Seattle/Washington – Eine radikale Prostatektomie und eine Radiotherapie können das Leben von Patienten mit Prostatakarzinom verlängern. Beide Behandlungen sind jedoch mit langfristigen Komplikationen verbunden, zu denen Statistiker des US-amerikanischen Krebsnetzwerks SWOG in JAMA Oncology (2024; DOI: 10.1001/jamaoncol.2024.4397) neue Zahlen vorstellen.
Das Prostatakarzinom ist nach dem Lungenkrebs die zweithäufigste tödliche Krebserkrankung des Mannes. Der Krebs kann mittels eines PSA-Tests frühzeitig erkannt werden. Den Betroffenen stehen dann 3 Optionen zur Verfügung. Sie können den Tumor zusammen mit der gesamten Prostata entfernen oder den Krebs durch eine Radiotherapie zerstören lassen oder abwarten, ob der PSA-Wert weiter ansteigt, um die Behandlung gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen.
Bei der Beratung müssen die Urologen die Männer auf die Folgen der Behandlung hinweisen. Die Datenlage ist jedoch begrenzt, weil die Nachbeobachtungszeit in den klinischen Studien in der Regel kurz ist.
Statistiker des US-Krebsnetzwerk SWOG (früher „Southwest Oncology Group“), das in den USA die meisten Studien für das National Cancer Institute durchführt, haben zu dieser Frage die Daten von 2 früheren Präventionsstudien ausgewertet.
An der „Prostate Cancer Prevention Study“ und am „Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial“ hatten seinerzeit fast 52.000 Männer teilgenommen. Joseph Unger vom Fred Hutchinson Cancer Center in Seattle und Mitarbeiter konnten 29.196 Teilnehmer in der Datenbank von Medicare identifizieren, der staatlichen Krankenversicherung für US-Senioren.
Bei 3.946 Patienten war im Durchschnittsalter von 68,7 Jahren ein Prostatakarzinom diagnostiziert worden: 655 hatten eine radikale Prostatektomie und 1.056 eine Radiotherapie durchführen lassen. Die Forscher haben analysiert, wie häufig diese Teilnehmer in den folgenden Jahren wegen zehn potenzieller behandlungsbedingter Komplikationen und Nebenwirkungen behandelt wurden.
Dies waren eine Harnröhrenstriktur, die Platzierung eines künstlichen Harnschließmuskels (bei schwerer Inkontinenz), die Platzierung einer Penisprothese, die Diagnose Harninkontinenz, Erektionsstörungen, Strahlenzystitis, Strahlenproktitis, Blasenkrebs und ein Blasenkrebs mit anschließender Zystektomie und Rektumkrebs.
Unger ermittelt für die 12 Jahre nach der Prostatektomie ein mehr als 7-fach erhöhtes Risiko auf Komplikationen der Harnwege und der Sexualfunktion im Vergleich zu den Männern, die nicht behandelt wurden. Die Hazard Ratio (HR) von 7,23 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 5,96 bis 8,78 signifikant. Nach einer Radiotherapie traten Harnwegs- oder Sexualkomplikationen fast 3-fach häufiger auf (HR 2,76; 2,26-3,37).
Die Radiotherapie war mit einem fast 3-fach höheren Risiko auf Blasenkrebs verbunden (HR: 2,78; 1,92-4,02). Das Risiko auf eine Strahlenzystitis (HR 131,47; 52,48-329,35) und eine Strahlenproktitis (HR 87,91; 48,12-160,61) waren ebenfalls deutlich erhöht.
Die Hazard Ratios für Strahlenzystitis und Strahlenproktitis fielen extrem hoch aus, weil diese Behandlungen in der Kontrollgruppe nur selten (wegen anderer Erkrankungen) durchgeführt wurden.
Wichtig für die Beratung sind die absoluten Inzidenzen. Unger ermittelt für eine der zehn behandlungsbedingten Komplikationen eine Inzidenz von 124,26/1.000 Personenjahre nach der Prostatektomie und von 62,15/1.000 Personenjahre nach der Strahlentherapie. In der Kontrollgruppe betrug die Inzidenz der Störungen 23,61/1.000 Personenjahre. © rme/aerzteblatt.de