Wissenschaftler haben in einer klinischen Studie die Wirksamkeit einer Therapiemethode nachgewiesen, die fortgeschrittene Prostatatumore und ihre Metastasen ohne gravierende Nebenwirkungen eindämmen kann. Sie kombinieren dafür zwei verschiedene radioaktive Substanzen, die den Krebs millimeter- bzw. mikrometergenau bestrahlen.
Nachrichten über neuartige Krebstherapien wecken oft große Hoffnungen und Erwartungen bei den Menschen, insbesondere natürlich bei den Betroffenen. Solcherart Erwartungen möchte Samer Ezziddin, Professor für Nuklearmedizin und Direktor der gleichnamigen Klinik am Universitätsklinikum, gar nicht erst wecken.
„Heilen können wir die betroffenen Patienten, wie sie an unserem Therapieprogramm teilgenommen haben, meist nicht. Uns geht es um eine Verlängerung der Lebenserwartung um einige Monate oder auch Jahre – und zwar ohne Verlust der Lebensqualität“, erläutert der Mediziner.
Zwar hat der Arzt in seiner Karriere auch selbst schon erlebt, dass Patienten eine vollständige Rückbildung der Metastasen erfahren haben, bei denen kaum noch Hoffnung bestand. Aber von diesen Sonderfällen abgesehen, die wohl eher als „statistische Ausreißer“ gelten müssen denn als Wunder, ist der Kampf gegen die vielen Spielarten des Krebses eine harte und mühsame Fleißarbeit, deren Fortschritte sich in kleinen Schritten bemisst, die erst nach langer Zeit eine große Strecke erkennen lässt.
Auch die
aktuelle Studie der saarländischen Nuklearmediziner ist ein kleiner
Schritt, der aber ein entscheidender sein kann für weitere
Therapieansätze. Die Ärzte haben Patienten mit metastasierenden
Prostatatumoren einer Strahlentherapie unterzogen, die ursprünglich in
Heidelberg entwickelt wurde und die die saarländischen Mediziner nun
weiterentwickelt haben. Es handelt sich dabei um die
Radionuklidtherapie-Methode, bei der Tumore gezielt von innen bestrahlt
und damit zerstört werden, indem eine radioaktiv strahlende Substanz,
über die Vene verabreicht, kontinuierlich in die Zellen eingespeist
wird.
Statt allerdings nur eine einzige Sorte radioaktiver
Substanz in die Tumorzellen einzuschleusen, kombinierten die Mediziner
erstmals zwei unterschiedliche radioaktive Substanzen miteinander, die
jeweils unterschiedlich weit strahlen können.
Zum einen kam dabei
Lutetium-177 zum Einsatz. Die radioaktive Substanz hat einen Wirkradius
von 0,5 bis 10 Millimetern, in dem es das umliegende Gewebe zerstört. Es
wirkt sehr zielgenau, da es an Bindungsstellen andockt, die nahezu
ausschließlich auf der Oberfläche der Prostatatumore vorhanden sind,
andere – gesunde – Körperzellen werden also nicht zerstört. Dieser
winzige Wirkungsradius von Lutetium-177 kann allerdings schon zu viel
sein für winzigste Tumore, wie sie entstehen, wenn sich Metastasen in
anderen Regionen des Körpers bilden. Aus diesem Grund haben sich die
Forscher um Ezziddin dazu entschieden, ein weiteres radioaktives Nuklid
für die Therapie zu verwenden: Actinium-225. „Dieser Strahler zeigt sehr
gute Ergebnisse, seine Reichweite liegt weit im
Sub-Millimeter-Bereich“, erläutert Samer Ezziddin den Vorteil dieses
radioaktiven Stoffes.
Das bedeutet, dass auch winzigste Tumore,
im Prinzip sogar einzelne Tumorzellen, mit dem Präparat von innen
bestrahlt werden können, nachdem sie „huckepack“ über den Rezeptor in
die Krebszelle hineingeschmuggelt worden sind. „Umliegendes Gewebe wird
dadurch nicht zerstört, da die Reichweite des Actiniums gerade einmal
drei, vier Zelldurchmesser beträgt“, so der Nuklearmediziner weiter.
Bisherige Radionuklid-Therapien, die auf Actinium-225 basieren, haben
allerdings einen entscheidenden Nachteil: Die Speicheldrüsen der
Patienten nehmen es auf, eine extreme Mundtrockenheit kann die
Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen.
In dem
nun erschienenen Fachartikel, die die Wirkung der Tandem-Therapie
erstmals als Pilotstudie beschreibt, konnten die saarländischen Forscher
zeigen, dass diese Nebenwirkungen nicht mehr auftreten, wenn man
Lutetium und Actinium miteinander auf bestimmte Weise kombiniert.
„Lutetium
ist für die meisten Tumorgrößen sehr gut verträglich“, erklärt Ezziddin
den Grund dafür. „Daher konnten wir die Dosierung von Actinium in
unserem Ansatz deutlich reduzieren, so dass die Therapie sehr
nebenwirkungsarm ablaufen kann.“
Die Studie analysiert die
Erfahrungen an 20 Patienten im Alter von 57 bis 88 Jahren mit
metastasierendem Prostatakarzinom, die sich im sehr weit
fortgeschrittenem Stadium befanden und deren Tumore bereits nicht mehr
auf eine Therapie alleine mit Lutetium-177 reagiert haben.
„Diese Patienten waren also bereits sehr stark vortherapiert. Bei vielen hätte man bisher gesagt, dass man nichts mehr machen kann“, erläutert Ezziddin. Bei 14 von 20 Patienten konnte während der Behandlung mit dem Tandem-Präparat ein starker Rückgang des Tumormarkers beobachtet werden. Während das Tumorwachstum nach Beginn der Tandemtherapie auf diese Weise im Median für ca. viereinhalb Monate stabilisiert werden konnte, bevor die Erkrankung wieder voranschritt, lag die Überlebensdauer nach Beginn der Tandemtherapie im Median bei elf Monaten – und zwar ohne gravierende Einschränkungen der Lebensqualität.
Publikation:
Fadi Khreish, Niklas Ebert, Martin Ries, Stephan Maus, Florian Rosar, Hendrik Bohnenberger, Tobias Stemler, Matthias Saar, Mark Bartholomä, Samer Ezziddin: 225Ac-PSMA-617/177Lu-PSMA-617 tandem therapy of metastatic castration-resistant prostate cancer: pilot experience; European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging, https://doi.org/10.1007/s00259-019-04612-0