Welche Menschen Toilettenpapier horten

Dr. med. Thomas Kron Smalltalk 18.06.2020

Kernbotschaften

Manche Menschen sammeln Briefmarken, andere Tassen oder Schallplatten. In diesem Jahr war in einigen Regionen dieser Welt, auch in Deutschland, eine besondere Art von „Sammler“ zu beobachten: Menschen, die Toilettenpapier horten. Wissenschaftler um Theo Toppe vom Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben sich in einer Studie mit dieser seltsamen, aber vielleicht gar nicht  so seltenen „Spezies“ beschäftigt und dabei festgestellt: Menschen, die dazu neigen, Klopapier zu horten, fühlen sich besonders durch COVID-19 bedroht. Und: Im Vergleich zu jenen Zeitgenossen, die den Kauf von Toilettenpapieren erster Linie vom Bedarf abhängig machen, ist die Persönlichkeit der „Sammler“ durch ein besonders hohes Maß an Emotionalität und Gewissenhaftigkeit geprägt. Ausserdem: US-Amerikaner horten angeblich mehr als Europäer. 

Goldene Tage für Klopapier-Verkäufer 

Nach der schnellen Verbreitung von COVID-19 in Europa und Nordamerika im März 2020 begannen viele Menschen damit, Waren wie Toilettenpapier zu horten. Einige Unternehmen berichteten von einem Anstieg der Toilettenpapier-Verkäufe um bis zu 700 Prozent, obwohl die Regierung dazu aufgefordert hatte, von „Panikkäufen“ abzusehen.

Für die Studie befragten die Forscher 1029 Erwachsene aus 35 Ländern, die sie über die sozialen Medien rekrutiert hatten. Das Durchschnittsalter war  bei den Teilnehmern aus Nordamerika (USA und Kanada) sowie Europa mit durchschnittlich 32 Jahren gleich. Die Mehrheit waren Frauen (Nordamerika knapp 82 Prozent, Europa 68 Prozent). Zwischen dem 23. und dem 29. März 2020 füllten die Teilnehmer einen Persönlichkeitstest (Brief HEXACO Inventory; BHI) aus, der sechs große Persönlichkeitsbereiche umfasst. Darüber hinaus machten sie Angaben über ihren demografischen Hintergrund, wie stark sie sich durch COVID-19 bedroht fühlten, über ihr Quarantäneverhalten und ihren Verbrauch an Toilettenpapier der letzten Wochen.

Die „Risikofaktoren“: Furcht, Fleiß und Perfektionismus

Der zuverlässigste Indikator für eine „Toilettenpapier-Bevorratung“ war einer Mitteilung der Anthropologen zufolge, wie stark sich jemand durch die Pandemie bedroht fühlte; Menschen, die sich stärker bedroht fühlten, neigten dazu, mehr Toilettenpapier zu horten. Etwa 20 Prozent dieses Effekts waren auf das Persönlichkeitsmerkmal Emotionalität zurückzuführen: Menschen, die im Allgemeinen besonders besorgt und ängstlich sind, fühlen sich auch durch COVID-19 bedrohter und bevorraten sich eher mit Toilettenpapier. Auch die Persönlichkeitsdomäne der Gewissenhaftigkeit, zu der Merkmale wie Organisation, Fleiß, Perfektionismus und Vorsicht gehören, hatte Einfluss auf das Bevorratungsverhalten.

Noch nicht vollständig verstanden

Andere Beobachtungen waren, dass ältere Menschen mehr Toilettenpapier horten als jüngere Menschen und dass US-Amerikaner mehr Toilettenpapier horten als Europäer. Die Forscher weisen darauf hin, dass die untersuchten Variablen nur etwa zwölf Prozent der Unterschiede hinsichtlich der Toilettenpapier-Bevorratung erklären, was darauf hindeutet, dass einige psychologische Erklärungen und situative Faktoren wahrscheinlich nicht berücksichtigt wurden. „Die subjektive Bedrohung durch COVID-19 scheint ein wichtiger Auslöser für die Bevorratung mit Toilettenpapier zu sein. Von einem umfassenden Verständnis dieses Phänomens sind wir jedoch noch weit entfernt“, so Theo Toppe, Mitautor der Studie.

1Abteilung für Vergleichende Kulturpsychologie; Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig

2Lisa Garbe, Richard Rau, Theo Toppe: Influence of perceived threat of Covid-19 and HEXACO personality traits on toilet paper stockpiling; PLOS ONE, 12 June 2020, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0234232