Dtsch Arztebl 2020; 117(10): A-502 / B-429
Zylka-Menhorn, Vera
PROBASE ist die weltweit erste Studie, die ein risikoadaptiertes PSA-Screening untersucht. Nach Rekrutierung von fast 47 000 Männern im Alter von 45 Jahren liefert die erste Analyse überraschende Ergebnisse.
Die Früherkennung von Prostatakarzinomen durch die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Blut ist seit Jahren umstritten. Befürworter verweisen darauf, dass durch ein PSA-Screening Malignome früher erkannt und behandelt werden, was die relative Sterblichkeit um etwa 20 % reduziere. Kritiker argumentieren, dass ein Teil der Karzinome eine so günstige Prognose habe, dass man (zunächst) auf therapeutische Maßnahmen verzichten könne. Erst kürzlich hatte sich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) deshalb dagegen ausgesprochen, regelmäßige PSA-Tests als Screening für alle Männer ab einem bestimmten Alter zur Kassenleistung zu machen.
PROBASE untersucht modernes Konzept der PSA-Testung
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) sparte nicht mit Kritik: Die vom IQWiG gezogenen Schlussfolgerungen würden nicht die aktuelle Datenlage widerspiegeln. „Zudem werden weitere alltäglich diagnostische Verfahren in der Interpretation vernachlässigt, die in Deutschland routinemäßig für eine optimierte Diagnosestellung zum Einsatz kommen.“ Mit Spannung wurden daher auf dem Deutschen Krebskongress (DKK 2020) die ersten Analysen der PROBASE-Studie erwartet, die ein modernes Konzept zur PSA-Testung untersucht.
Dabei erhalten die Männer des Studienarms A ihren ersten PSA-Test mit 45 Jahren, die des Studienarms B mit 50 Jahren. Die Teilnehmer beider Gruppen, die über ihr jeweiliges Einwohnermeldeamt zufällig ausgewählt worden sind, werden bis zum 60. Lebensjahr nachverfolgt, um Prognoseunterschiede herauszufinden.
„Die Hypothese der Studie ist, dass Männer, die erst im Alter von 50 Jahren mit dem risikoadaptierten Screening beginnen, bis zum 60. Lebensjahr nicht häufiger an einem metastasierten Prostatakarzinom erkranken als Männer, deren Basis-PSA-Wert bereits mit 45 Jahren bestimmt wird“, berichtete Prof. Dr. med. Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie der Uni Düsseldorf und Leiter des Zentrums für personalisierte Früherkennung des Prostatakarzinoms am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.
Außerdem solle die Studie zeigen, ob der verzögerte Beginn des Screenings die Rate an unnötiger Diagnostik und Therapie zukünftig deutlich reduzieren kann. Ende Dezember konnte die Rekrutierung von fast 47 000 Männern erfolgreich abgeschlossen werden. „Die Analyse der ersten Screeningrunde ergab überraschende Ergebnisse“, so Studienleiter Albers in Berlin.
Etwa 90 % der Männer lagen mit ihrem Basis-PSA-Wert im Niedrigrisikobereich und daher konnte die Wiederholung des PSA-Tests auf 5-jährliche Abstände reduziert werden. Nur bei etwa der Hälfte der Männer in der Hochrisikogruppe (PSA > 3 ng/ml) bestätigte sich dieser Wert in einer Kontrolluntersuchung. So wurde nur 0,8 % aller Männer mit 45 Jahren eine weitere Diagnostik empfohlen. Diese zeigte bei einem Drittel der Männer ein Prostatakarzinom – die meisten allerdings von geringem Aggressivitätsgrad. In den nächsten Jahren werde sich zeigen, so Albers, ob sich dieser Trend bestätige und damit der Beginn eines risikoadaptierten Screenings nach hinten verlagert werden könne.
„Schon jetzt zeigt PROBASE, dass ein risikoadaptiertes, altersabhängiges Screening möglich ist und das Potenzial hat, die Problematik der Überdiagnostik des populationsbezogenen Screenings drastisch zu reduzieren“, so Albers und empfiehlt ein umsichtiges Vorgehen: „Liegt der Wert bei einem 50-Jährigen unter 1,5 Nanogramm pro Milliliter, könne man für mindestens 5 Jahre beruhigt sein, sagt der Urologe. Ein PSA-Wert über 3 bedürfe aber weiterer Abklärung. Zu beachten sei auch, dass diese Grenze für einen 60-Jährigen höher liegt. Und noch etwas sei wichtig: Bei Verdacht auf ein Karzinom sollte diagnostisch zunächst ein MRT gemacht werden, keine Biopsie.
Aufbau einer großen deutschen Gewebe- und Biobank
Die PROBASE-Studie wird an den Universitätskliniken Düsseldorf, Hannover, Heidelberg und München unter Koordination des Deutschen DKFZ durchgeführt. Die Studie, die in vollem Umfang von der Deutschen Krebshilfe gefördert wird, erlaubt zudem den Aufbau einer großen deutschen Gewebe- und Biobank, mit der sich künftig zahlreiche weitere Fragen zum Prostatakarzinom und anderen Erkrankungen erforschen lassen.
Dr. med. Vera Zylka-Menhorn