Verdacht auf Prostatakarzinom: Bei unauffälligem MRT-Befund ist das Krebsrisiko gering

Nicola Siegmund-Schultze   |   Veröffentlicht 18.12.2024

Kernbotschaften

Eine große Kohortenstudie unter Federführung der Berliner Charité ergibt: Bei Verdacht auf Prostatakarzinom im Rahmen einer Früherkennung lässt sich die Wahrscheinlichkeit für ein Karzinom zunächst mit einem multiparametrischen MRT (mpMRT) und ohne Stanzbiopsien sicher abklären. Ist der MRT-Befund unauffällig, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Patient innerhalb von 3 Jahren nicht an einem aggressivem Prostatakrebs erkrankt (doi: 101001/jamaoncol.2024.5497). Die mpMRT-Untersuchung ist in der Primärdiagnostik zur Abklärung des Tumorrisikos also zuverlässig und kann vielen Männern die Prostatabiopsie ersparen.

Hintergrund
Bei Männern steht das Prostatakarzinom (PCa) an erster Stelle der Tumorneudiagnosen und an zweiter bei den Krebssterbefällen. Die Empfehlungen zur Früherkennung haben sich in den letzten Jahren verändert: Der Empfehlungsgrad für die digital-rektale Untersuchung (DRE) wurde abgeschwächt und der für die multiparametrische Magnetresonanztomographie bei erhöhtem PSA-Wert in der Primärdiagnostik gestärkt (1). Die mpMRT sollte bei erhöhtem PSA vor einer Prostatastanzbiopsie (PB) erfolgen. Bisher war jedoch unklar, wie sicher es ist, bei einem negativen MRT-Befund ganz auf die Biopsie zu verzichten. Diese Frage wurde in einer großen multizentrischen Längsschnittstudie unter Federführung der Charité Berlin untersucht (2).

Design
 

  • Studienform: multizentrische, longitudinale Kohortenstudie in einer Kooperation von 54 niedergelassenen urologischen Praxen und zwei universitätsassoziierten radiologischen Zentren für die Bildgebung in Berlin
  • Teilnehmer: Erwachsene Männer bis 70 Jahre (median: 64 Jahre) mit Verdacht auf PCa auf Basis eines erhöhten PSA-Wertes (kein vordefinierter PSA-cut-off-Wert, sondern Bewertung durch die behandelnde Ärztin oder den Arzt) oder auf Basis eines auffälligen DRE-Befunds oder beidem
  • Radiologische Diagnostik: Bei Abklärungsbedarf Diagnostik via mpMRT mit 3-Tesla-Geräten und anschließende Kategorisierung als
    • negative MRT-Befunde mit niedrigem Karzinomrisiko und 
    • positive MRT-Befunde mit mittlerem oder hohem Risiko für ein Prostatakarzinom gefolgt von der Empfehlung zur Biopsie; 
    • bei negativem MRT-Befund keine Prostatabiopsien, sondern aktives Monitoring über 3 Jahre mit halbjährlichen Untersuchungen des Serum-PSA-Werts, einer DRE, einer Ultraschalluntersuchung und auch eines mpMRT, falls für notwendig erachtet   
  • Studienziel: Machbarkeit und Sicherheit eines aktiven Monitorings über 3 Jahre ohne Prostatabiopsie nach negativem mpMRT-Befund

Hauptergebnisse

  • 593 Teilnehmer erhielten wegen Verdachts auf Prostatakarzinom eine mpMRT-Untersuchung.
  • Bei 48 % (n = 286) war der mpMRT-Befund negativ und 242 Patienten (41 %) konnten über 3 Jahre eine Prostatabiopsie vermeiden.
  • 307 Teilnehmer hatten einen positiven mpMRT-Befund. Bei 161 (27 %) wurde in der direkt sich anschließenden Biopsie ein klinisch relevantes Karzinom entdeckt und bei insgesamt 29 % (n = 172) im 3-Jahreszeitraum.
  • Das für 3 Jahre vorgesehene Monitoring nach negativem mpMRT beendeten 233 Männer.
  • Bei 7 Patienten (3 %) wurde dann doch noch ein klinisch relevantes Prostatakarzinom festgestellt.
  • Der negative Vorhersagewert eines mpMRT ohne Befund wird mit 96 % angegeben.

Klinische Bedeutung
„Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer personalisierten Prostatakrebsvorsorge“, erläutert Dr. Charlie Hamm, Erstautor der Publikation und Arzt an der Klinik für Radiologie der Charité (3). „Das Krebsrisiko ist sehr gering, wenn die MRT-Aufnahme der Prostata keine Auffälligkeiten zeigt. 

Aktives Monitoring sollte standardisiert werden    

Zwar bietet ein unauffälliger MRT-Befund alleine keine hundertprozentige Sicherheit, aber wenn man die Patienten regelmäßig kontrolliert, entdeckt man einen möglichen Krebs früh genug“, so Hamm. Es sei bei diesem Vorgehen also wichtig, ein Sicherheitsnetz für die Männer zu schaffen, die zunächst keine Biopsie erhalten. „Das bedeutet klare Richtlinien für die PSA-Überwachung, wiederholte MRT-Untersuchungen und Kriterien, wann später eine Biopsie notwendig sein könnte“, betont Hamm.