Mal wieder Erfreuliches zum Schwarzen Gold

Dr. med. Thomas Kron  Medizinische Nachrichten  05.04.2022

Kernbotschaften

Die wahren Wundermittel kommen bekanntlich nicht aus den Forschungseinrichtungen der Pharmafirmen, sondern aus der heimischen Küche oder aus den Hightech-Küchen der Lebensmittelindustrie. Denn was Ernährung angeblich alles zu leisten vermag, geht weit über das hinaus, was Spinat aus dem Bizeps angeblich machen kann: Kakao, so heißt es zum Beispiel, mache schlau, Koffein schütze vor Morbus Alzheimer und Cranberries sollen, glaubt man dem „Cranberry Institute“ ähnlich wie dunkle Schokolade und Rotwein das Potenzial haben, Herz und Gefäße gesund zu halten, wie „Medscape“ (UK) kürzlich berichtet hat. 

ACC 2022: Analysen der UK Biobank

Besonders erfreulich für viele Menschen ist nun auch eine aktuelle Meldung, wonach Kaffee-Genuss ein ausnahmsweise gesundes Laster sein könne: Regelmäßiger Kaffeekonsum, insbesondere ein täglicher Konsum von 2 bis 3 Tassen, sei nicht nur sicher für das Herz , sondern könne sogar kardioprotektiv wirken, berichtet Medscape-Autorin Marlene Busko. Ergeben haben dies Analysen auf der Grundlage der prospektiven UK Biobank-Kohorte.

Menschen ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD), die 2 bis 3 Tassen täglich tranken, wiesen laut dem von Ute Eppinger übersetzten Beitrag (medscape.de) im Vergleich zu Menschen, die keinen Kaffee tranken, eine signifikante Verringerung des Sterberisikos und einer Reihe von CVD-Endpunkten auf. Das Risiko war über einen Zeitraum von 10 Jahren zwischen 8% und 15% verringert. Laut Studienautor Dr. Peter M. Kistler vom Alfred Hospital und Baker Heart and Diabetes Institute in Melbourne legten die aktuellen Analysen nahe, dass „vom täglichen Kaffeekonsum nicht abgeraten werden, sondern dieser vielmehr als Teil einer gesunden Ernährung betrachtet werden sollte“. Kistler stellte einige der Daten im Vorfeld des aktuellen ACC-Kongresses in Washington vor.

U-förmige Zusammenhänge

Die Teilnehmer der UK Biobank-Studie, die im Durchschnitt Ende 50 waren, gaben in Fragebögen an, wie viel Kaffee sie täglich konsumierten und welche Art des Getränks sie bevorzugten. Die Forscher beobachteten U-förmige Zusammenhänge zwischen der täglichen Zahl von Tassen Kaffee und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit (KHK), Schlaganfall, Vorhofflimmern, Herzrhythmusstörungen und Tod über einen Zeitraum von 10 Jahren. U-förmig bedeutet, dass sowohl Patienten, die weniger als 3 Tassen am Tag trinken, als auch Patienten, die mehr als 3 Tassen am Tag trinken, ein erhöhtes Risiko aufweisen.

„Ich glaube, das ist Musik in den Ohren vieler unserer Patienten und auch vieler Kardiologen, denn diejenigen von uns, die früh aufstehen und lange im Krankenhaus bleiben, konsumieren viel Kaffee“, so Dr. Katie Berlacher, stellvertretende Leiterin der kardiologischen Ausbildung am University of Pittsburgh Medical Center in Pennsylvania. Wichtig sei jedoch, dass „diese Studien keine Kausalität belegen“, fügte sie hinzu. „Wir können also nicht so weit gehen, den Kaffeekonsum zu empfehlen, obwohl man sagen könnte, dass randomisierte prospektive Studien durchgeführt werden sollten, um die Kausalität zu klären.“

Die wichtigsten Daten

Die Forscher schlossen in ihre Analyse 382 535 Teilnehmer der britischen Biobank-Kohorte ein, die bei Studienbeginn frei von CVD waren. Ihr Durchschnittsalter lag bei 57 Jahren, und 52% waren Frauen. Diejenigen, die angaben, regelmäßig zwei bis drei Tassen Kaffee pro Tag zu trinken, wiesen im Vergleich zu denjenigen, die keinen Kaffee tranken, über einen Zeitraum von 10 Jahren ein signifikant geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, KHK, Herzversagen, Herzrhythmusstörungen und Tod aus jeglicher Ursache auf (p < 0,01 für alle Endpunkte). Die Hazard Ratios (HR) und Konfidenzintervalle (95%) waren:

  • HR: 0,91; 95% KI, 0,88-0,94 für CV-Erkrankungen
  • HR: 0,90; 95% KI, 0,87-0,93 für KHK
  • HR: 0,85; 95% KI, 0,81-0,90 für Herzinsuffizienz
  • HR: 0,92; 95% KI, 0,88-0,95 für Herzrhythmusstörungen
  • HR: 0,86; 95% KI, 0,83-0,90 für Tod aus jeglicher Ursache

Das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, war bei einer Tasse Kaffee pro Tag am niedrigsten (HR: 0,83; 95% KI: 0,75-0,93). Das Risiko eines Schlaganfalls war bei weniger als einer Tasse pro Tag am niedrigsten (HR: 0,85; 95% KI: 0,75-0,96).

Kaffee zur Prävention empfehlenswert?

So erfreulich die Botschaft sein mag: So ganz neu ist sie allerdings nicht. Vor knapp zwei Jahren haben Wissenschaftler aus Singapur und Boston die internationale wissenschaftliche Literatur zu den gesundheitlichen Effekten von Kaffee und Koffein durchforstet und ihre Ergebnisse in einem umfangreichen Beitrag im „New England Journal of Medicine“ dargestellt. 

Es gebe zahlreiche Belege dafür, dass der Konsum von koffeinhaltigem Kaffee das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs nicht erhöhe, so die Autoren. So sei der Konsum von 3 bis 5 Standardtassen Kaffee pro Tag mit einem geringeren Risiko für mehrere chronische Krankheiten in Verbindung gebracht worden. Und in mehreren Kohortenstudien sei eine Assoziation zwischen dem Konsum von 2 bis 5 Standardtassen Kaffee pro Tag und einer geringeren Sterberate festgestellt worden. Die derzeitigen Erkenntnisse sprächen jedoch nicht für eine Empfehlung des Koffein- oder Kaffeekonsums zur Krankheitsvorbeugung, sondern legten nahe, dass ein mäßiger Kaffee- oder Teekonsum für Erwachsene, die nicht schwanger seien oder stillten und keine besonderen gesundheitlichen Probleme hätten, Teil einer gesunden Lebensweise sein könne.

Zudem gilt auch für Kaffee und Koffein die alte Weisheit, dass es auf die Dosis ankommt, ob die Gesundheit davon profitiert oder nicht, ob das Leben verlängert wird oder verkürzt. Ein hoher Koffeinkonsum könne verschiedene unerwünschte Wirkungen haben, warnen daher die Autoren der Übersichtsarbeit im „New England Journal of Medicine“. Für Erwachsene, die nicht schwanger seien oder stillten, werde daher ein Grenzwert von 400 mg Koffein pro Tag und für schwangere und stillende Frauen ein Grenzwert von 200 mg pro Tag empfohlen. 

Außerdem: Man kann sich auch mit Koffein das Leben nehmen oder versuchen, das Leben zu nehmen, wie die Krankengeschichte eines jungen Mannes zeigt, die japanische Ärzte kürzlich geschildert haben: Der 18-jährige, nur kapp 59 Kilogramm schwere Mann hatte versucht, sich durch Einnahme von 60 Tabletten mit insgesamt 6000 Milligramm Koffein das Leben zu nehmen. Den japanischen Ärzten gelangt es zum Glück, das Leben des 18-Jährigen zu retten. 

Der auf medscape.de erschienene Artikel zum kardiovaskulären Nutzen von Kaffee wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.co.uk/ übersetzt und adaptiert