Impfanreize für Impfmuffel: von Bargeld über Donuts bis zu Joints und Waffen

  • Sebastian Schmidt 10.08.2021

Gerade steigt die Zahl der Infektionen weltweit. Die Reaktion vieler Länder: Unentschiedene jetzt schnell vom Impfen überzeugen. Welche Maßnahmen diskutiert werden und welche Probleme es dabei geben könnte. Einige Länder setzen auf neue Ideen, um möglichst viele Menschen mit ihrem Impfangebot gegen das SARS-CoV-2-Virus zu erreichen. Manche dieser Methoden sind umstritten.

Kreative Anreize für eine höhere Impfquote

So bekommen Impflinge in den USA beispielsweise Bargeld, Donuts, Angel- und Jagdlizenzen, Eintritt in Museen, Zoos, Konzerte oder ein Sportspiel geschenkt. Der Bundesstaat New Jersey lockt seine Bürger mit einer Kampagne „Shot and a beer“, nachdem der abstinente Präsident Joe Biden mit dem Ausspruch „Get a shot and have a beer“ die Bevölkerung ermutigt hatte, sich impfen zu lassen. Andere Bundesstaaten fahren härtere Geschütze auf und werben mit Joints und Waffen als Lotteriegewinn.

In vielen Ländern weltweit locken die offiziellen Stellen mit Lotteriegewinnen, so beispielsweise in Polen, Tschechien, der Slowakei und in manchen US-Bundesstaaten. In Thailand ist es möglich eine Kuh zu gewinnen, während in Hongkong Goldbarren und ein Elektroauto der Marke Tesla im Lotterietopf sind. In Rumänien setzt man auf Atmosphäre und piekst im Dracula-Schloss in Transsylvanien, das zu einem Impfzentrum erklärt wurde.

Diskussion um Impfprämie in Deutschland

Währenddessen wird auch in Deutschland über Anreize diskutiert, nicht zuletzt über eine Art Impfprämie. Vorschläge von 50, 100 und sogar 500 Euro stehen im Raum, um die vom Robert Koch-Institut als Ziel gesetzte Marke von 85% bei Kindern ab 12 und Erwachsenen zu erreichen.

So sprach sich die Ökonomin Nora Szech dafür aus, 500 Euro als Prämie auszuzahlen. Studien hätten gezeigt, dass nur so die erforderliche Impfquote erreicht werden könne. Schon bei 100 Euro gehe die Impfbereitschaft Richtung 80%, sagte Szech gegenüber dem Deutschlandfunk .

Ethische Fragen, die gegen Impfanreize sprechen

Zugleich gibt es Stimmen, die insbesondere Bargeld, aber auch andere Impfanreize für den falschen Weg halten, um eine höhere Durchimpfung in der Bevölkerung zu erreichen.

Gegenüber dem British Medical Journal äußerte die Rechtswissenschaftlerin Ana Santos Rutschman ernsthafte Bedenken, weil die Bezahlung von Menschen „vor dem Hintergrund einer Pandemie, die durch die miteinander verwobenen Phänomene der gesundheitlichen Fehlinformation und des Misstrauens in die Gesundheitsbehörden gekennzeichnet ist, unerwünscht ist. Auch über den Kontext von COVID-19 hinaus ist das Bezahlen für Impfungen eine fragwürdige Gesundheitspolitik, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in Impfstoffe nicht wiederherstellen kann.“

Allyson Pollock leitet das Centre for Excellence in Regulatory Science der Universität Newcastle. Sie nimmt klar Stellung: „Diese Programme sind die Antithese einer guten öffentlichen Gesundheitspraxis und basieren auf kommerziellen Interessen, nicht auf der öffentlichen Gesundheit. Vielmehr sollte die Impfpolitik auf Information, Vertrauen und Zustimmung aufgebaut sein und nicht auf Zwang und Bestechung.“

Hohe Prämien könnten für mehr Misstrauen sorgen

In der New York Times schrieben der Verhaltensökonom George Loewenstein und ein Kollege bereits im Jahr 2020: „Menschen reagieren auf Anreize nicht wie Ratten, die für Futter einen Hebel drücken; sie versuchen zu interpretieren, was das Angebot einer Zahlung bedeutet. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass das Angebot impliziert, dass der Impfstoff nicht von Wert ist.“

Höhere Prämien für einen vollständigen Impfschutz könnten also durchaus auch zum gegenteiligen Effekt führen, weil die Menschen dadurch der Impfung misstrauen und negative Impfnebenwirkungen befürchten könnten.

Keine Belohnung, sondern drohende Strafen

Doch nicht überall setzen die Verantwortlichen auf Belohnung, oftmals werden auch Strafdrohungen ausgesprochen. Auch in Deutschland hatte es Anfang Juli Diskussionen um Strafen gegeben. Allerdings ging es dabei um Strafen für Impfschwänzer, die Bundesregierung hatte sich letztlich dagegen entschieden.

Konsequenzen müssen Menschen indes andernorts fürchten. So sind Angestellte im öffentlichen Sektor in Moskau, San Francisco und Saudi-Arabien zur Impfung verpflichtet. Auch in Frankreich war zuletzt eine Impfpflicht für im Gesundheitswesen Tätige beschlossen worden. Gewohnt drastisch motivierte der Präsident der Philippinen Rodrigo Duterte die Bevölkerung des Landes: „Lassen Sie sich impfen oder ich bringe Sie ins Gefängnis.“

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .