Neuromuskuläres Training schützt Patienten unter Chemotherapie vor Neuropathie

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Köln – Ein neuromuskuläres Training könnte bei Patienten, die eine Chemotherapie erhalten, das Auftreten einer chemotherapieinduzierten peripheren Neuropathie (CIPN) verhindern kann. Das berichten Kölner Forschende im Fachblatt JAMA Internal Medicine (2024; DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.2354).

„CIPN ist eine sehr häufige Nebenwirkung von Chemotherapien. Möglichkeiten der Prävention oder Behandlung gibt es kaum, weshalb bei Auftreten einer CIPN oft die Krebstherapie angepasst werden muss, was die Überle­benschancen der Patienten beeinträchtigen kann“, schreiben Erstautorin Fiona Streckmann vom Institut für Kreis­laufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln und ihre Kollegen.

Die randomisiert-kontrollierten Studie STOP begleitete 5 Jahre lang Patienten an 4 Klinken und Praxen in Köln und Eschweiler. Sie waren rekrutiert worden, als sie sich einer Chemotherapie mit Oxaliplatin oder Vincaalkaloi­den unterzogen.

Untersucht wurden Gleichgewichtstraining und Vibrationstraining

In den beiden Interventionsgruppen absolvierten die Patienten unter Aufsicht 2 Mal wöchentlich entweder ein sensorimotorisches Training (AMT) oder ein Ganzkörpervibrationstraining. Das SMT bestand aus Gleichgewichts­übungen auf instabilen Oberflächen mit zunehmendem Schweregrad, pro Trainingseinheit absolvierten die Pa­tienten 4 Übungen.

Das Vibrationstraining fand auf einer Vibrationsplattform statt. Es bestand aus alternierenden Vibrations- und Ruhephasen mit Vibrationsfrequenzen zwischen 18 und 35 Hz und einer Amplitude von 2-4 mm.

Die 15-30 Minuten dauernden Trainingseinheiten begannen kurz nach der Randomisierung und wurden bis zum Ende der medikamentösen Therapie fortgesetzt. Von 1.605 gescreenten Patienten erfüllten 1.196 nicht alle Einschlusskriterien, weitere 251 hatten kein Interesse an der Studienteilnahme.

Letztlich konnten 158 Patienten – im Schnitt 49 Jahre alt, knapp 60 % Männer – auf eine der 3 Gruppen rando­misiert werden. 55 Patienten absolvierten das SMT, 53 das Vibrationstraining und 50 dienten als Kontrolle. Sie erhielten die Standardtherapie und kein organisiertes Training.

Die Autoren berichten, dass die CIPN-Inzidenz bei den Patienten in den beiden Interventionsgruppen signifikant niedriger gewesen sei als in der Kontrollgruppe. In der SMT-Gruppe lag sie bei 30,0 %, in der Vibrationstraining­gruppe bei 41,2 % und in der Gruppe ohne Training bei 70,6 % (p=0,002).

Am meisten profitierten Patienten, die Vincaalkaloide erhalten und ein SMT durchgeführt hatten. Auch die Regel­mäßigkeit der Teilnahme spielte eine Rolle: Die Ergebnisse waren deutlich ausgeprägter bei Patienten, die an mehr als 75 % der Trainingseinheiten teilgenommen hatten (SMT: 28,6 %; Vibrationstraining: 37,5 %).

Auch im Hinblick auf sekundäre Endpunkte schnitten die Patienten, die trainiert hatten, besser ab, speziell die­jenigen in der SMT-Gruppe. Im Vergleich zur Standardtherapie verbesserte das SMT das Gleichgewicht, die Vibra­tionssensitivität, den Tastsinn und die Kraft in den Beinen. Es reduzierte außerdem Schmerzen, Brennen und sogar die Mortalität. In der SMT-Gruppe musste außerdem die Chemotherapiedosis seltener reduziert werden. © nec/aerzteblatt.de