Prostatakarzinom: Genscore könnte zielgerichtetes PSA-Screening ermöglichen

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San Francisco – Ein polygener Risikoscore, der den erblichen Anteil am PSA-Wert erkennt, könnte eine gezieltere Früherkennung des Prostatakarzinoms ermöglichen, berichtet ein US-amerikanisches Forscherteam in Nature Medicine (2023; DOI: 10.1038/s41591-023-02277-9).

Das Prostataspezifische Antigen (PSA) ist kein präziser Tumormarker, weil PSA überwiegend von gesunden Drüsenzellen gebildet und freigesetzt wird. Seine Funktion ist die Verflüssigung des Ejakulats, damit Spermien darin beweglich bleiben. Zum Tumormarker wird PSA nur, weil ein sich ausbreitender Krebs die Struktur der Drüse zerstört und PSA dann vermehrt ins Blut gelangt. Zu einem Anstieg kommt es auch bei einer Prostatitis, einer benignen Prostatahyperplasie oder aus genetischen Gründen, etwa bei Männern mit einer von Geburt an größeren Prostata.

Die genetischen Risiken lassen sich heute mit Genom-weiten Assoziationsstudien (GWAS) ermitteln. Dort werden die PSA-Werte von gesunden Menschen mit den Ergebnissen von DNA-Chips verglichen, die das Erbgut an mehr als 1 Mio. Stellen untersuchen, an denen es häufig zu Varianten (SNP) kommt.

Ein Team um Rebecca Graff vom San Francisco Medical Center hat in einer GWAS an 95.748 Männern insgesamt 128 SNP gefunden, die bei gesunden Personen mit einem erhöhten PSA verbunden waren. Ein darauf basierender polygener Risikoscore erklärte 9,61 % der Unterschiede.

Der Risikoscore wurde dann auf eine Gruppe von Versicherten angewendet, die an einem PSA-Screening teilgenommen hatten. Laut Graff wäre 31,7 % der Männer (europäischer Herkunft), bei denen in der Biopsie keine Krebszellen gefunden wurden, von der Untersuchung abgeraten worden, wenn bei der Beurteilung des PSA-Werts der polygene Risikoscore berücksichtigt worden wäre.

Auf der anderen Seite wäre 2,5 % der Männer mit einem PSA-Wert unter dem Schwellenwert aufgrund des polygenen Risikoscores doch zur Biopsie geraten worden. Der Nettorückgang hätte 29,3 % betragen: Vielen Männern wäre laut Graff durch einen Gentest im Vorfeld einiges Leid und den Krankenkassen erhebliche Kosten erspart geblieben.

Es gab allerdings auch Männer, die am Prostatakarzinom erkrankt waren, denen aufgrund des polygenen Risikoscores von einer Biopsie abgeraten worden wäre. Der Krebs wäre dann nicht entdeckt worden. Graff gibt den Anteil bei Männern europäischer Herkunft mit 8,6 % an. Die meisten (72 %) dieser Männern hätten allerdings weniger aggressive Tumore (Gleason-Score unter 7) gehabt, schreibt Graff, so dass eine Behandlung bei einer späteren Diagnose vermutlich noch rechtzeitig gekommen wäre.

Insgesamt ist die Forscherin überzeugt, dass die Berücksichtigung der genetischen Komponenten bei der Bewertung des PSA-Werts das Potenzial hat, sowohl unnötige Biopsien zu reduzieren als auch die Fähigkeit zu verbessern, Tumore mit einem aggressiveren Profil zu erkennen. © rme/aerzteblatt.de