COVID-19: stockende Impfkampagne, Geldstrafe für „Terminschwänzer“, unsichere Schnelltests, klagende Hausärzte

Dr. med. Thomas Kron  Aktuelles im Fokus  04.07.2021

Die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen ist nach vielen Tagen kontinuierlicher Abnahme erstmals wieder gestiegen.

Weiterhin Sorgenfalten

Trotz der insgesamt positiven Entwicklung in Deutschland zieren weiterhin Sorgenfalten die Stirn der verantwortlichen Gesundheitspolitiker und Infektiologen. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Der eine Grund ist die Delta-Variante, die  auch in Deutschland bald die dominierende Variante sein wird oder sogar schon ist. Der andere Grund ist, dass zunehmend Impftermine nicht wahrgenommen  werden. Laut Dr. Prosper Rodewyk von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe sind es vor allem junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren , die sich nicht impfen lassen. „Die arbeiten den ganzen Tag, die haben keinen Hausarzt und die haben anscheinend nicht so den Drang, sich impfen zu lassen. Die müssen wir noch aktivieren,” so der als Hausarzt tätige Internist. Die „Kölnische Rundschau”  berichtet über einen in Köln-Heimersdorf niedergelassenen Hausarzt, der sieben Impfstoff-Dosen übrig hatte und deshalb in der Einkaufsstraße, in einer Bäckerei und beim Metzger Menschen ansprach, ob er sie nicht impfen könne. Gründe für das „Schwänzen“ der Impftermine sollen Befragungen zufolge unter anderen der Glauben sein, COVID-19 sei nicht besonders gefährlich und das eigene Ansteckungsrisiko ohnehin gering, ausserdem mangelndes Vertrauen in Politik und Wissenschaft und die Sorge vor Nebenwirkungen der Impfung. 

Schwänzen kein „Kavaliersdelikt“

Da immer mehr Impftermine trotz der Delta-Variante und der vielen Hinweise auf die Notwendigkeit der vollständigen Impfung nicht wahrgenommen werden, fordern einige Politiker und Experten Geldstrafen für so genannte Impfterminschwänzer. „Eine Geldstrafe zu nutzen, wäre ein wichtiges Signal”, sagte Karl Lauterbach in den „tagesthemen”. Damit mache man deutlich, dass Impfstoff weggeschmissen werden müsse, wenn jemand einen Impftermin einfach ausfallen lasse. Die Impfung zu schwänzen, sei kein Kavaliersdelikt”, so der SPD-Politiker. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hingegen lehnt solche Strafzahlungen ab. „Solidarität erzwingt man nicht durch Strafen“, sagte Laschet dem Redaktions­Netzwerk Deutschland

Ausgelöst hatte die Forderung nach Geldstrafen der Präsident des Berliner Roten Kreuzes, Mario Czaja. Wer zum Beispiel seinen Termin für die Zweitimpfung in einem Impfzentrum ohne Absage verstreichen lasse, solle mit einer „Impfterminschwänzer-Abgabe” in Höhe von 25 bis 30 Euro belegt werden, so Czaja im rbb.

Klage über schlechte Kommunikation und Mehraufwand

Der Hausärzteverband klagt, dass die von der STIKO und Jens Spahn empfohlene heterologe Impfung nach Erstimpfung mit Vaxzevria die Hausärzte überrascht habe; durch hätten sie einen erheblichen Mehraufwand. „Patientinnen und Patienten sind verunsichert, erfragen, welchen Impfstoff sie nun bei der Zweitimpfung erhalten werden und wollen auch ihren Termin entsprechend vorziehen”, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Dr. Ulrich Weigeldt, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die Anpassung der Empfehlung habe bereits am ersten Tag in vielen Praxen für einen„enormen Mehraufwand” gesorgt. Natürlich, so der Bremer Ärztefunktionär, sei es Aufgabe der Wissenschaft, Empfehlungen dem aktuellen Erkenntnisstand anzupassen. Das spreche aber nicht gegen eine klare Kommunikation und die frühzeitige Einbindung derer, die letztlich die Empfehlungen umsetzen müssten.

Schnelltests nicht zuverlässig genug

Gängige Schnelltests auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus erkennen einer aktuellen Studie Infizierte deutlich seltener als ein PCR-Test. Labordaten der Hersteller von Schnelltests  bescheinigen den Tests eine hohe Zuverlässigkeit. Verglichen mit der Referenzmethode der COVID-19-Diagnostik, dem PCR-Test, soll ihre Sensitivität Werte von über 90 Prozent erreichen. Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg  sind jetzt zu einem anderen Ergebnis gekommen. Demnach liege die Sensitivität der Antigen-Schnelltests im klinischen Praxiseinsatz mit knapp 43 Prozent signifikant unter den Herstellerangaben. Die Ergebnisse der Würzburger Studie sind in der Fachzeitschrift „EBioMedicine“ veröffentlicht.

Aus insgesamt 5068 Untersuchungen stammen die Daten der Studie – bei den Teilnehmern wurden jeweils sowohl ein Antigen-Schnelltest als auch ein PCR-Test durchgeführt. Anschließend wurden die Ergebnisse miteinander verglichen. Während die Sensitivität der Schnelltests dabei deutlich schlechter als erwartet ausfiel, erreicht ein anderes Kriterium gute Werte: die Spezifität. Sie liege mit fast 100 Prozent im Bereich der Herstellerangaben, heißt es ij einer Mitteilung der Universität.

„Unsere Auswertung zeigt, dass SARS-CoV-2-Infizierte mit sehr hoher Viruslast – potenzielle ‚Superspreader‘ – sehr zuverlässig mittels Antigen-Schnelltests als positiv erkannt werden. In SARS-CoV-2-Proben mit niedrigen Viruslasten hingegen werden Infektionen so gut wie nicht erkannt“, so Studienleiter Dr. Manuel Krone in der Mitteilung.

Problematisch sei dies aus Sicht der Forscher vor allem zu Beginn einer Infektion. „Dann liefern Antigen-Schnelltests möglicherweise erst später als ein PCR-Test die richtige Diagnose und können so den Betroffenen eine falsche Sicherheit geben“, sagt Krone. Die Ergebnisse der Studie seien für COVID-19-Teststrategien von großer Bedeutung: „Antigen-Schnelltests sollten nicht als Ersatz für PCR-Untersuchungen bei symptomatischen Personen eingesetzt werden, wenn PCR-Kapazitäten zur Verfügung stehen“, sagt Krone. Von ihrem Einsatz prinzipiell abraten will er jedoch nicht.

Isabell Wagenhäuser, Erstautorin der Studie, ergänzt: „In Situationen, in denen eine momentan hohe Infektiosität ausgeschlossen werden soll, weil viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, können Antigen-Schnelltests eine sinnvolle Ergänzung weiterer Hygienemaßnahmen darstellen. Auch die infektionsepidemiologische Lage spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung, ob ein Einsatz von Antigen-Schnelltests sinnvoll ist.“

Remdesivir: Hinweis auf Zusatznutzen

Zu Remdesivir gibt es laut IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) bei einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen, allerdings nur bei einem Teil der Patienten. Wie das Kölner Institut mitteilt, profitieren COVID-19-Patienten mit Pneumonie, die noch keine High-Flow-Sauerstofftherapie benötigen, von Remdesivir. Für schwerer erkrankte Erwachsene mit Pneumonie, die zu Therapiebeginn bereits eine High-Flow-Sauerstofftherapie oder eine andere nicht invasive Beatmung benötigten, sei ein Zusatznutzen hingegen nicht belegt. Für an COVID-19 erkrankte Jugendliche lagen nach Angaben des Instituts keine Studiendaten für die frühe Nutzenbewertung vor. Da die Mortalitätsrisiken bei dieser Erkrankung stark vom Alter abhängen, lassen sich dem Institut zufolge die für Erwachsene beobachteten Ergebnisse der Nutzenbewertung auch nicht auf die Jugendlichen übertragen, sodass ein Zusatznutzen für diese Gruppe nicht belegt sei.

Remdesivir ist in Europa seit Juli 2020 bedingt zugelassen zur COVID-19-Behandlung bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit einer Pneumonie, die zusätzlich Sauerstoff, aber keine invasive Beatmung benötigen. 

  • Referenzen

ARD/ZDF

Der Spiegel

rbb

RND

Universität Würzburg

EBioMedicine

IQWiG