Los Angeles – Die guten Ergebnisse der kombinierten Immun- und Chemotherapie beim kleinzelligen Lungenkarzinom haben US-Mediziner zur Behandlung von Patienten mit verwandten Tumoren in Harnblase und Prostata veranlasst. Die vielversprechenden Ergebnisse ihrer Phase-1b-Studie stellen sie in Cell Reports Medicine (2024; DOI; 10.1016/j.xcrm.2024.101824) vor.
Die kleinzelligen neuroendokrinen Karzinome in Blase oder Prostata sind zwar mit einem Anteil von einem Prozent an allen Malignomen der beiden Organe selten. Doch beim konventionellen Prostatakarzinom kommt es bei 10 % bis 20 % der Patienten im fortgeschrittenen Stadium unter der Behandlung (beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom unter einer Androgendeprivation) zu neuroendokrinen Prostatakarzinomen.
Die Tumore in Blase und Prostata haben viele Gemeinsamkeiten mit dem kleinzelligen Lungenkarzinom wie die Struktur der runden bis ovalen Zellen mit einem großen Kern im Verhältnis zum Zytoplasma. Gemeinsam ist den 3 Krebsformen auch die ungünstige Prognose. Die durchschnittlichen Überlebenszeiten der Patienten liegen beim kleinzelligen Blasenkrebs nach der Diagnose bei sieben bis 13 Monaten und beim kleinzelligen/neuroendokrinen Prostatakarzinom bei 7 bis 9 Monaten.
Beim kleinzelligen Lungenkarzinom hat sich im metastasierten Stadium neben der Chemotherapie die zusätzliche Gabe einer Immuntherapie bewährt. Mit der kombinierten Chemo-Immuntherapie erreichen 15 % bis 20 % der Patienten ein 3-Jahresüberleben.
Ein Team um Arnold Chin von der Universität von Kalifornien in Los Angeles hat deshalb die Standardtherapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms an sieben Patienten mit kleinzelligem Blasenkrebs und acht Patienten mit kleinzelligem Prostatakarzinom erprobt.
In der offenen Studie erhielten alle Patienten die vorgesehene Chemotherapie (Etoposid plus Cisplatin oder Docetaxel plus Carboplatin). Sie wurde mit dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab kombiniert, der den PD-1-Rezeptor auf T-Zellen besetzt und dadurch verhindert, dass sich die Krebszellen durch die Bildung des PD-Liganden 1 dem Zugriff der Immunabwehr entziehen können. Die Patienten erhielten bis zu 36 Zyklen Pembrolizumab.
Wie Chin berichtet, hat ein Patient mit Blasenkrebs die Behandlung nach dem ersten Zyklus abgebrochen. Von den anderen 7 Patienten sind 6 nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von fast 3 Jahren ohne Fortschreiten der Erkrankung am Leben (Progressionsfreies Überleben 86 %, Gesamtüberleben 86 %), was deutlich über den Erwartungen liegt.
Bei den 8 Patienten mit Prostatakarzinom waren die Ergebnisse nicht ganz so gut. Das mediane progressionsfreie Überleben wurde nach 7 Monaten und das mediane Gesamtüberleben nach 27 Monaten erreicht. Aber auch dies deutet auf eine Verbesserung der Prognose hin.
Die Kombinationsbehandlung wurde laut Chin von den meisten Patienten gut vertragen. Kein Patient habe die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen. Die häufigsten behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse waren Schwäche und Müdigkeit, Hautausschläge oder Juckreiz, Durchfall, periphere Neuropathien und eine Hypothyreose.
Die Forscher haben die Immunreaktionen auf den Tumor näher untersucht. Sie stellten fest, dass es aufgrund der Behandlung zu einer klonalen Expansion von CD8-T-Zellen kommt, die dann vermehrt im Blut der Patienten nachweisbar waren. Diese Reaktion korrelierte mit einem längeren progressionsfreien Überleben. Laut Chin könnte ein Bluttest Aufschluss über das Ansprechen der Behandlung geben, was aber noch in zukünftigen Studien belegt werden müsste.
Die Ergebnisse zum kleinzelligen neuroendokrinen Prostatakarzinom werden derzeit in der laufenden Phase-2-Studie KEYNOTE-365 (NCT02861573) überprüft. Pembrolizumab wird hier bei Patienten, die bereits eine Platin-basierte Behandlung erhalten hatten, mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Lenvatinib oder mit dem Anti-TIGIT-Antikörper Vibostolimab kombiniert. Weitere Strategien sind die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab mit Carboplatin und Cabazitaxel (NCT04709276) sowie Pembrolizumab und Lenvatinib bei Patienten mit RB1-Deletionen oder -Mutationen (NCT04848337).
Beim kleinzelligen Blasenkrebs sind wegen der Seltenheit mit einer Inzidenz von 1 bis 9/1.000.000 Personen derzeit keine Phase-2- und 3-Studien geplant. Die exzellenten Ergebnisse sprechen nach Einschätzung von Chin jedoch für individuelle Heilversuche.
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