Warum viele Tumore in die Wirbelsäule metastasieren

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New York – US-Forscher haben entdeckt, dass Wirbelkörper von anderen Stammzellen gebildet werden als Röhrenknochen. Sie setzen dabei das Protein MFGE8 frei, das eine „anziehende“ Wirkung auf Krebszellen hat und laut einem Bericht in Nature (2023; DOI: 10.1038/s41586-023-06519-1) erklären könnte, warum viele Krebsarten bevorzugt in die Wirbelsäule metastasieren. Die Ausschaltung von MFGE8 könnte dies verhindern.

Viele Krebsarten, darunter Mamma-, Bronchial- und Prostatakarzinome, metastasieren bevorzugt in die Wirbel­körper aber nur selten in die Röhrenknochen, obwohl diese in der Überzahl sind. Dieser spinale Tropismus wurde bisher mit der angeblich besseren Durchblutung in den Wirbelkörpern erklärt.

Pathologen vertraten früher sogar die Ansicht, dass bei Lungenkrebspatienten die Krebszellen durch das Husten mit einem umgekehrten Blutfluss in die Wirbelsäule geschwemmt würden. Die Experimente, deren Ergebnisse ein Team um Matthew Greenblatt von Weill Cornell Medicine in New York vorstellt, widerlegen diese Annahmen.

Die Forscher führten Versuche mit Organoiden durch, die sie im Labor aus Stammzellen hergestellt hatten. Dabei hatte sich herausgestellt, dass Wirbelkörper aus anderen Stammzellen gebildet werden als Röhren­knochen.

Die Forscher implantierten die Organoide Mäusen in einen Muskel und injizierten den Tieren dann Krebs­zellen in die Schwanzarterie, ins Herz oder in das Fettgewebe der Brust. Die Krebszellen siedelten sich – vor allem nach der Injektion in die Brust – häufiger in den Organoiden an, die aus den Stammzellen der Wirbel­körper entstanden waren.

Das Team hat dann die Stammzellen auf Unterschiede im Stoffwechsel untersucht. Dabei wurde entdeckt, dass die Stammzellen der Wirbelkörper vermehrt den Wachstumsfaktor MFGE8 („milk fat globule epidermal growth factor 8“) bilden, der die Krebszellen dazu bewegt, sich in Richtung Knochen zu orientieren.

Dies konnten die Forscher auch an Zellkulturen beobachten. Dort bewegten sich die Krebszellen in Richtung Knochenzellen, solange diese MFGE8 produzierten. Nach der Entfernung des MFGE8-Gens aus den Knochen­zellen wurde keine Migration beobachtet.

Dieses Phänomen trat auch auch bei Mäusen auf. Ohne MFGE8 war die Bildung der Knochenmetastasen deut­lich vermindert. Derselbe Effekt wurde bei der Verwendung von Organoiden aus menschlichen Knochenstamm­zellen beobachtet.

Die Krebszellen fanden den Weg in den Knochen (der Mäuse, denen die Organoide implantiert wurden) nur, wenn die Stammzellen dort MFGE8 produzierten. In einem Experiment wurde die Bildung des MFGE8-Proteins durch eine „small hairpin RNA“ (shRNA) gestoppt. Dies hatte bei den Mäusen einen Rückgang der Metastasenbildung zur Folge.

Die Forscher suchen jetzt nach Wegen, um MFGE8 auch bei Krebspatienten mit shRNA oder mit anderen Mitteln zu stoppen. Für die Patienten wäre dies ein großer Gewinn, da Wirbelsäulenmetastasen zu den besonders schmerzhaften Komplikationen einer Krebserkrankung gehören. © rme/aerzteblatt.de