Wie ansteckend es ist, Kinder zu bekommen?
Dr. med. Thomas Kron Smalltalk 17.02.2020
Kernbotschaften
Soziale Kontakte und „Netzwerke“ wie Familie und Arbeitskollegen können großen Einfluss auf die Entscheidung haben, ein Kind zu bekommen. Dabei gibt es sogar sogenannte Spillover-Effekte über Netzwerkgrenzen hinweg: Wird eine Person von Kolleginnen oder Kollegen mit dem Kinderwunsch angesteckt, beeinflusst sie wiederum ihre Geschwister. Und diese haben Einfluss auf ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen, wie eine Studie von Wissenschaftlern der Universität von Bamberg zeigt.
Relevante Mechanismen: etwa sozialer Drucke und soziales Lernen
Dass soziale Interaktionen den Kinderwunsch beeinflussen, ist schon länger bekannt. Dabei spielen mehrere Mechanismen eine wichtige Rolle: soziales Lernen, soziale Unterstützung und „Ansteckung“ (contagion) sowie sozialer Druck. Die Bamberger Forscher wollten nun weitere Erkenntnisse zu den sozialen Wechselwirkungen innerhalb von Netzwerken und zwischen Netzwerken gewinnen. Dazu haben sie Daten aus dem ‚System of Social Statistical Datasets‘ (SSD) ausgewertet; dabei handelt es sich um eine Datenquelle, in der verschiedene Registerdaten aller Einwohner der Niederlande verknüpft sind. Der Datensatz enthält Angaben über Geschwister und über Arbeitgeber, sodass das Forschungsteam beide Bereiche miteinander verbinden konnte.
Wechselwirkungen der Netzwerkgrenzen hinweg
„Mit den Daten konnten wir zeigen: Es ist wahrscheinlicher, ein Kind zu bekommen, wenn Geschwister, Kolleginnen und Kollegen eines bekommen“, resümiert Professor Dr. Henriette Engelhardt-Wölfler. „Darüber hinaus konnten wir erstmals sogenannte Spillover-Effekte über Netzwerkgrenzen hinweg nachweisen.“ Umgekehrt bekommen Personen im gebärfähigen Alter, die kaum Geburten in ihrem Umfeld miterleben, mit niedrigerer Wahrscheinlichkeit Kinder. Die Mechanismen, die der Ansteckung zugrunde liegen, konnten mit den vorliegenden Daten nicht detailliert untersucht werden. Die Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass Frauen stärker von den sozialen Interaktionen beeinflusst werden als Männer. Dieses Ergebnis haben Engelhardt-Wölfler und ihre Kollegen erwartet, da Mechanismen wie soziales Lernen und soziale Unterstützung für Frauen relevanter seien als für Männer. Auch habe sozialer Druck auf Frauen mehr Einfluss.
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 100.000 Euro gefördert.