Immuntherapie: Antikörper-Bausatz gegen Tumore

 Origami auf DNA-Ebene steht im Zentrum der neu entwickelten Programmable T-cell Engagers (PTEs). Bild: ©300_librarians – stock.adobe.com

Eine neue Studie zeigt das Potenzial künstlich erzeugter DNA-Strukturen, die mit Antikörpern bestückt werden und das Immunsystem gezielt gegen Krebszellen richten.

Immuntherapien gelten im Kampf gegen den Krebs als besonders vielversprechend. Ein Team aus Forschenden der LMU, der Technischen Universität München (TUM) und von Helmholtz München hat nun eine neue Studie im Fachmagazin „Nature Nanotechnology“ veröffentlicht, in der sie eine aussichtsreiche Methode zur Entwicklung benutzerdefinierter Wirkstoffe vorstellen, die genau das können.

„Im Zentrum steht dabei ein winziges Fahrgestell aus gefalteten DNA-Strängen, das wir gezielt mit beliebigen Antikörpern bestücken können“, erklärt Prof. Sebastian Kobold, einer der Hauptautoren. Sein Team hat am Klinikum der LMU untersucht, wie die neuartigen Trägerstoffe im Reagenzglas und im lebenden Organismus wirken.

T-Zellen rekrutieren mit DNA-Origami

Die Programmable T-cell Engagers (PTEs) entstehen durch DNA-Origami, eine Nanotechnologie, bei der selbstfaltende DNA-Stränge sich zu einer, zuvor am Computer simulierten, Struktur zusammenfügen. Sie sind so konzipiert, dass man an mehreren Positionen verschiedene Antikörper anbringen kann. Auf der einen Seite fügt man Antikörper hinzu, die spezifisch an bestimmte Tumorzellen binden und auf der anderen Seite solche, die von den T-Zellen des Immunsystems erkannt werden. Die T-Zellen zerstören daraufhin die so markierten Zellen.

„Auf diese Weise können wir eine Vielzahl verschiedener PTEs herstellen und sie so anpassen, dass wir eine bestmögliche Wirkung erzielen“, erklärt Dr. Adrian Gottschlich, einer der Erstautoren der Studie. „Sie bieten theoretisch grenzenlose Kombinationen und sind daher eine vielversprechende Plattform für die Krebstherapie.“

Für die Studie erzeugten die Wissenschaftler 105 verschiedene Antikörperkombinationen und testeten im Reagenzglas, wie spezifisch sich diese jeweils an die Zielzellen heften und wie erfolgreich sie darin sind, T-Zellen zu rekrutieren. Die Kombinationen konnten dabei modular und ohne das bisher sehr aufwendige Optimieren der Antikörper erzeugt werden. Dabei konnten die Forschenden nachweisen, dass nach 24 Stunden mehr als 90 Prozent der Krebszellen zerstört waren.

Um zu prüfen, ob das auch im lebenden Organismus funktioniert, untersuchten Kobold und seine Kollegen außerdem, ob die PTEs auch im Körper lebender Organismen Krebszellen erkennen und ihre Zerstörung anregen. „Wir konnten belegen, dass unsere PTEs aus DNA-Origami-Strukturen auch in vivo funktionieren“, sagt Gottschlich.

Vielseitig und benutzerdefiniert

Dank der Möglichkeit, mehrere verschiedene Antikörper gleichzeitig einzubauen, könne man sehr viel präziser Tumorzellen ansteuern und die Aktivierung des Immunsystems besser kontrollieren. Das helfe dabei, die Erfolgschancen bei der Krebsbehandlung zu erhöhen, zielgenauer zwischen kranken und gesunden Zellen zu unterscheiden und damit Nebenwirkungen zu minimieren.

Angesichts der Modularität, der Anpassungsfähigkeit und des hohen Grades an Adressierbarkeit der DNA-Origami-Technologien erwarten die Forscher, dass in Zukunft eine breite Palette komplexer und sogar logikgesteuerter Trägerplattformen für die Immuntherapie entwickelt werden kann. Die beteiligten TU-Wissenschaftler Dr. Klaus Wagenbauer, Dr. Benjamin Kick, Dr. Jonas Funke und Prof. Hendrik Dietz gehören zu den Gründern der Plectonic Biotech GmbH, welche die Technologie hinter den PTEs weiterentwickeln und vermarkten möchte. Kobold ist zuversichtlich: „Wir glauben, dass unsere Ergebnisse die klinische Anwendung von DNA-Nanotechnologien ermöglichen und das Potenzial von biomolekularen Engineering-Strategien auf DNA-Origami-Basis für medizinische Anwendungen aufzeigen werden.“

 Über

Wagenbauer KF et al. Programmable multispecific DNA-origami-based T-cell engagers. Nature nanotechnology 17.08.2023; doi.org/10.1038/s41565-023-01471-7

 Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, 17.08.2023