Kastrationsresistentes metastasiertes Prostatakarzinom: Erfolge mit Radium-223 plus ARP-Inhibitor

Dtsch Arztebl 2024; 121(21): [20]; DOI: 10.3238/PersESMO.2024.10.18.15

Gulden, Josef

Die gleichzeitige Gabe des Androgenrezeptor-Inhibitors Enzalutamid und des Radiopharmazeutikums Radium-223 kann vermutlich beim mCRPC das radiologische progressionsfreie und mutmaßlich auch das Gesamtüberleben um einige Monate verlängern.

Die Erstlinientherapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms verändert sich rasant. Für Patienten mit Knochenmetastasen wurden neue Ergebnisse bei der ESMO-Jahrestagung 2024 in Barcelona berichtet (1).

Für Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom, die nach einer Androgendeprivations-Therapie progredient sind (mCRPC), stellen Inhibitoren des Androgenrezeptor-Signalwegs (ARPI) wie Abirateron oder Enzalutamid die Standardtherapie in der Erstlinie dar. Bisher hat es kein Kombinationspartner für diese Substanzen geschafft, das radiologische progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben zu verlängern.

Vor Einführung der genannten ARPI hatte Radium-223-Dichlorid (Ra-223) in der ALSYMPCA-Studie das Mortalitätsrisiko für diese Patienten um etwa 30 % reduziert (2). Radium-223 ist ein Kalzium-Mimetikum, das Alphastrahlen aussendet und selektiv in Knochenmetastasen eingelagert wird, wo es DNA-Doppelstrangbrüche in Tumorzellen induziert. In Kombination mit Abirateron konnte Ra-223 allerdings weder das ereignisfreie Überleben ohne Skelettereignisse noch das Gesamtüberleben verlängern und war zudem mit einer Erhöhung des Frakturrisikos assoziiert (3).

Die European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) hat nun zusammen mit einer Reihe weiterer Studiengruppen in Europa, Kanada und Brasilien die Phase-3-Studie PEACE-3 durchgeführt: Darin wurden 446 Patienten mit mCRPC und asymptomatischen oder leicht symptomatischen Knochenmetastasen randomisiert, Enzalutamid mit oder ohne Ra-223 (55 kBq/kg alle 4 Wochen für 6 Zyklen) zu erhalten.

Nach Einschluss der ersten 119 Patienten wurde die obligate Gabe von osteoprotektiven Substanzen wie Zoledronsäure oder Denosumab in das Protokoll aufgenommen. Als primärer Endpunkt war das radiologische progressionsfreie Überleben definiert.

Fast 90 % der Patienten konnten die 6 Zyklen Ra-223 erhalten, so Prof. Dr. med. Silke Gillessen vom Onkologischen Institut der südlichen Schweiz in Bellinzona in einem Presidential Symposium des ESMO-Kongresses, in dem praxisverändernde Studienergebnisse vorgestellt wurden (1).

Nach median 42,2 Monaten war die radiologische progressionsfreie Überlebenszeit durch das Radiopharmazeutikum von median 16,4 auf 19,4 Monate verlängert worden. Die Reduktion der Risikoreduktion um gut 30 % war signifikant (Hazard-Ratio [HR] 0,69; 95-%-Konfidenzintervall 0,54–0,87; p = 0,0009). Das galt für alle untersuchten Subgruppen.

Guter Einfluss auf Gesamtüberleben, aber nicht auf die Schmerzfreiheit

Beim Gesamtüberleben, einem der sekundären Endpunkte, betrug die Verbesserung in der ersten Interimsanalyse 42,3 versus 35,0 Monate (HR 0,69; 95-%-KI 0,52–0,90; p = 0,0031); dieser Parameter wird noch weiter verfolgt, so Gillessen.

Ein weiterer sekundärer Endpunkt war die Zeitspanne bis zur nächsten systemischen Behandlung: Eine solche erneute Behandlung war im Kontrollarm nach 2 Jahren in 51 % der Fälle erforderlich geworden, im experimentellen Arm nur bei 30 % (median 50,9 vs. 29,9 Monate; HR 0,57; 95-%-KI 0,44–0,75; p < 0,0001). Allerdings konnten durch die Behandlung die Zeiten bis zur Schmerzverschlimmerung und bis zum ersten malignen Skelettereignis nicht verlängert werden.

Therapiebedingte Nebenwirkungen wurden bei 96,4 % der Patienten im Kontroll- und bei 100 % im experimentellen Arm registriert; bei den Toxizitäten vom Grad 3 oder höher waren es 55,8 beziehungsweise 65,6 %. Keine dieser Nebenwirkungen war unter Ra-223 um mehr als 5 % häufiger, am häufigsten traten hier ein Hypertonus (34 %), Fatigue (6 %), Anämie (5 %) und Neutropenie (5 %) auf.

Diese Ergebnisse, so Gillessen, stützen die Behandlung mit Ra-223 in Kombination mit Enzalutamid und einem Osteoprotektivum als mögliche neue Erstlinientherapie für das Prostatakarzinom mit Knochenmetastasen, das noch nicht mit einem ARPI behandelt wurde.

DOI: 10.3238/PersESMO.2024.10.18.15

Josef Gulden