Aktualisierte S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom veröffentlicht

Dr. med. Thomas Kron  

Kernbotschaften

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat die S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom überarbeitet. Sie entstand unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. und unter Mitwirkung von 19 Fachgesellschaften sowie Patientenvertretern des Bundesverbandes Prostatakrebs Selbsthilfe e. V. Neuerungen der Leitlinie gibt es in drei Kapiteln. Sie betreffen vor allem pathomorphologische Untersuchungen, die aktive Überwachung von Patienten und medikamentöse Therapieempfehlungen im metastasierten Stadium.

Prostatakrebs ist laut einer Mitteilung der Deutschen Krebsgesellschaft mit jährlich rund 65.800 Neuerkrankungen in Deutschland mit Abstand die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Männern. 2020 starben daran 15.400 Patienten. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist zu erwarten, dass sowohl Inzidenz als auch Prävalenz zunehmen werden. „Mit der leitliniengerechten Behandlung sollen auch unerwünschte Folgen der Prostatakarzinom-Therapie minimiert werden, etwa erektile Dysfunktion, Inkontinenz und Darmschädigung. Deshalb ist die S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom von zentraler Bedeutung in der Urologie. 

Pathomorphologische Untersuchungen

Pathomorphologische Untersuchungen spielen in der onkologischen Diagnostik eine zentrale Rolle – unter anderem, um die Prognose zu ermitteln. Für die Abschätzung der Prognose aufgrund des pathomorphologischen Befundes sollen der Leitlinie zufolge in der Routineversorgung keine über die Pathomorphologie hinausgehenden weiterführenden Untersuchungen (Molekularbiologie, Immunhistochemie, Zytometrie) durchgeführt werden. Validierte genomische/transkriptomische Tests sollten nur dann vorgenommen werden, wenn deren Ergebnis die Therapieplanung ändern würde.

Patienten mit metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinomen soll eine Sequenzierung von BRCA2 und -1 angeboten werden. Die Begründung: BRCA-Mutationen können auf einen potenziellen Nutzen von zielgerichteten Therapien mit PARP-Inhibitoren hinweisen. Zudem kann diesen Patienten eine immunhistochemische Untersuchung der Mismatch Repair (MMR)-Proteine im Karzinom angeboten werden, da eine Defizienz dieser Proteine als prädiktiver Marker für eine Therapie mit Immuncheckpoint-Hemmern gilt.

Active Surveillance

Das Kapitel ‘Aktive Überwachung’ (Active Surveillance) wurde anhand einer Leitliniensynopse überprüft und aktualisiert. Die aktive Überwachung wird neu für Patienten mit einem lokal begrenzten Niedrigrisiko-Prostatakarzinom explizit empfohlen und auch als Möglichkeit für ausgewählte Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom der ISUP-Gruppe 2 und mit günstigem Risikoprofil genannt. Diese neue Risikogruppe ist histologisch durcheinen geringen Anteil Gleasonmuster 4 (<10 %) und Fehlen cribriformer oder intraduktaler Anteile definiert.

Die Rolle der multiparametrischen MRT beim Monitoring wurde aufgewertet; aktualisiert wurden zudem die empfohlenen Intervalle für PSA-Wert-Kontrollen, Re-Biopsien, MRT-Untersuchungen und weitere gezielte und systematische Biopsien bei ‘Aktiver Überwachung’ sowie die Parameter, die gegen eine ‘Aktive Überwachung’ sprechen. Darüber hinaus wurden der Umgang mit einem signifikanten PSA-Anstieg und die Kriterien zur Beendigung einer ‘Aktiven Überwachung’ überarbeitet.

Therapie beim hormonsensitiven, metastasierten Prostatakarzinom

In das Kapitel ‘Therapie des hormonsensitiven, metastasierten Prostatakarzinoms’ (mHSPC) aufgenommen wurden zusätzlich zu den bestehenden Empfehlungen solche zu den Dreifachkombinationen aus Docetaxel, Androgendeprivation (ADT) und Darolutamid bzw. Abirateron+Prednison/Prednisolon, letzteres als Kann-Empfehlung und beschränkt auf de novo metastasiertes mHSPC und ‚high volume disease‘. Die Kombination aus Docetaxel und ADT wird nicht mehr empfohlen. Sollte keine der empfohlenen Kombinationstherapien in Frage kommen, raten die Autoren der Leitlinie zu einer ADT.

Therapie beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom

Auch das Kapitel ‘Therapie des androgenunabhängigen oder kastrationsresistenten Prostatakarzinoms’ (CRPC) wurde hinsichtlich der aktuellen Evidenz geprüft und aktualisiert. Als Faktoren für die Therapieentscheidung hinzugefügt wurden die prädiktive histologische, bildgebende und genetische Diagnostik sowie Vortherapien und Ansprechen darauf. Bei Patienten mit mCRPC soll die ADT fortgesetzt werden. Zur Therapieplanung empfehlen die Autoren vor Einleitung einer systemischen Therapie des mCRPC eine Sequenzierung von Genen der homologen Rekombinationsreparatur. 

Die Empfehlungen zur Therapie des mCRPC werden in Abhängigkeit von der Vortherapie, vom Nachweis einer Mutation in BRCA1/2- oder anderen HRR-Genen, sowie von der Chemotherapie-Fähigkeit der Patienten spezifiziert. Die Ergebnisse dieser erweiterten Diagnostik steuern die systemische Therapie, insbesondere zum Einsatz von PARP-Inhibitoren in Mono- oder Kombinationstherapien. Auch die Empfehlungen in der Therapiesequenz wurden basierend auf der aktuellen Evidenz aktualisiert. Die Empfehlung zur Therapie mit einem Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitor (ARPI) zusätzlich zur ADT beim nicht-metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (nmCRPC) und einem hohen Risiko für Metastasierung wurde dahingehend präzisiert, dass der entsprechenden Indikationsstellung eine konventionelle Bildgebung zugrunde liegt.

Erstmals wurden zwei Empfehlungen zum neuroendokrinen Prostatakarzinom in die Leitlinie aufgenommen, zum einen zur histologischen Abklärung und zum anderen zur Platin-basierten Chemotherapie in Kombination mit Etoposid.

Die aktualisierte S3-Leitlinie ist auf dieser Webseite abrufbar: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom