Prostatakarzinom: Weniger Biopsien mithilfe von KI-bewerteten MRT-Scans möglich

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Heidelberg – Eine Optimierung der Risikostratifikation mittels zusätzlicher Informationen per Künstlicher Intelligenz (KI) könnte dazu beitragen, unnötige Biopsien bei Verdacht auf Prostatakarzinom zu vermeiden.

Prospektive klinische Studien müssten den Nutzen des vorgeschlagenen kombinierten Verfahrens aus etab­liertem PI-RADS-Score und neuem KI-Verfahren allerdings noch bestätigen (European Radiology 2024; DOI: 10.1007/s00330-024-10818-0).

Aktuell nutzen Radiologen zur Abschätzung des Krebsrisikos bei Verdacht auf Prostatakarzinom den PI-RADS-Score, der neben dem PSA-Wert, Alter und Prostatavolumen zum Beispiel auch die MRT-Befunde berücksich­tigt. Der PI-RADS-Score liefert einen Wahrscheinlichkeitswert für das Vorliegen eines Prostatakarzinoms. Eine endgültige Gewissheit liefert aber erst eine Analyse von Gewebe.

„Die Biopsie ist jedoch invasiv und kann in seltenen Fällen zu Infekten oder Blutungen führen, die teilweise sogar eine Krankenhausaufnahme erfordern“, berichtete Seniorstudienautor David Bonekamp, Radiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Um die Möglichkeiten der Risikovorhersage zu verbessern, entwickelten die Wissenschaftler um Bonekamp eine auf Deep Learning basierende KI. Herangezogen wurden die Daten von 1.627 Männern, die zwischen 2014 und 2021 in Heidelberg eine multiparametrische MRT-Bildgebung der Prostata erhalten und sich an­schließend einer Biopsie unterzogen hatten. Die KI wurde zunächst an den MRT-Aufnahmen von über 1.000 dieser Männer trainiert und dann an den übrigen Datensätzen erprobt.

„Unser Ziel war es, diejenigen Männer herauszufiltern, die nur ein minimales Krebsrisiko haben. Ihnen könnte man die Gewebeentnahme ersparen oder diese um einige Zeit aufschieben. Männer dagegen, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Prostatakrebs vorliegt, profitieren dagegen von der Biopsie, da der Krebs früh er­kannt werden kann“, erläuterte Bonekamp.

Im ersten Szenario wurde der PI-RADS Wert im Risikokalkulator durch das KI-Verfahren ersetzt. Hier veränder­te sich die diagnostische Aussagekraft kaum. Dagegen lieferte die Kombination von KI und PI-RADS im zwei­ten Ansatz überzeugendere Ergebnisse. Unter den Männern, die ursprünglich biopsiert worden waren, identi­fizierte das KI-Verfahren plus PI-RADS für 49 % der Männer nur minimale Risiken.

„Das heißt, die Kombination von Deep Learning und radiologischer Befundung hätte theoretisch fast die Hälf­te dieser Biopsien vermeiden können, ohne eine relevante Zahl an Tumoren zu übersehen“, schlussfolgerte Erst­autor Adrian Schrader, Wissenschaftler am DKFZ in Heidelberg.

Somit liefern die PI-RADS-Befundung durch erfahrenen Radiologen und die KI-Ergebnisse komplementäre diagnostische Informationen, die zusammengefasst zu einer präziseren Risikostratifizierung der Patienten beitragen können.

„Für Patienten mit einem auffälligen PSA-Wert könnte es in Zukunft einen großen Vorteil bedeuten, die KI-Analyse in die weiterführende Diagnostik zu integrieren. Prospektive Studien müssen allerdings den Nutzen des Verfahrens bestätigen, und klären, dass es keine Nachteile für die Patienten hat“, gab Bonekamp zu bedenken.

Die aktuellen Ergebnisse gelten für Biopsie-naive Männer oder zuvor negativ biopsierte Patienten, betonen die Studienautoren, da diese die typische Screening-Population darstellen. Bei einem Monitoring nach erfolg­ter Therapie müsse der neue Einsatz zur Vorhersage des Tumorprogressionsrisikos ebenfalls noch untersucht werden, stellen die Autoren klar. © cw/aerzteblatt.de