Die klassische TURP – immer noch Goldstandard oder aussterbender Ausbildungseingriff?

Aus UroForum Heft 01/2025

Rolf Muschter

Abb. 1: TURP – realitätsnahes Training am Simulator

Die transurethrale Resektion der Prostata ist seit vielen Jahrzehnten ein etabliertes Verfahren zur operativen Therapie der benignen Prostatahyperplasie (BPH) bzw. des benignen Prostatasyndroms (BPS). Lange Zeit galt sie – ergänzt durch die transurethrale Inzision der Prostata (TUIP) für „kleine“ und die offen-chirurgische Adenomenukleation für „große“ Prostatae – als Goldstandard der Therapie des BPS.

Abb. 1: TURP – realitätsnahes Training am Simulator
Abb. 1: TURP – realitätsnahes Training am Simulator

Zwar bestanden allgemein anerkannte Einschränkungen des Indikationsbereiches bzw. der Anwendung der TURP, sodass in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl neuer Verfahren konzipiert, modifiziert sowie klinisch geprüft und in der klinischen Routine eingesetzt wurden, doch bedurfte es einer langen Entwicklung, bis sich wenige Konzepte durchsetzen konnten.
Angesichts der zunehmenden Anzahl überzeugender operativer und minimal-invasiver Alternativen, die mit geringeren Risiken und / oder anderen Vorteilen gegenüber der klassischen TURP einhergehen, stellt sich die Frage, ob die TURP der angestammten Rolle des Goldstandards oder des Referenzverfahrens noch gerecht wird und nicht längst neue Standards gesetzt wurden. Daraus folgt auch die Frage nach dem zukünftigen Stellenwert der klassischen TURP.

Historischer Kontext der TURP

Auch wenn in der Geschichte der moderneren Medizin der transurethrale Zugangsweg der offenen Operation der Obstruktion der unteren Harnwege zeitlich vorausging, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts die offene Operation Methode der Wahl. Bis zur Entwicklung der TURP bedurfte es der Erfindung der Zystoskopie und der Elektrochirurgie und vieler Vorgänger der transurethralen Operation, bis Stern und McCarthy ein Resektoskop vorstellen und die TURP durchführen konnten. Die Einführung der TURP revolutionierte die Therapie der Obstruktion der unteren Harnwege, und entwickelte sich aufgrund zahlreicher Modifikationen, Ergänzungen und Verbesserungen zur dominierenden Therapie, auch in Deutschland.

Auch in der jüngeren Vergangenheit zeigten technische Innovationen neue Wege, die „klassische“ TURP zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Meilensteine waren die Video-TURP und zuletzt die bipolare TURP. Durch die kontinuierliche Verbesserung der Geräte und Technik konnten mit der TURP weiterhin gute Therapieergebnisse bei abnehmender methodenbedingter Morbidität erreicht werden.

Die Rolle der TURP in der Gegenwart

Trotz der Entwicklung neuer Verfahren blieb die TURP, meist in Form der bipolaren TURP, weltweit in vielen Kliniken der bevorzugte chirurgische Eingriff zur Therapie des BPS, insbesondere bei den besonders häufigen „mittelgroßen“ Prostatae von ca. 30 bis 60 ml, die – oft nach längerer medikamentöser Therapie – mit mittlerer oder schwerer Symptomatik einhergehen und für die die neueren minimal-invasiven Verfahren als weniger effektiv oder ­geeignet erscheinen. Wie in den verschiedenen Leitlinien berichtet, beweist die umfangreiche Evidenz eine sehr gute Wirkung auf die Symptomatik und Obstruktion mit nachhaltiger Besserung der Lebensqualität, akzeptabler Komplikationsrate und geringer Rate von Rezidiven / Retherapien.

Bei genauer Betrachtung publizierter Qualitätsberichte und Abrechnungsdaten der Kranken­kassen zeigt sich allerdings eine große Heterogenität der Ergeb­nisse verschiedener Krankenhäuser bzw. der dort tätigen Operateure. Somit gibt es auch einige Nachteile, die mit der TURP verbunden sind, offensichtlich methodisch bedingt. Dazu gehören das Risiko perioperativer Komplikationen, wie Blutungen und Harnwegsinfektionen, sowie die relativ lange Dauer der postoperativen Katheterversorgung und die längerer Krankenhausverweilzeit.
Reproduzierbar gute Ergebnisse und niedrige Komplikationsraten werden unbestritten nur von Operateuren mit großer Expertise und täglicher Routine erreicht, die nur nach „langer“ Lernkurve erreicht wird. Die TURP ist kein Eingriff, der nach Beobachtung einiger Eingriffe autodidaktisch erlernt werden kann, sondern erfordert lange intensive Supervision. Der Grund dafür ist in erster Linie die methodisch bedingte Blutung, die meist mit starker Beeinträchtigung der Sicht verbunden ist.

Moderne Alternativen

Abb. 2: TURP-Simulator. Zusatzmonitor, der im Simulatortraining Fortschritt und Tiefe der Resektion zeigt, Informationen, die in der Realität nicht verfügbar sind.

Eine „kürzere“ Lernkurve wohnt ­Alternativen inne, die methodisch bedingt mit geringerer intraoperativer Blutung einhergehen (z. B. Greenlight-Laser, Wasserdampf-­Ablation, Urethro-pruostatischer Lift) oder die nicht mittels transurethraler Sichtkontrolle gesteuert werden (z. B. Wasserstrahl-Ablation, Prostata-Arterien-Embolisation).

Die verschiedenen Verfahren, mit denen eine Adenomenukleation auf transurethralem Weg erreicht wird (z. B. Holmiumlaser-Enukleation der Prostata, Thulliumlaser-Enukleation der Prostata), gehen zwar ebenfalls mit geringerer intraoperativer Blutung einher, erfordern aber eine lange Lernkurve und intensive Supervision, auch für den erfahrenen Operateur. Die Evidenz ist allerdings eindeutig. Die transurethrale bzw. endoskopische Enukleation ist der TURP hinsichtlich der klassischen Kontroll-Parameter der Besserung der Symptomatik und der Lebensqualität, der maximalen Harnflussrate, des Restharns und des Prostata­volumens in randomsierten Studien zumindest ebenbürtig, hinsichtlich der Komplikationen überlegen. Zusätzlich werden Limitationen des Indikationsbereichs vermieden, ebenso wird die invasive offene Enuklea­tion nahezu entbehrlich.

Einer der Gründe, der TURP gegenüber der transurethralen Enukleation trotz deren unbestreitbarer Vorteile weiterhin den Vorzug zu geben, dürfte mit der Lernkurve begründet sein. Den potenziellen Vorteilen, die ein TURP-Experte mit der Umstellung auf eine endoskopische Enukleation langfristig erreichen kann, stehen die Nachteile der schlechteren Ergebnisse und höheren Komplikationsraten während der Lernphase gegenüber. Dazu kommt die Notwendigkeit hoher Investitionen und höherer Kosten für Verbrauchsmaterialien. Als Konsequenz ergibt sich für viele Kliniken und Operateure, die TURP als Standard beizubehalten und durch eines oder mehrere der relativ rasch erlernbaren minimal-invasiven Verfahren zu ergänzen.

Die TURP in der Ausbildung

Die meisten urologischen Operationen verwenden den natürlichen und damit definitionsgemäß wenig bzw. minimal invasiven transurethralen Zugangsweg. Die dabei erforderliche Resektion und die Koagulation wurden „traditionell“ mit elektrochirurgischen ­Instrumenten durchgeführt. Die TURP hatte somit einen zentralen Platz in der urologisch-chirurgischen Ausbildung.

Mit der TURP wurde die solide Grundlage der endurologischen Therapie gelegt und eine Vielzahl technischer Fertigkeiten vermittelt, darunter die Handhabung von Resektoskopen, die Kontrolle von Blutungen und das Erkennen und Behandeln intraoperativer Komplikationen. Bisher war die Beherrschung der TURP die Voraussetzung, alternative Verfahren anwenden zu können.

Wird jedoch die These zugelassen, dass die TURP durch die neuen minimal-invasiven und vor allem die äquieffektiven bzw. überlegenen operativen Verfahren nicht nur ergänzt, sondern ersetzt wird, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit, Operateuren aufwendig und mit langer Lernkurve die Expertise in einem Operationsverfahren zu vermitteln, das zwar grundlegende und notwenige Fertigkeiten zur Durchführung anderer transurethraler Eingriffe vermittelt, aber selbst in den Hintergrund rückt, wenn nicht sogar obsolet wird.

Ethisch wäre kaum zu vermitteln, dass Patienten eine höhere Komplikationsrate, erst recht in der Lernphase, zugemutet wird, damit Operateure ein Operationsverfahren erlernen, das nur noch im Einzelfall praktiziert werden wird. Die TURP selbst kann in der modernen Zeit ebenso nahezu ausschließlich mit Simulator-Trainingsmodellen erlernt werden, die bisher mit dem Erlernen der TURP verbundenen operativen Grund­lagen ließen sich – nach entsprechender evolutionärer Entwicklungsphase – bezüglich der Elektrochirurgie auch mit der transurethralen Resektion von Blasentumoren und bezüglich der Prostataeingriffe auch mit der transurethralen Enukleation der Prostata erlernen und üben.

Fazit: Die TURP in der Zukunft

Es ist zu erwarten, dass sich der ­gegenwärtige Zustand der Ko-Existenz der TURP und der transurethralen Enukleation der Prostata (TUEP) mittelfristig behaupten wird. Mit der zunehmenden Akzeptanz der TUEP werden zukünftige Generationen von urologischen Operateuren primär dieses Verfahren erlernen, mit einer zunehmenden Zahl standardisiert ausgebildeter und routinierter Experten.
Die Technik der transurethralen Elektro-Resektion wird die TUEP auch zukünftig begleiten, doch kann vermutet werden, dass langfristig der klassischen transurethralen Resektion der Prostata – wie bereits der offenen Enukleation der Prostata – nur noch eine marginale Funktion zukommt.