Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC): Radiopharmazeutikum auch Taxan-naiv wirksam

Dtsch Arztebl 2023; 120(48): [21]; DOI: 10.3238/PersESMO.2023.12.01.13

Das Radiopharmazeutikum 177-Lutetium-(177Lu-)PSMA-617 wird beim mCRCP bislang erst nach einem Versagen der hormonellen Kastration und der Taxantherapie eingesetzt. Eine Studie zeigt jetzt, dass diese Einschränkung möglicherweise diskutiert werden sollte.

Bei metastasierten Prostatakarzinomen, die kastrationsresistent sind (mCRPC), die auch auf eine Taxantherapie nicht ansprechen und die das Prostata-spezifische Membranprotein (PSMA) exprimieren, ist seit Kurzem das Radiopharmazeutikum 177-Lutetium-(177Lu-)PSMA-617 zugelassen. Beim ESMO-Kongress in Madrid konnte nun gezeigt werden, dass nicht nur austherapierte, sondern auch Taxan-naive Patienten von dieser nuklearmedizinischen Behandlungsoption profitieren (1).

Das Radiopharmazeutikum 177-Lutetium-PSMA-617 besteht aus der Chelatorverbindung PSMA-617, die einerseits durch Komplexierung das 177-Lutetium-Kation, einen Betastrahler, und andererseits an das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA), ein Transmembranprotein auf Zellen des Prostatakarzinoms, binden kann. Dadurch wird die radioaktive Strahlung direkt an die PSMA-exprimierenden Zellen herangetragen und die DNA-Schädigung weitgehend auf das Tumorgewebe beschränkt.

177-Lu-PSMA-617 ist in Kombination mit einer Androgendeprivation (ADT) mit oder ohne Inhibition des Androgenrezeptor-(AR-)Signalwegs zugelassen zur Behandlung PSMA-positiver, metastasierter, kastrationsresistenter Prostatakarzinome (mCRPC), die bereits mit Inhibitoren des Androgenrezeptorsignalwegs und einem Taxan behandelt wurden. In der VISION-Studie hatte das Radiopharmazeutikum in dieser Situation das progressionsfreie Überleben gegenüber dem damaligen Therapiestandard von median 3,4 auf 8,7 Monate mehr als verdoppelt (2).

In der Phase-3-Studie PSMAfore, die Prof. Oliver Sartor MD, Mayo Clinic Rochester, Minnesota, beim ESMO-Kongress vorstellte, wurde 177-Lu-PSMA-617 nun bei Taxan-naiven Patienten untersucht. Eingeschlossen wurden 468 Patienten mit PSMA-exprimierendem mCRPC, die zwar bereits eine gegen den Androgenrezeptor gerichtete, aber noch keine Taxan-haltige Therapie erhalten hatten. Sie bekamen randomisiert entweder 177-Lu-PSMA-617 (6 6-wöchige Zyklen à 7,4 GBq) oder im Kontrollarm eine veränderte gegen den Androgenrezeptor gerichtete Therapie (Abirateron oder Enzalutamid). Patienten im Kontrollarm, die progredient waren, durften im Cross-over zu 177-Lu-PSMA-617 wechseln. Primärer Endpunkt war das radiologisch nach den PCWG3-Kriterien beziehungsweise nach RECIST 1.1 bestimmte progressionsfreie Überleben; die sekundären Endpunkte umfassten Gesamtüberleben auch unter Berücksichtigung des Cross-overs, Lebensqualität und Dauer des Ansprechens.

Bereits bei der primären Analyse nach median 7,3 Monaten war die radiopharmazeutische Behandlung signifikant überlegen gewesen (Hazard-Ratio 0,41 beim progressionsfreien Überleben; p < 0,0001), bei der von Sartor in Madrid gezeigten 2. Interimsanalyse nach median 15,9 Monaten war es mit einer HR von 0,43 (p < 0,0001) ganz ähnlich; die mediane progressionsfreie Überlebenszeit war mit 12,02 versus 5,59 Monaten verdoppelt.

Mediane Überlebenszeit von 5 auf 12 Monate verlängert

Auch beim Gesamtüberleben war in der Cross-over-adjustierten Analyse ein Trend zugunsten des Radiotherapeutikums zu erkennen; das war im Gesamtkollektiv nicht der Fall, da 84 % der Patienten im Kontrollarm von der Cross-over-Option Gebrauch gemacht hatten. Die Ansprechrate war im 177-Lu-PSMA-617-Arm mit 41,9 % versus 12,6 % gegenüber der Kontrolltherapie mehr als verdreifacht.

Das Sicherheitsprofil der nuklearmedizinischen Therapie fiel ebenfalls vorteilhaft aus: Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 waren hier mit 34 % versus 44 % seltener; schwere Nebenwirkungen mit 20 % versus 28 %; Therapieabbrüche aufgrund von Toxizitäten waren mit 5,7 % versus 5,2 % vergleichbar.

Auch bei Taxan-naiven Patienten, so Sartor, ist 177-Lu-PSMA-617 also gegenüber der konventionellen Strategie wirksamer – bei einem sehr günstigen Nebenwirkungsprofil.

DOI: 10.3238/PersESMO.2023.12.01.13

Josef Gulden

1.Sartor O: Phase III trial of [177Lu]Lu-PSMA-617 in taxane-naive patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (PSMAfore). ESMO Congress 2023; Abstract LBA13 CrossRef
2.Sartor O, de Bono J, Chi KN, et al.: VISION Investigators: Lutetium-177-PSMA-617 for Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. N Engl J Med 16 September 2021; 385 (12): 1091–103; DOI: 10.1056/NEJMoa2107322. PMID: 34161051; PMCID: PMC8446332 CrossRef MEDLINE PubMed Central