Hormonsensitives und resistentes Prostatakarzinom: Radiotherapien verlängern progressionsfreies Überleben

Dtsch Arztebl 2024; 121(21): [19]; DOI: 10.3238/PersESMO.2024.10.18.14

Radiotherapeutische Konzepte, bei denen Isotope mit hochspezifischen Membranantigenen gekoppelt werden und auf diese Weise außerordentlich präzise am Tumor wirken, gewinnen zunehmend an Bedeutung. 2 Studien wurden auf dem ESMO-Jahreskongress vorgestellt.

Nuklearmedizinische Behandlungsoptionen gewinnen beim Prostatakarzinom immer mehr an Bedeutung. Das Isotop Lutetium-177 (177Lu) ist ein Beta-Strahler, der an einen niedermolekularen Liganden für das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA) gekoppelt (z. B. 177Lu-PNT2002) wird, an die Tumorzellen bindet und seine Strahlung punktgenau dort abgibt. In die Phase-III-Studie SPLASH, die Prof. Oliver Sartor MD von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, in Barcelona präsentierte, wurden 412 Patienten mit einem kastrationsresistenten metastasierten Prostatakarzinom eingeschlossen (1).

Sie waren nach Gabe eines Inhibitors des Androgenrezeptor-Signalwegs (ARPI) rezidiviert, und ihre Tumoren mussten in der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) positiv für PSMA sein. Sie wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert, mit 177Lu-PNT2002 (6,8 GBq alle 8 Wochen intravenös für bis zu 4 Zyklen) oder mit einem weiteren ARPI behandelt. Primärer Endpunkt war das radiologische progressionsfreie Überleben. Weitere bedeutsame Endpunkte waren das Gesamtüberleben und die objektive Ansprechrate sowie Lebensqualitätsindikatoren. Ein Crossover nach Progression unter dem alternativen ARPI war gestattet.

Beim primären Endpunkt war die Radiotherapie signifikant überlegen: Das radiologisch festgestellte progressionsfreie Überleben war im Median von 6,0 auf 9,5 Monate um mehr als die Hälfte verlängert (Hazard-Ratio [HR] 0,71; 95-%-Konfidenzintervall [KI] 0,55–0,92; p = 0,0088). Das galt für alle untersuchten Subgruppen. Das Gesamtüberleben, das unter 177Lu-PNT2002 bei 20,8 Monaten lag, wurde im Kontrollarm noch nicht erreicht (HR 1,11; 95-%-KI 0,73–1,69; p = 0,615); auch deshalb, weil die Crossover-Rate vom Kontroll- in den experimentellen Arm mit 84,6 % sehr hoch war.

Beim Gesamtansprechen war die nuklearmedizinische Therapie mit 38,1 % versus 12,0 % ebenfalls überlegen (p = 0,0021), genauso beim PSA50-Ansprechen (35,7 % vs. 14,6 %; p = 0,0001). Auch bezüglich der Lebensqualität profitierten die Patienten davon: Beim FACT-P-Gesamtscore dauerte es hier median 8,1 Monate bis zu einer Verschlechterung; im Kontrollarm trat diese schon nach median 5,3 Monaten ein (HR 0,59; 95-%-KI 0,44–0,80; p = 0,0005).

Auch die Verträglichkeit war mit der Radiotherapie besser: Behandlungsbedingte Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher wurden hier bei 30,1 %, im Kontrollarm bei 36,9 % der Patienten registriert. Die häufigsten Nebenwirkungen von 177Lu-PNT2002 waren Fatigue, Mundtrockenheit und Nausea.

Radiopharmazeutikum auch in frühen Stadien wirksam

In der randomisierten Phase-II-Studie UpFrontPSMA wurde ein weiteres, auf Lutetium-177 und PSMA basierendes Radiotherapeutikum, 177Lu-PSMA-617, in der Therapiesequenz des metastasierten Prostatakarzinoms noch viel weiter nach vorne genommen (2): Hier wurden 130 Patienten mit noch hormonsensitiven Tumoren und hoher Tumorlast eingeschlossen und randomisiert, so Prof. Arun Azad MD, Melbourne, zusätzlich zur ADT entweder Docetaxel oder 2 Zyklen 177Lu-PSMA-617 (7,5 GBq) zu erhalten, das dann von Docetaxel gefolgt wurde. Primärer Endpunkt war ein Verschwinden des PSA (≤ 0,2 ng/ml) nach 48 Wochen. Der Anteil der Patienten, bei denen PSA nach 48 Wochen nicht mehr nachweisbar war, stieg durch die eingeschobene Radiotherapie von 16 % auf 41 % (OR 3,9; p = 0,002).

Auch hier war die Strahlentherapie mit median 30 versus 21 Monaten überlegen (HR 0,60; 95-%-KI 0,4–1,0; p = 0,039), beim radiologisch bestimmten progressionsfreien Überleben zumindest numerisch (Medianwert nicht erreicht vs. 22 Monate; HR 0,58; 95-%-KI 0,3–1,0; p = 0,067). Ähnliches galt für die Zeit bis zum Eintritt einer Kastrationsresistenz (median 20 vs. 16 Monate). Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 traten bei 29 % beziehungsweise 27 % der Patienten auf und waren für Docetaxel typisch.

Diese Daten, so Azad, die auch im Lancet Oncology publiziert wurden (3), stützen erstmals randomisiert die sequenzielle Anwendung von 177Lu-PSMA-617 und Docetaxel bei Patienten mit neu diagnostiziertem hormonsensitivem Prostatakarzinom und hoher Tumorlast.

DOI: 10.3238/PersESMO.2024.10.18.14

Josef Gulden