Berlin – Versicherte und Angehörige sollen auf einem neuen Meldeportal die aus ihrer Perspektive kritischen Vorfälle und Probleme bei der Versorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen melden können.
Auf dem neu eingerichteten Internetportal www.mehr-patientensicherheit.de sollen alle Versicherten kritische sowie positive Ereignisse in der Versorgung anonym und in strukturierter Form berichten. Beispielhaft sollen dann die anonymisierten Fallberichte veröffentlicht werden, hieß es heute bei der Vorstellung des Portals.
Finanziert wird dieses zweijährige Pilotprojekt vom Verband der Ersatzkassen (vdek) mit seinen Mitgliedskassen TK, Barmer, DAK-Gesundheit, KKH, hkk und der HEK. Betrieben wird das Portal von der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit (DGPS), die dafür ein Budget von 300.000 Euro bekommt. Damit sollen etwa 600 Fälle bearbeitet werden können.
In dem neuen Portal sollen Patientinnen und Patienten sowie Angehörige in Anlehnung an die bereits etablierten Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) ihre Erfahrungen im Gesundheitswesen teilen und im besten Fall zu einer Verbesserung des Systems beitragen.
Das System solle explizit kein „Kummerkasten“ oder „Meckerportal“ werden, betonten die Initiatoren, Kassenverbandsvorsitzende Ulrike Elsner sowie Marcus Rall, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit.
Unterstützung für das Portal gibt es vom Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD): Dass Patientinnen und Patienten nun eine Möglichkeit bekommen, „ihre Beobachtungen, ihr Erleben von kritischen Ereignissen und Fehlern, melden zu können, ist eine alte Forderung, die von einigen Patientenorganisationen schon bei der Einführung der Fehlermeldesysteme in den Krankenhäusern erhoben worden ist“.
Die Deutsche Gesellschaft für Patientensicherheit, die das Portal betreibt, betont, dass ein Expertenteam aus ihren Reihen die eingegangenen Meldungen begutachtet und nach einem Vier-Augen-Prinzip anonymisiert. Außerdem werde der Fall mit den Fachleuten analysiert und entsprechend veröffentlicht. Dabei gehe es darum, aus den Fällen zu lernen und „nicht erneut in die Fehlerfalle zu tappen“, betonte Geschäftsführer Rall.
Bei der Veröffentlichung soll es auch für Patientinnen und Patienten Hinweise geben, wie sie sich in den beschriebenen Situationen besser verhalten können. Die Information über die anonymen Fälle sollen auch an die Leistungserbringerorganisationen weitergeleitet werden, heißt es.
Bei der Bearbeitung der etwa 600 Fällen, die in dieser Pilotphase des Projektes erwartet werden, zähle aber „nicht die Fallzahl als Teil der Qualität, sondern ob aus den Fällen eine Optimierung der Versorgung“ abgeleitet werden kann, betont Rall.
Auch für den Patientenbeauftragten ist es wichtig, dass mit dem nun gestarteten Portal „Systemverbesserungen erreicht werden, und es nicht um die individuelle Beschwerde des Einzelfalles“ geht. Für vermutete Behandlungsfehler gebe es auch viele andere Institutionen, darunter die Ärztekammern, die sich um die Fälle kümmerten. Er forderte auch die anderen Krankenkassen auf, sich an diesem Portal zu beteiligen.
Lob und Kritik an der Einrichtung des Portals äußerten gleich mehrere Akteure: So begrüßte der Medizinische Dienst Bund die Initiative für das System. „Positiv ist, dass mit dem neuen Angebot mehr Transparenz zur Patientensicherheit geschaffen wird”, sagte Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund.
Mahnende Worte an das neue Portal kommen von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG): „Wichtig ist, dass dieses Meldesystem zu Verbesserungen führt und nicht zu einem weiteren Meckerkasten oder Pranger wird“, erklärte DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß.
Er wies darauf hin, dass die DKG gemeinsam mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat mit dem Krankenhaus-CIRS bereits ein flächendeckendes Melde- und Lernsystem für Fehler bei der stationären Behandlung betreibe. Dies sei unter www.kh-cirs.de auch öffentlich einsehbar, so Gaß. Die Meldungen im neuen vdek-System müssten „von Fachleuten ausgewertet und Schlussfolgerungen gezogen werden.“
Aus der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV) hieß es, es werde ein „Angebot ohne Mehrwert und klaren Nutzen“ geschaffen. Für den Fall, dass Patienten oder Angehörige negative Erfahrungen im Rahmen einer ärztlichen Behandlung gemacht hätten, gäbe es bereits etablierte Wege, um Probleme aufzuarbeiten und zu konstruktiven Lösungen zu gelangen. © bee/aerzteblatt.de