Vielleicht haben Sie auch in den letzten Wochen die Schlagzeilen gelesen, dass Straßenlaternen Krebs auslösen können. Das klingt erst einmal bizarr – aber was steckt dahinter?
Zum Anlass genommen, darüber zu berichten, haben einige Magazine die Arbeit des Krebsforschers Richard Stevens, einem amerikanischen Epidemiologen, der die Melatonin-Produktion des Körpers mit der Krebsentstehung in Verbindung setzt. Melatonin ist ein Hormon, welches im Gehirn gebildet und vorwiegend nachts ausgeschüttet wird, wenn kein Licht auf die Netzhaut des Auges trifft. Dieses Hormon steht wiederum in Wechselwirkung mit anderen Hormonen, z.B. Östrogen. Das bedeutet, dass es indirekt wiederum das Wachstum hormonabhängiger Tumore beeinflussen könnte.
Um seine Hypothese zu überprüfen hat Stevens zum Beispiel Daten aus der sog. „Nurses‘ Health Study“ untersucht, einer Studie, bei der über drei Jahrzehnte 120 000 Krankenschwestern Fragebögen zu ihrer Gesundheit beantwortet haben. Und das Ergebnis? Tatsächlich erhöhte sich in dieser Studie das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, je mehr Nachtschichten gearbeitet werden mussten und damit die zirkadiane Rhythmik gestört wurde.
Viel Kunstlicht bei Nacht könnte also krebserregend sein – vor allem Arbeiter im Schichtdienst sind diesem ausgesetzt. Die Internationale Agentur für Krebsforschung, eine Einrichtung der WHO, hat 2007 tatsächlich einige Formen der Schichtarbeit als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Daraufhin folgten einige Studien, die einen Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und Krebs weiter untersuchten, allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen.
In eine ähnliche Richtung geht ein Paper, welches jüngst im „International Journal of Cancer“ veröffentlich wurde. In “Effect of mistimed eating patterns on breast and prostate cancer risk (MCC‐Spain Study)” untersuchen Kogevinas et. al die Frage, ob ein Zusammenhang besteht zwischen der Uhrzeit, zu der die letzte Nahrungsaufnahme stattfindet, und einer Prostatakrebs- bzw. Brustkrebserkrankung. Dazu wurden 621 Prostatakrebs- und 1205 Brustkrebserkrankte mit gesunden Studienteilnehmern verglichen. Zusätzlich zur Frage nach den Ernährungsgewohnheiten wurde auch der sog. „Chronotyp“ festgestellt, also ob jemand eher ein Früh- oder Spätaufsteher ist.
Tatsächlich fand sich bei Teilnehmern, welche sofort nach dem Essen schlafen gingen bzw. erst nach 22 Uhr aßen, eine 20% erhöhte Krebswahrscheinlichkeit im Gegensatz zu denen, welche vor 21 Uhr aßen bzw. nach dem Essen noch mindestens 2 Stunden wach waren.
Evolutionsbiologisch ist es so, dass der Mensch an lange Perioden des Fastens gewöhnt ist, so wurde Nahrung hauptsächlich bei Tageslicht aufgenommen. In der Tat neigen Menschen, welche kurz vor dem Schlafen noch essen, eher zu Übergewicht, da der Körper die zugeführte Energie im Schlaf gar nicht braucht. Auch Übergewicht kann zu einer Krebsentstehung beitragen.
Was muss man bei dieser Studie beachten? Untersucht wird hier, ob ein spätes Abendessen Auswirkungen auf eine Krebserkrankung hat. Dabei gibt es jedoch nicht nur den einen Faktor, der zu einer Krebserkrankung führt, auch andere Risikofaktoren (Rauchen, Übergewicht, Schadstoffexposition…) oder eine genetische Prädisposition spielen eine Rolle. So könnte es z.B. sein, dass Menschen, die spät zu Abend essen, generell auch einen anderen (ungesunderen?) Lifestyle verfolgen. Gerade bei medizinischen Studien ist es sehr wichtig, niemals Kausalität und Korrelation zu verwechseln, also ob etwas wirklich durch eine Sache ausgelöst wird oder nur zufällig gleichzeitig auftritt. Weiter handelt es sich bei der Studie um eine spanische Studie, also aus einem Lande kommend, in welchem traditionell erst später gegessen wird. Interessant wäre es, die Daten auch für Länder wie Deutschland zu erheben und zu schauen, ob die Ergebnisse übertragbar sind.
Wie immer gilt auch hier: Es müssen weitere Studien kommen, die das Ergebnis dieser einen Studie belegen oder widerlegen. Generell auf ausreichenden Nachtschlaf und ein frühes Abendessen zu achten, kann jedoch nicht schaden.