
Göteborg – Die Begrenzung der Prostatabiopsie auf Männer, bei denen in einer Kernspintomografie (MRT) ein verdächtiger Befund entdeckt wurde, hat in einer randomisierten Studie zum PSA-Screening die Zahl der Diagnosen von vermutlich ungefährlichen Karzinomen mit einem niedrigen Grading um mehr als die Hälfte gesenkt.
Die Vermeidung dieser Überdiagnosen hat nach den im New England Journal of Medicine (2024; DOI: 10.1056/NEJMoa2406050) publizierten Ergebnissen in den ersten Jahren nicht zu einem signifikanten Anstieg von fortgeschrittenen Prostatakarzinomen geführt, für die eine Behandlung zu spät käme.
Derzeit wird bei allen Männern, bei denen im Screening eine erhöhte PSA-Konzentration (Prostata-spezifisches Antigen) gefunden wird, eine systematische Beprobung der Prostata durchgeführt.
In der Regel ist dies eine Stanzbiopsie, die an 12 Stellen Gewebeproben entnimmt. Diese Strategie führt häufig zur Entdeckung von Tumoren mit niedriger Malignität (Grad ISUP 1). Da diese Tumoren selten oder sehr spät metastasieren, wird ihre Entdeckung auch als Überdiagnose bezeichnet.
Diesen Patienten wird heute in der Regel zu einer „Active Surveillance“ geraten. Dabei wird solange auf eine Behandlung verzichtet, bis es in weiteren Voruntersuchungen zu einem Anstieg des PSA-Werts kommt. Diese Ungewissheit ist jedoch für die betroffenen Männer schwer zu ertragen.
Viele drängen auf eine frühzeitige Operation oder auch Strahlentherapie, obwohl die radikale Prostatektomie häufig mit einer Harninkontinenz und einer Impotenz verbunden ist. Nach einer Strahlentherapie kommt es eher zu Störungen der Darmfunktion.
In einer neuen Strategie wird nach dem PSA-Test zunächst eine MRT durchgeführt. Dies hat den Vorteil, dass die Biopsien gezielt erfolgen können, was weniger schmerzhaft ist als die „blinden“ Stanzbiopsien. Es gibt allerdings viele Patienten, die trotz eines Anstiegs des PSA-Werts keine sichtbaren Läsionen in der MRT haben.
In einem günstigen Fall werden dann lediglich kleine ISUP-1-Tumore übersehen, die für die Patienten nicht gefährlich sind oder die später bei einem weiteren Anstieg des PSA-Werts noch rechtzeitig behandelt werden könnten. Im ungünstigen Fall würden in der MRT jedoch hochmaligne Tumore übersehen, für die eine verzögerte Behandlung zu spät käme.
Die GÖTEBORG-2-Studie vergleicht seit 2015 beide Strategien. 13.153 Männer im Alter von 50 bis 60 Jahren wurden auf 2 Gruppen randomisiert. Alle nahmen an einem PSA-Test teil.
In der ersten Gruppe wurde bei allen Teilnehmern mit einem PSA-Wert von 3 ng/ml oder höher eine Stanzbiopsie durchgeführt – die MRT diente nur dazu, den Befund im zweiten Schritt durch eine weitere Biopsie zu sichern. In der zweiten Gruppe wurde die Biopsie nur durchgeführt, wenn in der MRT ein Tumor zu erkennen war.
Bei den Teilnehmern mit einem niedrigeren PSA-Wert wurde das Screening nach 2, 4 und 8 Jahren wiederholt. Das Intervall richtete sich nach dem PSA-Wert.
Wie Jonas Hugosson von der Sahlgrenska Universitätsklinik in Göteborg und Mitarbeiter berichten, wurde nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,9 Jahren (ungefähr 26.000 Personenjahre in jeder Gruppe) in der MRT-Zielbiopsie-Gruppe bei 185 von 6.575 Männern (2,8 %) ein Prostatakarzinom entdeckt gegenüber 298 von 6.578 Männern (4,5 %) in der Gruppe mit systematischen Biopsien.
Hugosson ermittelt ein relatives Risiko von 0,62, das mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,52 bis 0,74 signifikant war. In der MRT-Zielbiopsie-Gruppe wurde mithin ein Drittel der Tumore übersehen.
Allerdings waren in der Gruppe mit systematischen Biopsien 159 der 298 Tumore vom ISUP-Grad 1. In der MRT-Zielbiopsie-Gruppe waren es nur 68 von 185 Tumoren. Dies ergibt ein relatives Risiko von 0,43 (0,32-0,57). Die Beschränkung der Biopsien auf Patienten mit positiven MRT-Befunden hat die Zahl der Tumore mit ISUP-Grad 1 damit um 57 % gesenkt.
In der systematischen Biopsie-Gruppe hatten 139 Tumore einen ISUP-Grad 2 oder höher. In der MRT-Zielbiopsie-Gruppe waren es 117 Tumore. Das relative Risiko betrug 0,84 (0,66-1,07). Es wurden also in der MRT-Zielbiopsie-Gruppe 16 % weniger klinisch relevante Tumore gefunden, wobei die Assoziation nicht signifikant war.
In der systematischen Biopsie-Gruppe wurden bisher 15 Krebserkrankungen im fortgeschrittenen Stadium entdeckt. In der MRT-Zielbiopsie-Gruppe waren es dagegen 23 fortgeschrittene Tumore: Ein relatives Risiko von 0,65 (0,34-1,24) bedeutet tendenziell 35 % weniger fortgeschrittene Karzinome durch systematische Biopsien. Ob sich dies günstig auf die Krebssterblichkeit auswirkt, ist bisher nicht bekannt.
Biopsien der Prostata sind schmerzhaft, und in seltenen Fällen können sie – oft wegen Infektionen – zu Komplikationen führen. In der Studie mussten insgesamt 5 Männer deswegen im Krankenhaus behandelt werden: Davon entfielen 3 auf die systematische Biopsie-Gruppe und 2 auf die Gruppe mit MRT-Zielbiopsie.
Nach Berechnungen des Editorialisten Paul Pinsky vom National Cancer Institute in Bethesda würde eine MRT-Zielbiopsie auf 1.000 Männer zu 51 weniger Biopsien und zu 14 weniger ISUP-1-Erkrankungen führen. Bei 3 von 1.000 Männern käme es zu einer verzögerten Diagnose eines Tumors vom Grad ISUP-2 oder höher, bei einen noch unklaren Einfluss auf die Überlebenschancen.
Die Einführung des MRT-Screenings wäre mit hohen Kosten verbunden. Es könnte aber auch zu Einsparungen kommen, weil weniger Biopsien und vor allem weniger Operationen notwendig würden. Eine Übersicht in European Urology Open Science (2023; DOI: 10.1016/j.euros.2023.03.010) hält es für möglich, dass dadurch am Ende Kosten eingespart werden könnten. © rme/aerzteblatt.de