 5 mm sein. Eingeschlossen waren Patienten, welche die Standardtherapien ablehnten und eine Active-Surveillance-Strategie nicht wünschten. Es handelte sich um eine prospektiv einarmige, nicht randomisierte Studie mit einer Beobachtungszeit von 24 Monaten. Primäres Studienziel war das progressionsfreie Überleben, sekundäre Studienziele waren Gesamtüberleben und Lebensqualität.

Ergebnisse der HEMI-Studie

Die Zwölf-Monats-Ergebnisse wurden von Ganzer et al. publiziert. (1) Anhand dieser Daten stellte Schostak den Sinn der fokalen Therapie heraus: die Vermeidund von Inkontinenz und erektiler Dysfunktion als Folge der Prostatakrebstherapie. Nach zwölf Monaten brauchten drei von 51 Patienten (5,9%) Vorlagen, gegenüber präoperativ einem von 51 (2%). Der mittlere IPSS-Score hatte sich nicht verändert. Bei der Erektilen Funktion gab es eine signifikante Änderung im IIEF-5-Score: Dieser sank von 17,6±6,1 auf 13,6±8,6 (p<0,001). Allerdings erreichten weiterhin von 21 von 30 Patienten (70%) einen Score von 17 oder mehr. PDE-5-Hemmer wurden nach der Therapie häufiger eingenommen: Bei Baseline waren es sieben der 51 Patienten (13,7%), nach zwölf Monaten zwölf Patienten (23,5%, p=0,001). Im aktuellen Zwei-Jahres-Update waren, wie Schostak in Berlin berichtete, zwischen April 2013 und November 2018 83 Patienten behandelt worden. Acht Patienten hatten die Studie aus verschiedenen Gründen abgebrochen, das heißt 75 Patienten nahmen am Follow-up nach zwölf Monaten teil (mittleres Follow-up: 19,53±6,5 Monate [Range: 12–24). Der mittlere PSA-Wert war nach 24 Monaten auf 48,8 Prozent des Ausgangswertes abgefallen; der PSA-Nadir von 46,8 Prozent des Ausgangswertes war nach zwölf Monaten erreicht. Eine Kontrollbiopsie konnte nach zwölf Monaten bei 63 der 75 Patienten (84,0%) entnommen werden. Insgesamt waren 33 der 63 Biopsien positiv (52,4%). Innerhalb des Behandlungsareals waren 15 der 63 Biopsien (23,8%) positiv („in-field-failure“). Ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom lag in vier Fällen (6,3%) vor; darunter verstanden die Autoren, so Schostak, „Gleason-7-Tumoren mit einem gewissen Volumen“. Ein „out-field-failure“ auf der Gegenseite, also nicht erkannte und damit auch nicht behandelte Tumoren wurden bei 22 der 63 Patienten (34,9 Prozent) nachgewiesen. „Dabei handelte es sich in allen Fällen um Gleason-6-Tumoren“, sagte Schostak.

IRE noch im experimentellen Stadium

Die IRE geriet nach einem enthusiastischen Bericht in der Zeitschrift „Focus“ im Jahr 2015 ins Kreuzfeuer der Kritik, die Deutsche Gesellschaft für Urologie bezeichnete sie als Außenseitertherapie. „Die Datenlage ist nach wie vor außerordentlich dünn“, schränkte auch Prof. Philipp Wiggermann vom Städtischen Klinikum ein, räumte jedoch ein, dass die Methode „wahrscheinlich eine Menge Potenzial hat“. Bei der IRE werden in den Prostatakrebszellen durch ein sehr kurz angelegtes, starkes elektrisches Feld zwischen zwei Elektroden, ohne dass ein thermischer Effekt erzeugt wird, Nanoporen erzeugt, was zur Apoptose führt. Der Vorteil sei, dass „wir relativ selektiv sind und gewisse Strukturen ziemlich gut schonen können“, sagte der interventionelle Radiologe.  Eine aktuelle Übersichtsarbeit mit insgesamt weniger als 300 Patienten stellt die bisher vorhandenen Daten zusammen (2) – „nicht viele Patienten, aber die Ergebnisse sind hoch interessant und spannend“, so Wiggermann. Es wurden Raten von vorlagenfreier Kontinenz von 91 bis 100 Prozent erreicht, die erektile Funktion wurde bei 79 bis 100 Prozent erhalten. Die In-field-recurrence-Raten lagen zwischen null und 33 Prozent. Der Radiologe berichtete, dass aufgrund der Lernkurve der Methode die In-field-recurrence dann auftritt, wenn man noch nicht so viel Erfahrung hat. Dies betrifft vor allem den Abstand der Elektroden, der bei ungenügender Justierung zu einer Untertherapie führen kann. Viele Fragen seien weiterhin offen:

  • Patientenselektion: Welche Patienten eignen sich für die Methode?
  • Sicherheitsabstand: Wie fokal soll man therapieren?
  • Feldstärke: Wie viel Energie soll eingesetzt werden?
  • Lernkurve: Ist die Methode nur etwas für wenige Zentren?
  • Bildgebung: Ultraschall (bei Urologen beliebt) oder CT (von Radiologen bevorzugt)
  • Reversibel statt irreversibel: geringere Energie applizieren, um Nanoporen temporär zu erzeugen, und mit zytotoxischen Substanzen kombinieren?

Insgesamt urteilte der Experte, dass die Methode sich nach dem IDEAL-Schema (Idea, Development, Exploration, Assessment, Long-term Study) (3) noch im Stadium 2b (Exploration) befindet und forderte, die Methode nur im Rahmen von Studien anzuwenden: „Das ist leider sehr weit weg von der aktuellen Versorgungssituation“, kritisierte er.

Auch Strahlentherapie zunehmend fokal

Die Strahlentherapeuten seien es gewohnt, die ganze Drüse homogen zu behandeln, sagte PD Dr. Constantinos Zamboglou vom Universitätsklinikum Freiburg, doch „nun sind wir ebenfalls auf die Idee gekommen, dass man die Prostata auch fokal therapieren kann“. Die Grundlage dafür sind Studien, die zum einen eine Dosis-Wirkungs-Beziehung der Strahlung zeigen; zum anderen belegt die Forschung, dass Lokalrezidive genau dort auftreten, wo auch vorher der Tumor war, was bedeutet, dass höchstwahrscheinlich eine dominante intraprostatische Läsion für die Rezidive verantwortlich ist. Bei der Anwendung gibt es zwei Konzepte: Bei der ultrafokalen Therapie wird wirklich nur der sichtbare Tumor bestrahlt; „dies wenden wir in unserer Klinik bei Low-risk-Patienten an, die keine Active Surveillance mehr wollen, bei Favourable-intermediate-risk-Patienten nach NCCN oder auch bei Lokalrezidiven nach primärer perkutaner Strahlentherapie“, so Zamboglou. Dem steht die fokussierte Therapie gegenüber, bei welcher der Tumor mit einem fokalen Boost behandelt wird und der Rest der Drüse mit einer niedrigeren Dosis, um auch nicht sichtbare Tumorareale zu erreichen. „Das machen wir vor allem bei Patienten mit intermediate und high risk.“ Hinsichtlich der Technik wird alles Vorhandene verwendet: intensitätsmodulierte Radiotherapie, Low- und High-dose-rate-Brachytherapie und stereotaktische Strahlentherapie. Zur Zielvolumendefinition empfiehlt Zamboglou zusätzlich zur mpMRT die Positronenermissionstomographie/Computertomographie mittels Prostata-spezifischem Antigen (PSMA-PET/CT), da Studien gezeigt hätten, dass die mpMRT allein das Tumorvolumen unterschätzt.

Literatur:

  1. Ganzer R, Hadaschik B, Pahernik S et al. J Urol. 2018 Apr;199(4):983-989.
  2. Blazevski A, Scheltema MJ, Amin A et al. BJU Int 2020 Mar;125(3):369-378.
  3. McCulloch P, Altman DG, Campbell WB et al. Lancet 2009;374(9695):1105–1112.

(ms)

Quelle: Sitzung “Experimentelle Therapiealternativen des lokal begrenzten Prostatakarzinoms”, 34. DKK, 19.02.2020, Berlin