London/Boston – Wissenschaftler aus Großbritannien, den USA und Kanada setzen sich dafür ein, die Anforderungen an Studien zu neuen Krebsmedikamenten zu erhöhen, um einen echten Nutzen für die Patienten zu gewährleisten.
Im British Medical Journal (doi 10.1136/bmj.l5221) kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte der Studien, die zwischen 2014 und 2016 neue Zulassungen von Krebsmedikamenten in Europa unterstützten, sehr fehleranfällig gewesen seien, „was darauf hindeutet, dass die Behandlungseffekte möglicherweise übertrieben waren“, so die Arbeitsgruppe.
In der Europäischen Union ist die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für die Bewertung der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit neuer Arzneimittel zuständig. 2017 bezogen sich laut Studie mehr als ein Viertel der EMA-Zulassungen auf Krebsmedikamente.
Die meisten von ihnen basierten auf randomisierten kontrollierten Studien, die als Goldstandard für die Bewertung der Behandlungseffektivität gelten. „Fehler in der Konzeption, Durchführung, Analyse oder Berichterstattung von randomisierten kontrollierten Studien können jedoch die Schätzungen der Behandlungswirkung verzerren und die Validität der Ergebnisse gefährden“, warnen die Forscher.
Die Wissenschaftler untersuchten ihm Rahmen ihrer Arbeit das Design, das Verzerrungsrisiko und die Berichterstattung über randomisierte kontrollierte Studien, die von 2014 bis 2016 die europäische Zulassung von Krebsmedikamenten unterstützten. In diesem Zeitraum genehmigte die EMA 32 neue Krebsmedikamente auf der Grundlage von 54 Studien. Von diesen waren 41 (76%) randomisierte kontrollierte Studien.
Nur 10 Studien (26%) hatten den Wissenschaftlern zufolge das Gesamtüberleben als Hauptendpunkt primär gemessen. Die übrigen 29 Studien (74%) bewerteten indirekte Ersatzmessungen des klinischen Nutzens, die nicht immer zuverlässig vorhersagten, ob ein Patient länger lebe oder eine bessere Lebensqualität habe, so die Forscher.
Sie stuften 19 Studien (49%) aufgrund von Defiziten in Design, Durchführung oder Analyse als stark verzerrungsgefährdet ein. Studien, die das Gesamtüberleben bewerteten, waren einem geringeren Risiko einer Verzerrung ausgesetzt als diejenigen, die Ersatzmessungen mit klinischem Nutzen bewerteten.
Die Forscher weisen allerdings daraufhin, dass sie in der vorliegenden Arbeit das Risiko der Verzerrung bestimmt haben und nicht die Verzerrung selbst: „Es bleibt die Möglichkeit, dass die von den Autoren identifizierten methodischen Defizite nicht zu verzerrten Ergebnissen führten“, geben sie zu bedenken.
Dennoch sollten ihre Ergebnisse Politiker, Forscher und Ärzte dazu veranlassen, „das Risiko einer Verzerrung bei zentralen Studien, die regulatorische Entscheidungen unterstützen, sorgfältig zu berücksichtigen“, meinen sie.
In einem Editorial zum Thema argumentieren australische Forscher, dass Studienbelege für neue Krebstherapeutika allein nicht ausreichen. Erforderlich sei zusätzlich eine Qualitätsbewertung dieser Nachweise, fordern sie. © hil/aerzteblatt.de