Radiopharmazeutika beim hormon-sensitiven wie beim resistenten Prostatakarzinom wirksam

Mann erhält Strahlentherapie zur Behandlung von Prostatakrebs /Mark Kostich, stock.adobe.com

Barcelona – Radiopharmazeutische Therapien sind in der Onkologie noch nicht so häufig zu finden. Beim Pros­tatakarzinom gibt es aber eine Reihe von Ansätzen, die auch schon in die Klinik vorgedrungen sind.

Bei der Jahrestagung der European Society of Medical Oncology (ESMO) in Barcelona wurden 2 randomisierte Studien vorgestellt, in denen ein an PSMA-Liganden gebundenes Radioisotop sich in fortgeschrittenen wie in frühen Stadien den herkömmlichen Behandlungsoptionen überlegen zeigte (ESMO 2024, AbstractLBA65; Ab­stract LBA66).

Nuklearmedizinische Behandlungsoptionen gewinnen in den vergangenen Jahren beim Prostatakarzinom immer mehr an Bedeutung. Das Isotop Lutetium-177 (177Lu) ist ein Beta-Strahler, der an einen niedermole­ku­laren Liganden für das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA) gekoppelt (z. B. 177Lu-PNT2002), an die Tumorzellen bindet und seine Strahlung punktgenau dort abgibt.

In die Phase-III-Studie SPLASH, die Oliver Sartor von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, in Barcelona präsentierte, wurden 412 Patienten mit einem kastrationsresistenten metastasierten Prostatakarzinom einge­schlossen (Abstract LBA65).

Sie waren nach Gabe eines Inhibitors des Androgenrezeptor-Signalwegs (ARPI) rezidiviert, und ihre Tumoren mussten in der Positronenemissions-Tomographie (PET) positiv für PSMA sein. Sie wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert, mit 177Lu-PNT2002 (6,8 GBq alle 8 Wochen intravenös für bis zu 4 Zyklen) oder mit einem weiteren ARPI behandelt.

Primärer Endpunkt war das radiologische progressionsfreie Überleben, das verblindet nach den RECIST-1.1-Kriterien (Response Evaluation Criteria In Solid Tumors) bestimmt wurde. Weitere bedeutsame Endpunkte waren zum Beispiel das Gesamtüberleben und die objektive Ansprechrate sowie Lebensqualitätsindikatoren; ein Crossover nach Progression unter dem alternativen ARPI war gestattet.

Radiotherapie verlängert progressionsfreies Überleben

Beim primären Endpunkt war die Radiotherapie signifikant überlegen: Das radiologisch festgestellte progressi­onsfreie Überleben war im Median um mehr als die Hälfte verlängert (von 6,0 auf 9,5 Monate; Hazard Ratio 0,71; 95-%-Konfidenzintervall 0,55–0,92; p = 0,0088).

Das galt für alle untersuchten Subgruppen, nicht aber für das Gesamtüberleben, das unter 177Lu-PNT2002 bei 20,8 Monaten lag, im Kontrollarm aber noch nicht erreicht war (HR 1,11; 95-%-KI 0,73–1,69; p = 0,615); das verwundert aber nicht, da die Crossover-Rate vom Kontroll- in den experimentellen Arm mit 84,6 % sehr hoch war.

Wenn für dieses Crossover mit verschiedenen statistischen Methoden korrigiert wurde, resultierten Werte für die Hazard Ratio zwischen 0,68 und 0,85, die allerdings noch keine statistische Signifikanz erreichten; das Gesamtüberleben werde weiter verfolgt, so Sartor.

Beim Gesamtansprechen war die nuklearmedizinische Therapie mit 38,1 % versus 12,0 % ebenfalls überlegen (p = 0,0021), genauso beim PSA50-Ansprechen (35,7 % vsersus 14,6 %; p = 0,0001). Auch bezüglich der Lebens­qualität profitierten die Patienten davon: Beim FACT-P-Gesamtscore dauerte es hier median 8,1 Monate bis zu einer Verschlechterung, im Kontrollarm trat diese schon nach median 5,3 Monaten ein (HR 0,59; 95%-KI 0,44–0,80; p = 0,0005).

Auch die Verträglichkeit war mit der Radiotherapie besser: Behandlungsbedingte Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher wurden hier bei 30,1 %, im Kontrollarm bei 36,9 % der Patienten registriert, abgebrochen werden musste die Behandlung deswegen in 1,9 % versus 6,2 % der Fälle. Die häufigsten Nebenwirkungen von 177Lu-PNT2002 waren Fatigue, Mundtrockenheit und Nausea.

Radiopharmazeutikum auch in frühen Stadien wirksam

In der randomisierten Phase-II-Studie UpFrontPSMA wurde ein weiteres, auf Lutetium-177 und PSMA basieren­des Radiotherapeutikum, 177Lu-PSMA-617, in der Therapiesequenz des metastasierten Prostatakarzinoms noch viel weiter nach vorne genommen (Abstract LBA66): Dieses Medikament hat sich bereits bei kastrationsresis­tenten Tumoren bewährt.

Hier wurden 130 Patienten mit noch hormonsensitiven Tumoren und hoher Tumorlast eingeschlossen, die nor­malerweise parallel zu einer Androgendeprivations-Therapie (ADT) Docetaxel erhalten können. Sie wurden ran­domisiert, so Arun Azad vom Peter MacCallum Cancer Center im australischen Melbourne, zusätzlich zur ADT, die vor weniger als 4 Wochen begonnen hatte, entweder Docetaxel oder 2 Zyklen 177Lu-PSMA-617 (7,5 GBq) zu erhalten, das dann von Docetaxel gefolgt wurde. Primärer Endpunkt war ein Verschwinden des PSA (≤ 0,2 ng/ml) nach 48 Wochen.

Der Anteil der Patienten, bei denen PSA nach 48 Wochen nicht mehr nachweisbar war, wurde durch die einge­schobene Radiotherapie weit mehr als verdoppelt (41 % versus 16 %; Odds Ratio 3,9; p = 0,002). Ein sekun­därer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, gemessen an einem Anstieg des PSA.

Auch hier war die Strahlentherapie mit median 30 versus 21 Monaten überlegen (HR 0,60; 95-%-KI 0,4-1,0; p = 0,039), beim radiologisch bestimmten progressionsfreien Überleben zumindest numerisch (Medianwert nicht erreicht versus 22 Monate; HR 0,58; 95%-KI 0,3–1,0; p = 0,067).

Ähnliches galt für die Zeit bis zum Eintritt einer Kastrationsresistenz (median 20 versus 16 Monate; HR 0,60; 95-%-KI 0,4-1,0; p = 0,033). Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 traten bei 29 % bzw. 27 % der Patienten auf und waren von der für Docetaxel typischen Art.

Diese Daten, so Azad, die zeitgleich mit der ESMO-Präsentation auch in Lancet Oncology publiziert wurden (DOI: 10.1016/S1470-2045(24)00440-6), stützen erstmals auf randomisierter Basis die sequentielle Anwendung von 177Lu-PSMA-617 und Docetaxel bei Patienten mit neu diagnostiziertem hormonsensitivem Prostatakarzi­nom und hoher Tumorlast. Es gelang, das klinische Ergebnis deutlich zu verbesseren, ohne die Toxizität nenn­ens­wert zu erhöhen. Überprüft werden diese Daten nun in der Phase-III-Studie PSMAddition (ClinicalTrials.gov, NCT04720157). © jfg/aerzteblatt.de