Das Protein NSD2 verändert die Funktion des Androgenrezeptors zu einem Prostatakrebs-Treiber. Dies haben Forscher des University of Michigan Health Rogel Cancer Center in Ann Arbor (USA) herausgefunden.
Laut den neuen Forschungsergebnissen, die gerade in „Nature Genetics“ veröffentlicht worden sind, verursacht der Androgenrezeptor nach Bindung an NSD2 eine schnelle Zellteilung und ein schnelles Wachstum, was zu Prostatakrebs führt. Die veröffentlichte Studie könnte einen neuen Weg zur therapeutischen Bekämpfung von Prostatakrebs aufzeigen, hoffen die Autoren.
Die normale Funktion des Androgenrezeptors besteht darin, die Entwicklung der Prostata zu steuern. Er weist die Zellen an, mit dem Wachstum aufzuhören und den Normalzustand der Prostata beizubehalten. Bei Krebs jedoch bewirkt der Androgenrezeptor das Gegenteil: Er weist die Zellen an, weiter zu wachsen und die Krebsentwicklung voranzutreiben.
Erklärung für die funktionelle Dualität des Androgenrezeptors
„Unsere Studie ist eine der ersten molekularen Erklärungen für diese funktionelle Dualität des Androgenrezeptors“, sagte der Erstautor der Studie, Abhijit Parolia, Assistenzprofessor für Pathologie an der Michigan Medicine. „NSD2 ist ein krebsspezifischer Kollaborateur des Androgenrezeptors, der seine Aktivität im Wesentlichen neu verschaltet, um die Entwicklung von Prostatakrebs zu unterstützen.“
Die Forscher begannen mit einem CRISPR-Screening, um nach Kofaktoren zu suchen, die am Zusammenwirken von Androgenrezeptor und Prostatakrebs beteiligt sind. Sie untersuchten das Enhanceosom, einen Komplex aus mehreren Proteinen, darunter Transkriptionsfaktoren und andere epigenetische Faktoren, die sich an bestimmten Stellen auf der DNA ansammeln, um die Expression von Genen zu steuern. Dies wurde dem sogenannten Neo-Enhanceosom gegenübergestellt. Dabei handelt es sich um eine zum Enhanceosom analoge Maschinerie, aber hier finden krebserregende Transkriptionsfaktoren ihren Weg hinein, reorganisieren die sorgfältige Anordnung und steuern die Expression krebserregender Programme.
Der Androgenrezeptor sitzt normalerweise entlang einer bestimmten Reihe von Stellen innerhalb der DNA. Wenn NSD2 vorhanden ist, ordnet dieses die Position des Androgenrezeptor-„Enhanceosoms“ auf der DNA neu an und platziert es neben Stellen, die von bekannten krebserregenden Genen und Treibern besetzt sind.
„Dies ist die Maschinerie um die Gene, von denen wir wissen, dass sie an der Entwicklung von Prostatakrebs beteiligt sind, darunter der Androgenrezeptor, ERG und FOXA1. Sie alle verwenden diese Maschinerie, um die onkogene Expression zu regulieren. „Wir arbeiten jetzt daran, die Gene von Interesse indirekt anzugreifen, indem wir diese epigenetischen Komponenten wie NSD2 beeinflussen“, sagte der Co-Seniorautor der Studie, Arul M. Chinnaiyan, Direktor des Michigan Center for Translational Pathology.
Die Forscher fanden heraus, dass NSD2 in Prostatakrebszellen exprimiert wird, aber nicht in normalen Prostatazellen. Man wusste bereits, dass NSD2 an metastasiertem Prostatakrebs beteiligt ist. Dies ist nun nach Angaben der Forscher die erste Studie, die zeigt, dass dieses Protein für das früheste Stadium der Entwicklung von Prostatakrebs von grundlegender Bedeutung ist.
Stopp der NSD2-Expression verlangsamt Krebswachstum
Das Team verwendete mehrere Methoden, um die NSD2-Expression in Prostatakrebszellen zu unterdrücken oder zu stoppen, und stellte fest, dass die Zellen dadurch in einen normaleren Zustand zurückkehren und das Wachstum und die Ausbreitung der Krebszellen verlangsamt werden, der Krebs jedoch nicht beseitigt wird. Sie fanden zudem heraus, dass ein verwandtes Protein namens NSD1 zusammen mit NSD2 arbeitet.
Die Forscher fanden zudem einen Weg zur Unterdrückung von Prostatakrebs über den neu gefundenen Zusammenhang: Eine Substanz, die sowohl NSD1 als auch NSD2 abbaut, zerstörte erfolgreich Prostatakrebszell-Linien. Dieser „Degrader“ richtete sich gezielt gegen die Krebszellen, ohne normale Zellen zu beeinträchtigen. Es bedürfe jedoch weiterer Arbeit, um den Degrader zu verfeinern, da die erste Version nicht auf ein Mausmodell übertragen werden konnte, betonen die Forscher.
„Durch den Abbau von NSD1 und NSD2 können wir Krebs gezielter angreifen“, sagte Chinnaiyan. Das normale Gewebe werde dabei geschont. Doch der Forscher blickt noch weiter: Wenn es den Wissenschaftlern gelänge, Agenzien zu entwickeln, die auf NSD1/2 abzielen, könnten diese möglicherweise mit Androgenrezeptor-Antagonisten kombiniert werden und so einen synergistischen Effekt erzielen.
(University of Michigan Rogel Cancer Center / ms)