mCRPC: Radiopharmazeutikum auch ohne Taxan-Vorbehandlung wirksam

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Madrid – Das kastrationsresistente metastasierte Prostatakarzinom (mCRPC) wird bislang üblicherweise mit gegen den Androgenrezeptor gerichteten Hormontherapien sowie mit Taxanen behandelt.

Als Folgebehandlung nach Versagen dieser Therapielinien ist bei Tumoren, die das Prostata-spezifische Mem­branprotein (PSMA) exprimieren, seit Kurzem das Radiopharmazeutikum 177-Lutetium(177Lu)-PSMA-617 zugelassen; beim ESMO-Kongress in Madrid konnte gezeigt werden, dass auch Taxan-naive Patienten von dieser nuklearmedizinischen Behandlungsoption profitieren (Abstract LBA13).

Das Radiopharmazeutikum 177-Lutetium-PSMA-617 besteht aus der Chelatorverbindung PSMA-617, die einer­seits durch Komplexierung das 177-Lutetium-Kation, einen Betastrahler, und andererseits an das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA), ein Transmembranprotein auf Zellen des Prostatakarzinoms binden kann. Dadurch wird die radioaktive Strahlung direkt an die PSMA-exprimierenden Zellen herangetragen und ihre DNA-schädigende Wirkung weitgehend auf das Tumorgewebe beschränkt.

177-Lu-PSMA-617 ist in Kombination mit einer Androgendeprivation (ADT) mit oder ohne Inhibition des Andro­genrezeptor-(AR-)Signalwegs zugelassen zur Behandlung PSMA-positiver, metastasierter, kastrationsresistenter Prostatakarzinome (mCRPC), die bereits mit Inhibitoren des Androgenrezeptorsignalwegs und einem Taxan behandelt wurden. In der VISION-Studie hatte das Radiopharmazeutikum in dieser Situation das progressions­freie Überleben gegenüber dem damaligen Therapiestandard von median 3,4 auf 8,7 Monate mehr als verdoppelt (NEJM; DOI: 10.1056/NEJMoa2107322).

In der Phase-3-Studie PSMAfore, die Oliver Sartor von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, beim ESMO-Kongress vorstellte, wurde 177-Lu-PSMA-617 nun bei Taxan-naiven Patienten untersucht.

Eingeschlossen wurden 468 Patienten mit PSMA-exprimierendem mCRPC, die zwar bereits eine gegen den Androgenrezeptor gerichtete, aber keine Taxan-haltige Therapie erhalten hatten. Sie bekamen randomisiert entweder 177-Lu-PSMA-617 (6 6-wöchige Zyklen à 7,4 GBq) oder im Kontrollarm eine veränderte gegen den Androgenrezeptor gerichtete Therapie (Abirateron oder Enzalutamid).

Für Patienten im Kontrollarm, die progredient waren, war ein Cross-over zu 177-Lu-PSMA-617 gestattet. Primä­rer Endpunkt war das radiologisch nach den PCWG3-Kriterien bzw. nach RECIST 1.1 bestimmte progressions­freie Überleben, die sekundären Endpunkte umfassten Gesamtüberleben (auch unter Berücksichtigung des Cross-overs), Lebensqualität und Ansprechen bzw. Dauer des Ansprechens.

Bereits bei der primären Analyse nach median 7,3 Monaten war die radiopharmazeutische Behandlung signifikant überlegen gewesen (Hazard Ratio 0,41 beim progressionsfreien Überleben; p < 0,0001), bei der von Sartor in Madrid gezeigten 2. Interimsanalyse nach median 15,9 Monaten war es mit einer HR von 0,43 (p < 0,0001) ganz ähnlich; die mediane progressionsfreie Überlebenszeit war mit 12,02 versus 5,59 Monaten verdoppelt.

Auch beim Gesamtüberleben war in der Cross-over-adjustierten Analyse ein Trend zugunsten des Radiophar­mazeutikums zu erkennen; das war im Gesamtkollektiv nicht der Fall, da 84 % der Patienten im Kontrollarm von der Cross-over-Option Gebrauch gemacht hatten. Die Ansprechrate war im 177-Lu-PSMA-617-Arm mit 41,9 % versus 12,6 % gegenüber der Kontrolltherapie mehr als verdreifacht.

Das Sicherheitsprofil der nuklearmedizinischen Therapie fiel ebenfalls vorteilhaft aus: Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 waren hier mit 34 % versus 44 % seltener, ebenso schwere Nebenwirkungen mit 20 % versus 28 %; Therapieabbrüche aufgrund von Toxizitäten waren mit 5,7 % versus 5,2 % vergleichbar häufig.

Auch bei Taxan-naiven Patienten, so Sartor, ist die 177-Lu-PSMA-617-Therapie also gegenüber einem Wechsel in der gegen den Androgenrezeptor gerichteten Therapie wirksamer – bei einem sehr günstigen Nebenwirkungsprofil. © jfg/aerzteblatt.de