COVID-19: kontroverse Debatten um Inzidenz, Auffrischimpfungen und kostenlose Tests

Dr. med. Thomas Kron  Aktuelles im Fokus  30.07.2021

Die 7-Tage-Inzidenz steigt in Deutschland seit drei Wochen und liegt aktuell bei 16. RKI-Chef Lothar Wieler und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn haben angeblich unterschiedliche Ansichten zur Bedeutung der Sieben-Tage-Inzidenz als Richtwert in der Pandemie. „Mit steigender Impfrate verliert die Inzidenz an Aussagekraft”, sagte Spahn der „Bild”-Zeitung. Daher brauche es „zwingend weitere Kennzahlen, um die Lage zu bewerten“. Wieler habe zum einen behauptet, dass die vierte Welle bereits begonnen habe, und zum anderen eine Niedrig-Inzidenz-Strategie gefordert und weiterhin auf der Inzidenz als Richtwert beharrt. Sie bleibe „wichtig, um die Situation in Deutschland zu bewerten und frühzeitig Maßnahmen zur Kontrolle zu initiieren“, wird Wieler zitiert. 

Auffrischimpfungen in Israel und neue Daten von Pfizer

In Israel könnte laut der Nachrichtenseite „ynet“ demnächst mit  Auffrischungsimpfungen bei Erwachsenen begonnen werden. Das habe Professor Prof. Nachman Ash vom israelischen Gesundheitsministerium angekündigt. Ab Sonntag sollen über 60-Jährige eine dritte Impfung angeboten bekommen. Voraussetzung für die Booster-Impfung sei, dass die Injektion der zweiten Dosis des mRNA-Impfstoffes (Biontech/Pfizer) mindestens fünf Monate zurückliege. Eine Zulassung für eine Auffrischimpfung gibt es jedoch in Israel ebenso wie in anderen Ländern nicht. 

Für eine solche Auffrischimpfung haben sich, wie berichtet, vor einigen Wochen Pfizer/Biontech ausgesprochen. Von den zuständigen Behörden in den USA und auch von vielen Wissenschaftlern ist eine solche Boosterung jedoch bisher abgelehnt worden. Pfizer und Biontech haben dazu nun neue Daten publiziert. In einer online veröffentlichten Studie, die aber noch nicht begutachtet oder in einer Fachzeitschrift publiziert wurde, berichteten Wissenschaftler der beiden Unternehmen, dass der Impfstoff in den ersten zwei Monaten nach der zweiten Dosis eine Wirksamkeitsrate von etwa 96 Prozent gegen COVID-19 habe. Danach sei der Wert jedoch alle zwei Monate um etwa sechs Prozentpunkte gesunken und habe nach vier bis sechs Monaten bei knapp 84 Prozent gelegen. Der Schutz vor schweren COVID-19-Verläufen sei allerdings mit etwa 97 Prozent weiterhin sehr hoch geblieben.

„Dieser Rückgang ist sehr gering – ich würde nicht sagen, dass er nachlässt”, wird Akiko Iwasaki, Immunologin an der Universität Yale, in der „New York Times“ zitiert. Die Daten sprechen nach ihrer Ansicht nicht für Auffrischimpfungen der Allgemeinbevölkerung.

Diskussion um Tests und Kostenübernahme

Die Frage, ob eine Auffrischimpfung notwendig oder sinnvoll sei, wird auch in Deutschland diskutiert. Doch im Vordergrund steht derzeit eher die Frage, was gegen die Impfmüdigkeit getan werden könnte, die das Impftempo seit einiger Zeit bremst. Manche Politiker setzen bekanntlich auf Druck:  So fordert etwa Vizekanzler Olaf Scholz, einen „Zeitpunkt in naher Zukunft“ zu finden, ab dem Nichtgeimpfte die Kosten für Tests selbst übernehmen und nicht mehr der Staat. Immerhin koste ein Schnelltest zwischen 10 und 15 Euro, ein PCR-Test knapp 60 Euro. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat kürzlich ein Ende der kostenlosen Schnelltests für Nichtgeimpfte „empfohlen“. 

Bundesinnenminister Horst Seehofer ist Medienberichten zufolge jedoch strikt dagegen. Wie er in der „Mittelbayerischen Zeitung“ sagte, würde er nichts an der Kostenfreiheit ändern, solange die Pandemie anhalte. Seehofer: „Ich möchte, dass denen, die weder geimpft noch genesen sind, die Chance des Tests bleibt“.

Ivermectin gegen COVID-19: kein belegter Nutzen

Laut einem neuen Cochrane Review gibt es bislang keine überzeugenden Studiendaten, die einen Nutzen von Ivermectin gegen COVID-19 belegen. Allerdings sei die Evidenzlage noch unsicher, aktuell laufende Studien würden hier hoffentlich bald für Klarheit sorgen, heißt es in einer Mitteilung von Cochrane Deutschland. Die Autoren des Cochrane Review haben 14 kontrollierte Studien mit insgesamt 1678 Teilnehmern ausgewertet. Verglichen mit Placebo oder einer Standardbehandlung zeigte Ivermectin weder beim Sterberisiko noch beim klinischen Zustand von Covid-19 Patienten einen Vorteil. Auch gebe es keine Belege für eine vorbeugende Wirkung von Ivermectin nach einem möglichen Kontakt mit dem Virus. Die Vertrauenswürdigkeit der vorhandenen Evidenz sei niedrig bis sehr niedrig, heißt es in der Mitteilung..

Das Ergebnis des Cochrane Review stimmt überein mit der Schlussfolgerung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) nach ihrer Analyse der Studien-Daten zu dem Wirkstoff. Laut EMA unterstützen die verfügbaren Daten nicht den Einsatz von Ivermectin gegen COVID-19 ausserhalb gut konzipierter klinischer Studien. Die EMA wies zudem darauf hin, dass Ivermectin zwar in den für andere Indikationen zugelassenen Dosen im Allgemeinen gut verträglich sei; Verträglichkeit und Sicherheit könnten jedoch bei den viel höheren Dosen, die gegen das Corona-Virus erforderlich wären, abnehmen. Toxische Wirkungen könnten nicht ausgeschlossen werden.

  • Referenzen

Robert-Koch-Institut

ARD/ZDF

Der Spiegel

Süddeutsche Zeitung

New York Times

Cochrane Deutschland

EMA