Randomisierte Studie: Strahlentherapie bei Prostatakrebs der OP im Hinblick auf Sexualfunktion und Kontinenz überlegen

Dr. Bettina Albers Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.

Bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen gibt es mehrere Behandlungsoptionen, die im Hinblick auf die Überlebensprognose gleichwertig sind, darunter die operative Prostataentfernung und die Strahlentherapie. Eine aktuelle Studie [1] verglich nun die modernsten Technologien beider Verfahren, die roboterassistierte Operation und die stereotaktische Bestrahlung. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Strahlentherapie der OP im Hinblick auf Sexualfunktion und Kontinenz deutlich überlegen ist. Für die Lebensqualität der betroffenen Männer sind diese beiden Faktoren ausschlaggebend, weshalb die Patienten im Aufklärungsgespräch über diese Studie informiert werden sollten.

Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. In der Mehrzahl erfolgt die Diagnose in einem frühen Stadium, sodass die Heilungsaussichten sehr gut sind. Bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen gibt es mehrere Behandlungsoptionen, die „Active Surveillance“ , die Operation oder die Strahlentherapie. In den aktuellen Leitlinien wird immer die Operation an erster Stelle genannt, obwohl bereits verschiedene große Metaanalysen gezeigt haben, dass die prostatakrebsspezifische Mortalität bei allen drei Optionen vergleichbar ist [2]. „Doch häufig wird die erstgenannte Therapieoption von den Patienten als die beste bzw. an erster Stelle empfohlene Therapie missverstanden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). „Angesichts der Ergebnisse der randomisierten PACE-A-Studie ist das besonders problematisch, es wäre nun an der Zeit, die Strahlentherapie in der Auflistung der Empfehlungen nach vorn zu stellen.“ Denn die aktuelle Studie zeigt, dass die Strahlentherapie im Hinblick auf Sexualfunktion und Kontinenz der Operation überlegen ist.

Eingeschlossen wurden Männer mit histologisch bestätigtem, lokal begrenztem Prostatakrebs mit niedrigem bis mittlerem Risiko (cT1c bis cT2c N0/X M0/X und Gleason Score ≤ 3+4 und PSA ≤ 20 ng/m). Der Zeitraum zwischen Biopsie und Randomisierung betrug max. 18 Monate. Die Patienten erhielten entweder eine stereotaktische Bestrahlung (SBRT) mittels CyberKnife oder Linearbeschleuniger (Linac) in einer Dosis von 5×7,25/8 Gy oder eine chirurgische Prostataentfernung, die in der Mehrzahl der Fälle (84 %) roboterassistiert (mit DaVinci-Roboter) erfolgte. „Es handelt sich somit um die erste Studie, die in beiden Armen modernste Behandlungsoptionen des Prostatakarzinoms miteinander vergleicht, das macht sie so wertvoll und praxisrelevant“, betont Prof. Dr. Jürgen Dunst, Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.

Insgesamt wurden 123 Männer von August 2012 bis Februar 2022 randomisiert (60 erhielten eine Prostatektomie, 63 eine SBRT, die alle planmäßig nach 5 Fraktionen endeten). Das mediane Alter lag bei 65,5 Jahren und der mediane prostataspezifische Antigen (PSA)-Wert bei 7,9 ng/ml; 92 % hatten eine Erkrankung mit mittelschwerem Risiko (gemäß Bewertungssystem des National Comprehensive Cancer Network).

Zu Studienbeginn, in den Wochen 4 und 12 sowie in den Monaten 6, 9, 12 und 24 erfolgte eine Erhebung patientenberichteter Endpunkte (PROs) anhand von Fragebogen. Als koprimärer Endpunkt wurde die Zahl der Inkontinenzeinlagen/Tag erfasst. Nach 2 Jahren benutzten 16/32 (50 %) der operierten und 3 von 46 (6,5 %) bestrahlten Patienten eine oder mehrere Einlagen täglich (p < 0,001); der nach Strahlentherapie beobachtete Wert entspricht etwa dem Normalwert in dieser Altersgruppe, d. h., die Bestrahlung hatte praktisch keine Auswirkungen auf die Kontinenz. „Das macht einen großen Unterschied für die Lebensqualität der Patienten. Inkontinenz ist schambesetzt und noch immer ein großes Tabuthema, Betroffene ziehen sich häufig zurück in eine soziale Isolation, oft sind Einsamkeit, ein geringes Selbstwertgefühl und sogar Depression die Folgen“, erklärt der Kieler Experte. „Der Erhalt der Kontinenz ist daher für viele Prostatakrebspatienten ein wichtiges Kriterium für die Therapieentscheidung.“ Mindestens ebenso bedeutsam für die Lebensqualität ist der Erhalt der sexuellen Funktion – und auch diesbezüglich profitierten die Patienten der Studie deutlich von der Strahlentherapie. Die operierten Männer bewerteten diesen Lebensbereich deutlich schlechter als die bestrahlten Männer (median 19 Punkte vs. 62,5 Punkte). Der Anteil der Männer, die über mäßige bis schwere sexuelle Probleme berichteten, betrug 10 von 30 (33 %) in der Prostatektomie-Gruppe und 8 von 45 (18 %) in der Strahlentherapiegruppe.

Einen Vorteil für die OP gab es nur im Hinblick auf die Darmfunktion, ebenfalls erfasst mit dem EPIC-Score. Die operierten Patienten gaben im Median einen Wert von 100 an, die bestrahlten von 87,5, der Unterschied war statistisch signifikant. Prof. Dunst bewertet ihn dennoch als „insgesamt klein für die Behandlungsrealität“. Denn moderate oder schwere Beeinträchtigungen wurden bei keinem von 31 prostatektomierten Patienten und bei nur einem von 48 bestrahlten Patienten (2,1 %) gesehen. Die fäkale Inkontinenzrate unterschied sich nach 24 Monaten zwischen den Gruppen nicht.

„Wir wissen aus der Behandlungsrealität, dass für die Therapieentscheidung die Faktoren Kontinenz und Sexualfunktion ausschlaggebend sind – und die vorliegenden Daten zeigen, dass die moderne Strahlentherapie hier der modernen roboterassistierten OP überlegen ist. Nun müssen die Betroffenen im Aufklärungsgespräch auch über diese Aspekte aufgeklärt werden, als Fachgesellschaft werden wir uns aktiv dafür einsetzen“, erklärt der neue Generalsekretär der DEGRO, Prof. Dr. Wilfried Budach.