IQWiG: Nutzen des PSA-Screenings wiegt Schaden nicht auf

PSA-Test: Weiterhin kein positives Votum vom IQWiG. Foto: Sherry Young – Fotolia.com

Ein PSA-Screening erspart einigen Patienten die Belastungen einer metastasierten Krebserkrankung, Schäden durch Überdiagnosen und Übertherapie überwiegen jedoch. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Vorbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) untersucht das IQWiG derzeit, ob Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Prostatakarzinom-Screening mittels PSA-Test angeboten werden sollte. Nach Auswertung der Studienlage kommt das Institut in seinem Vorbericht zu dem Ergebnis, dass der Nutzen einer solchen Reihenuntersuchung den damit verbundenen Schaden nicht aufwiegt: Zwar nutzt das Screening einigen Männern, indem es ihnen eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder verzögert. Im Gegenzug müssen aber deutlich mehr Männer wegen Überdiagnosen und Übertherapie mit dauerhafter Inkontinenz und dauerhafter Impotenz rechnen, und das in relativ jungem Alter.

Stellungnahmen zum Vorbericht nimmt das IQWiG bis zum 3. Februar 2020 entgegen.

Vom Screening des Prostatakarzinoms verspricht man sich die Entdeckung von Prostatakarzinomen mit einem hohen Progressionsrisiko in einem heilbaren Stadium, um die Morbidität (zum Beispiel Schmerzen wegen Knochenmetastasen) und die Sterblichkeit zu reduzieren.

Elf Studien ausgewertet

Die jetzt vorliegende IQWiG-Nutzenbewertung eines PSA-Screenings beruht auf der Auswertung von elf randomisierten kontrollierten Studien mit mehr als 400.000 eingeschlossenen Teilnehmern (in der Regel Männer zwischen 55 und 70 Jahren, Beobachtungszeitraum zwischen 13 und 20 Jahre). In allen Studien verglichen die Studienautorinnen und -autoren ein Prostatakarzinom-Screening mittels PSA-Test mit keinem Screening auf ein Prostatakarzinom.

Nach Auswertung der Studienlage halten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG fest, dass ein Screening mittels PSA-Wert einigen Patienten nützt, indem es ihnen eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder verzögert. Hiervon profitieren durchschnittlich etwa drei von 1000 Patienten innerhalb von zwölf Jahren. Unklar bleibt, ob das Screening dabei zu einer nennenswerten Lebensverlängerung von Patienten führt. Denn zwar bewahrt ein PSA-Screening statistisch betrachtet drei von 1000 Patienten innerhalb von 16 Jahren vor dem Tod durch ein Prostatakarzinom, eine Änderung der Gesamtsterblichkeit ließ sich dagegen in den Studien nicht zeigen. Wie kann das sein? Da der Anteil der Prostatakarzinomtode an der Gesamtsterblichkeit gering ist, ist es einerseits statistisch schwierig, mit den Studien einen Unterschied in der Gesamtsterblichkeit zu zeigen. Andererseits ist es dadurch aber auch nicht unwahrscheinlich, dass die in der Regel älteren Männer, die durch ein PSA-Screening vor dem Tod durch Prostatakrebs bewahrt werden, ohnehin zu einem vergleichbaren Zeitpunkt an einer anderen Ursache sterben.

Überdiagnosen und falsch-positive Ergebnisse

Die ausgewerteten Studien zeigen laut IQWiG aber auch, dass ein PSA-Screening bei Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs häufig zu Überdiagnosen und falsch-positiven Befunden führt.

Dabei stelle für die überdiagnostizierten Männer allein die Diagnose einer potenziell tödlichen Erkrankung einen Schaden dar, schreiben die IQWiG-Autorinnen und Autoren. Hinzu kommen Belastungen durch eine unnötige Prostatabiopsie und eine eigentlich nicht erforderliche Therapie. Mögliche Komplikationen der Therapie wie Impotenz und Inkontinenz sind zudem in vielen Fällen nicht reversibel und wirken wegen des frühen Therapiezeitpunkts lange nach. Eine dauerhafte Inkontinenz durch ein PSA-Screening befürchten müssen nach einer Modellierung zusätzlich drei von 1000 Männern, zusätzlich 25 von 1000 Männern droht eine dauerhafte Impotenz.

Auch Männer, denen der PSA-Test ein falsch-positives Ergebnis liefert, profitieren nicht vom Screening. Sie erfahren ausschließlich einen Schaden in Form eines besorgniserregenden Testergebnisses, das eine unnötige Prostatabiopsie nach sich zieht. Der Anteil der Screening-Teilnehmer, bei denen im Studienverlauf trotz positivem PSA-Test letztlich kein Prostatakarzinom bestätigt wurde, lag zwischen 22 und 26 Prozent. Nach Prostatabiopsien traten in den Studien dabei bei etwa zwei Prozent der Männer Komplikationen auf.

In der Abwägung zwischen Nutzen und Schaden kommt das IQWiG zu dem Ergebnis, dass ein Prostatakarzinom-Screening mittels PSA-Test wegen Überdiagnosen deutlich mehr Männern schadet als nützt. „Screening-Maßnahmen können erhebliche Schäden nach sich ziehen“, erläutert IQWiG-Leiter Jürgen Windeler. „Beim PSA-Screening kommt es insbesondere zu einer beträchtlichen Zahl von Überdiagnosen, die an sich belastend sind, vor allem aber Übertherapien nach sich ziehen und letztlich zu schwerwiegenden und langanhaltenden Komplikationen wie Inkontinenz und Impotenz führen können. Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs sollte deshalb gegenwärtig innerhalb der GKV kein organisiertes Prostatakarzinom-Screening mittels PSA-Test angeboten werden.“ Inwieweit ein risikoadaptiertes Vorgehen, das aktuell diskutiert und auch in Deutschland evaluiert wird, zu einer Änderung der Bewertung führen könne, bleibe abzuwarten.

Zum Ablauf der Berichterstellung

Den Berichtsplan für das vom G-BA auf Antrag der Patientenvertretung in Auftrag gegebene Projekt „Prostata-Screening mittels PSA-Test“ hatte das IQWiG am 24. Mai 2019 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Die eingereichten Stellungnahmen machten keine Überarbeitung des Berichtsplans erforderlich. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist am 3. Februar 2020 gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen. Im Anschluss erstellt das IQWiG den Abschlussbericht. Quelle IQWiG